Pausentage Wittmund

Freitag, den 24. Mai 2013

Wieder habe ich keinen Wecker gestellt und werde relativ spät wach. Die Erkältung steckt mir in den Knochen und es reift bei mir der Entschluss, heute nicht nach Wittmund zu laufen. Ich genieße wieder das gemeinsame Frühstück mit Inge und Manfred. Danach beginne ich, den Bericht für vorgestern zu schreiben. Es dauert und die schlechte Mobilfunkverbindung bringt mich zur Verzweiflung.

Danach bringen mich Inge und Manfred zum Fliegerhorst des Traditionsgeschwaders, Jagdgeschwader 71 „Richthofen“ (kurz JG 71). Hier habe ich nach der Grundausbildung meine 4-jährige-Bundeswehrzeit verbracht. Im Fliegerhorst ist für mich eine Unterkunft organisiert. An der Hauptwache wechsel ich meinen Personalausweis gegen einen Besucherausweis und einen Umschlag mit Zimmerschlüssel. Ich freue mich, nun auch wieder in meine Vergangenheit einzutauchen. Vieles erkenne ich sofort wieder. Die F86 Sabre MK6 steht immer noch im Eingangsbereich des Fliegerhorstes. Hinzugekommen ist der Starfighter F-104 G und die Phantom F-4F. Auch der Eingangsbereich des Gebäudes erkenne ich sofort wieder, wenn ich auch damals in einem anderen Gebäude untergebracht war. Ein spannender Moment ist es, als ich meine Zimmertür im Obergeschoss öffne. Ich blicke sofort auf ein Doppelstockbett, das frische Bettzeug und ein Handtuch liegen darauf. Links von der Tür zwei Kleiderspinde. Heute mit einer grünen Kunststoffbeschichtung, früher war es eine Holzverkleidung. Ich öffne die Tür und im Inneren sieht es immer noch so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Spiegel in der rechten Tür, mit Schloss abschließbares Privatfach rechts (dieses wurde nicht bei der Stubenkontrolle kontrolliert) und ein weiteres großes Fach mit Tür. Darunter drei offene Fächer und links das große Kleiderfach für Jacken und Hosen. Oberhalb davon noch ein schmales, über der gesamten Schrankbreite verlaufendes, Fach. Im Raum steht noch ein Tisch mit zwei Stühlen. Für das Beziehen des Bettes hätte ich damals sicher einen Ansch… bekommen und es nochmals Beziehen müssen. Für mich ist es aber ordentlich genug.

Auf dem Flur im Obergeschoss sind die WCs, die Wasch- und Duschbereiche für Männer sind hier jetzt im Erdgeschoss untergebracht. Im Obergeschoss befinden sich jetzt als Neuerung gegenüber damals, die Duschen und der Waschraum für „Damen“.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken, die es mir ermöglicht haben im Fliegerhorst zu übernachten.

Ich räume einen Teil des Rucksackes in den Spind und breite mich auf dem Tisch aus. Der Bericht für die letzte Etappe nach Westeraccumersiel muss geschrieben werden. Zwischendurch verabrede ich mich mit Helga für den Abholtermin um 18 Uhr von der Hauptwache. Der Bericht, die Bearbeitung der Bilder und GPS-Daten nimmt mich bis kurz vor 18 Uhr in Beschlag.

Pünktlich um 18 Uhr bin ich an der Hauptwache und auch Helga kommt gerade angefahren. Ich freue mich sie wiederzusehen und wir fahren auf Wunsch von mir auf der alten Poststraße nach Adorf. Wir kommen an der Nebenwache vorbei und die ersten Erinnerungen kommen in mir hoch. Damals bin ich in der letzten Zeit meiner Bundeswehrzeit als Heimschläfer auch über die Nebenwache und über die alte Poststraße nach Hause gefahren. Vieles erkenne ich nicht mehr, alles ist jetzt so aufgeräumt und neu. Erst als wir an dem Gasthof in Adorf vorbeifahren, kommen bei mir die Erinnerungen zurück. Hier hatte ich mit Marga, meine erste Frau, die Hochzeitsfeier und später fand hier auch die Silberhochzeitsfeier meiner Ex-Schwiegereltern statt. Nebenan steht noch das Haus des örtlichen Hausarztes, Margas erste Arbeitsstelle. Weiter geht es in Richtung Borgholt. Beim Bauernhof von Margas Eltern und meinem letzten Wohnort in Ostfriesland halten wir kurz an. Heute leider mit einem großen Hoftor verschlossen und inzwischen unbewohnt. Ein komisches Gefühl kommt bei mir hoch, den Bauernhof so unbewohnt zu sehen. Nicht weit von hier erreichen wir dann den Bauernhof von Helga und Hinrich. Zunächst fahren wir zum links liegenden kleinen Haus. In der Zeit meines Ostfrieslandaufenthaltes, die Bleibe von Horst und seiner Mutter.

