33. Etappe: 03. Mai 2013

Stevern – Coesfeld  19,8 km

Nach einem ausgiebigen Bauernfrühstück, hier im Landgasthaus gibt es Wurst und Schinken aus eigener Herstellung, beginne ich meine Etappe mit einem vollen Magen. Ein bisschen blauer Himmel, ein bisschen Sonne und bisschen Kühle empfängt mich. Da ich mich bereits auf meiner Route befinde, muss ich mich nicht mit meinem Navi orientieren, der Weg und die Richtung sind klar.

Da Stevern ein sehr kleiner Ort ist, bin ich schnell wieder in der Natur. Mir fällt schon seit ein paar Tagen auf, dass hier die Bauernhöfe und die Wohnhäuser in einem ausgesprochen guten Zustand sind. Oft sind die Vorgärten liebevoll hergerichtet. Runtergekommene Gebäude habe ich auf meinem Weg durchs Münsterland noch nicht gesehen. Alles kommt mir hier, wie heile Welt vor.

Ich komme an einem Bauernhof vorbei, als mich vier schnatternde „weiße Wachhunde“ am Zaun begleiten. Die Gänse watscheln schnatternd und aufgeregt neben mir her. Kaum später erreiche ich eine Pferdekoppel und zwischen Ponys und Pferden steht ein Esel in der Nähe des Zauns. Als ich mich nähere, springt er erschrocken zurück. Doch dann wird er zutraulich und kommt an den Zaun und lässt sich von mir streicheln.

Mit diesem Esel kommen bei mir sofort Erinnerung an meine Pilgerreise in 2009 hoch. Reto, ein Schweizer Pilger, redete während unseres gemeinsamen Weges ständig auf mich ein. Wir sollten zusammen nochmals mit einem Esel eine Pilgerreise durch Frankreich zu machen. Er hatte schon genaue Vorstellungen für so eine Reise. In Genf trennten sich unsere Wege, doch der Esel spukte weiter in meinem Kopf. Schon unterwegs nahm ich zweimal Kontakt mit Pilgern mit Esel auf. Nach meiner Rückkehr kaufte ich mir sofort zwei Bücher über das Pilgern mit Esel (siehe meine Buchtipps).  Noch lange ging mir eine Pilgerreise mit Esel nicht aus dem Sinn. Reto meldete sich jedoch nicht mehr.   

Auf einem Balkon sehe ich vier Kolkraben und erst beim zweiten Blick erkenne ich, dass es keine echten Raben sind. Eigentlich habe ich in dieser Gegend keine Kolkraben, sondern bisher nur Dohlen gesehen. Heute habe ich noch nicht viele Pferde gesehen, aber mehrfach grasen Ziegen und Schafe. In dieser Gegend jedoch, bei Dülmen, gibt es die letzten echten Wildpferde Europas. Sie sind ausgesprochen robust und leben auch im Winter im Freien.

Das Wetter wird immer besser und in einem Wald mache ich auf einer Bank eine längere Pause. Herrliche Ruhe umgibt mich, das laute Vogelgezwitscher empfinde ich als ungemein wohltuend. Wenn es so bleibt, wird dieser Tag mein schönster Wandertag.

Ich genieße die vielen verschiedenen Grüntöne der Landschaft. Oft stehen Bäume wie auf einer Schnur gereiht am Horizont. In der Entfernung sieht das Geäst sehr filigran aus. Ich kann mich nicht sattsehen an diesen Bäumen und Baumreihen und dabei vergesse ich die ständige Asphalttreterei. Die Landschaft ist sanft hügelig und es gibt nur Laubbäume. Sie stehen vereinzelt, in Gruppen oder als kleine Wälder in dieser Landschaft. Noch gibt es kein dichtes Laubwerk, sondern kleine noch wachsende Blätter in zarten Grüntönen. Komme ich einer Baumreihe näher, verschwindet leider das Filigrane. Immer wieder fotografiere ich heute Bäume und Baumreihen. Wie es im Sommer hier ausschaut, weiß ich nicht, aber der Frühling im Münsterland ist traumhaft. Als ich an gefällten Eichen vorbei komme, entschließe ich mich zu einer weiteren Pause. Hier kann ich auf den Bäumen mich fast hinlegen, der Rucksack bleibt an und liegt in einer Mulde zwischen zwei Baumstämmen. Meine Beine liegen auf dem Stamm vor mir. Wieder kann ich in dieser Stellung in den Himmel durch das Geäst schauen und die Stille und das schöne Wetter genießen (Bilder mit Geäst und Beine siehe unten).

Weiter geht es einige Zeit durch diese reizvolle Frühlingslandschaft. Vor einigen Gebäuden an einer Skulptur steht eine Steinbank und ich mache hier meine Mittagspause. Heute habe ich mir ein Brötchen mit köstlicher Wurst vom Landgasthof mitgenommen. Kaum habe ich das Brötchen verzerrt, als ein Mädchen mit Rad auf mich zukommt. Erst etwas schüchtern, doch schnell wird sie mutiger und fragt mir „Löcher in den Bauch“. Ich erfahre von ihr, dass sie acht Jahre alt ist, Martina heißt und aus Polen kommt. Ein Stück fährt sie mit und ich mache zum Abschied noch von ein Foto von uns.

Etwa vier Kilometer vor Coesfeld spricht mich eine Radfahrerin an und zeigt mir zwei Alternativwege zu meinem asphaltierten Wirtschaftsweg. Wir unterhalten uns einige Zeit und sie gibt mir noch ein paar Tipps zu Orten in der Nähe. Als Wanderer, der noch einige Tausend Kilometer vor sich hat, kommen leider nur kleine Abstecher infrage. Ich muss in diesem Jahr wieder ankommen!

Diese letzten Kilometer vergehen recht schnell und am Ortseingang beginne ich wieder mit meiner heutigen Unterkunftssuche. Zunächst schwierig, doch dann finde ich meine heutige Bleibe. 

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