Dieses kleine Haus, inzwischen mit Anbauten, war auch unser Ferienhaus in Ostfriesland. Damals haben Noriko und ich mit unseren beiden Töchtern Akane und Michiko hier übernachtet. Mit unserem neuen Honda Accord (damals die erste Baureihe des Herstellers in Deutschland) und zwei Kinderbetten auf dem Dach, reisten wir hier an. Damals war gerade auch Marga bei ihrer Mutter zu Besuch und wir trafen uns bei meiner Ex-Schwiegermutter.

Etwas grau, aber unverändert, kommt uns Hinrich, auch ein Cousin von Marga, entgegen. Ihn wiederzusehen, freut mich sehr. Beide haben die Landwirtschaft vor etwa sieben Jahren aufgegeben. Sie führen mich auf dem großen Gelände des Hofes rum. Vieles haben sie in Eigenleistung verändert und es sich sehr wohnlich gestaltet. Dazu gehört auch ein großer Partyraum, in dem schon viele Feiern veranstaltet wurden. Anschließend essen wir an einem reichlich gedeckten Tisch zu Abend. Als mich Helga fragt, ob ich Kaffee oder Tee haben möchte, entscheide ich mich als Kaffeetrinker hier und heute für den klassischen Ostfriesentee. Es ist für mich seit damals wieder das erste Mal, so einen echten Ostfriesentee zu bekommen.

Beim „echten“ Ostfriesentee handelt es sich um eine spezielle, kräftige Teemischung, die aus über 20 verschiedenen Teesorten in Ostfriesland gemischt wird. Es gibt drei große Teehandelshäuser für diesen speziellen Tee. Der Name ist aber nicht geschützt.

In einer dünnen Porzellantasse gibt mir Helga ein paar weiße Kluntjes (Kandiszucker). Dann schüttet sie mir den heißen Ostfriesentee nach und es knistert leicht. Mit einem speziellen Sahnelöffel (Rohmlepel) gibt sie mir ein paar Tropfen Sahne (Rohm) in den Tee. Es entsteht durch die dicke, fette Sahne eine typische Sahnewolke im Tee („’n Wulkje Rohm“).

Helga und Hinrich sind mir schon immer sehr sympathisch gewesen und so kommen wir schnell ins Plaudern. Helga zeigt mir Bilder von unserem Aufenthalt bei ihnen. Wir tauschen uns aus über die lange Zeit ohne Kontakt. Der Gesprächsstoff nimmt kein Ende und in der Wohnstube schauen wir uns Bilder ihrer Reise nach Lanzarote an. Ich merke, dass diese von ihren Kindern geschenkte und organisierte Reise, ein einmaliges Erlebnis für beide war. Hinrichs Schwestern, die auch dort leben, taten ein Übriges dazu. Mit der vorher betriebenen Landwirtschaft war es unmöglich so eine Reise zu unternehmen. Es folgen noch Bilder meiner Wanderschaft und ich erfahre danach noch von Hinrichs großer Leidenschaft zur Musik. Ich freue mich für beide, dass sie inzwischen ohne Landwirtschaft förmlich aufblühen. Wir verplaudern uns bis nach ein Uhr in der Frühe. Dann bringt mich Helga zurück zum Fliegerhorst. Es war wunderbarer Abend mit beiden.

Samstag, den 25. Mai 2013

Die Nacht zum Samstag wieder ohne wecken tat mir gut. Nun steht ein volles Programm für mich an. Zunächst kommt Jürgen, mein Freund aus der Bundeswehrzeit, zu mir in den Fliegerhorst. Schon auf dem Gang höre ich die „zackige“ Stimme von Jürgen. Er weiß nicht, in welchem Zimmer ich untergebracht bin und macht sich bemerkbar. Groß ist die Freude, als er ins Zimmer tritt. Immer noch unverändert sieht er aus und wie früher ein immer mit guter Laune gesegneter Mensch. Unsere Fahrt beginnt mit einem kurzen Abstecher zu den Gebäuden der Elowa-Staffel. Natürlich gehen wir zusammen hoch in den ersten Stock und zu unserem letzten gemeinsamen Zimmer. Ich verkneife mir Fotos im Fliegerhorst zu machen, auch wenn es sicher schön gewesen wäre, ein paar Bilder von hier zu haben.

Danach fährt mich Jürgen zu meinem Termin bei Horst und Hannelie. Dabei geht es vorbei an der Tankstelle, der Polizeiwache und dem Gasthof im Innenstadtbereich von Wittmund.

An dieser Tankstelle habe ich mein erstes Auto, einen Opel Kadett A, gekauft. Der Benzinpreis lag damals bei ca. 30 – 40 Pfennig! Die Polizeiwache habe ich zusammen mit Jürgen, Plautschi und noch ein paar anderen zwangsweise besucht und ist mir in guter Erinnerung geblieben.

Wir fuhren nach der Grundausbildung in Goslar zusammen im Zug nach Wittmund und alle waren zunächst entsetzt in eine so „einsame“ Landschaft, weit weg im Norden stationiert zu werden. Daher sind wir gleich zu Beginn unseres Aufenthaltes bei der ersten Gelegenheit im Ort zu dieser Kneipe, heute ein Hotel, gelaufen. Hier haben wir einiges konsumiert und sind gut angeheitert und singend mit einem Bein auf dem Bürgersteig und mit dem anderen Bein auf der Straße in Richtung Fliegerhorst marschiert. Das auf dieser Strecke auch die Polizeiwache lag, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Polizei, unser Freund und Helfer, leitete unseren Marsch in die Wache um. Das Ganze ging glücklicherweise glimpflich ab.

 Das Haus von Horst und Hannelie liegt versteckt hinter vielem Grün. Ich klingele und Hannelie öffnet mir die Tür. Sie ist, immer noch wie ich es in Erinnerung habe, eine schöne und exotisch aussehende Frau. Freudig begrüßen wir uns und ich trete in ein atemberaubendes mit viel Liebe eingerichtetes Inneres. Dort empfängt mich erfreut Horst, auch er ist immer noch unverändert. Irgendwie kommt sofort viel Erinnerung aus vergangener gemeinsamer Zeit in mir hoch. Auch hier wähle ich wieder den klassischen Ostfriesentee, der mir als Kaffeetrinker, wieder immer besser schmeckt. Schnell tauchen wir wieder ein, in unsere gemeinsame Vergangenheit. Ein paar alte Fotoalben verstärken noch in mir diese Vergangenheitsgefühle.

Mit Horst, Hannelie, Marga und noch ein paar anderen fuhren wir immer an den Wochenenden zu verschieden Tanzlokalen mit Bands. Horst und Hannelie konnten unglaublich gut tanzen und waren ständig die Attraktion auf der Tanzfläche. Inzwischen haben sie eine Flamencotanzgruppe aufgebaut und geben sehr erfolgreich in Ostfriesland Aufführungen.

Damals haben wir öfters bei Horst und Hannelie auf einem Fell vor dem offenen Kamin gesessen und gefeiert. Hier fing auch meine Leidenschaft für die Fotografie an und unsere Gruppe war mein erstes Fotoobjekt. Es folgte die tolle Hochzeit der beiden mit Pferdekutsche. Für Wittmund damals ein außergewöhnliches Ereignis. Wir hatten damals eine schöne Zeit zusammen.

Leider geht meine Zeit bei den beiden viel zu schnell vorbei und ich verabschiede mich mit etwas Wehmut. Nun laufe ich nach Wittmund zurück. Ich bin bei Jürgen und Hannelore zum Mittagessen eingeladen. Hannelore begrüßt mich sehr herzlich. Beide sind ein liebenswertes Paar und ich fühle mich gleich sehr wohl bei ihnen. Nach wieder einem Ostfriesentee und Kuchen am Nachmittag fahren wir zum Fliegerhorst zurück. Im Kasino hat Jürgen mit ehemaligen Kameraden ein Treffen organisiert.

Hier treffe ich mich nun mit den Kameraden Jürgen, Wilbur, Pemann, Atze und Jabo. Wilbur erkenne ich sofort wieder, er hat sich nicht verändert. Die anderen Drei hätte ich nicht mehr erkannt, auch ihnen geht es mit mir so. Wir verbringen einen schönen Abend zusammen und ich bleibe für das Champions-League-Finale vom BVB gegen Bayern noch im Kasino. Enttäuscht von der Niederlage geht es danach zurück zum Zimmer.

Sonntag, den 26. Mai 2013

Nach einer weiteren Nacht im Fliegerhorst, einem ausgiebigen Frühstück im Kasino sitze ich nun beim Schreiben dieses Berichtes und meiner Karten. Mit den Medikamenten lässt langsam meine Erkältung nach und es geht mir wieder besser. Dieser zusätzliche Tag tut mir gut. Die Zeit hier in Ostfriesland war eine intensive Reise in die Vergangenheit und ich brauche sicherlich noch einige Zeit alle Eindrücke zu verarbeiten.

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