70. Etappe: 22. Juni 2013

Hallig Hooge – Schlüttsiel – Niebüll  17,7 km

Um 7:45 Uhr verlasse ich die Jugendwarft. Ebenfalls zum Fährhafen sind die Schülerinnen und Schüler einer Frankfurter Schule unterwegs. Am Hafen begebe ich mich unter den überdachten Wartebereich. Hier stehen schon einige Schülerinnen. Kaum habe ich einen Platz gefunden, spricht mich eine Schülerin an: „Sie haben schöne Augen, wie heißen sie?“, ich etwas verdattert: „Warum willst Du das wissen?“ Eine andere Schülerin antwortet für sie: „Sie ist verliebt in sie!“ Ich habe kaum Zeit etwas zu erwidern, schon prasseln weiter Fragen auf mich ein: „Woher kommen sie? Wohin wollen sie? Wie lange sind sie unterwegs? Haben sie viel Geld dabei? Und, und…“ Ich beantworte teilweise ihre Fragen und habe danach erst einmal Ruhe. Wenig später kommt ein Schüler zu mir und fragt mich: „Warum machen sie das?“ Ich antworte: „Es macht mir Spaß.“ Er geht zu den Mädchen und erzählt ihnen leise meine Antwort. Dann ein weiteres Verhör: „Waren sie schon in Hamburg? Kennen sie Köln? Kennen sie München? Usw.“ Als ich immer seine Fragen bejahe, ist er sichtlich beeindruckt und meint: „Sie kennen ja ganz Deutschland!“, und lässt mich in Ruhe.

Etwas verspätet kommt die Fähre an und wir gehen an Bord. Ich begebe mich sofort ins Unterdeck, um dort ein Frühstück einzunehmen. Zwischendurch schaue ich einmal aus einem der Bullaugen und sehe schon wieder Regen. Im Hafen von Schlüttsiel angekommen hat es glücklicherweise aufgehört, doch schwere Regenwolken sind noch am Himmel. Jetzt jedoch bläst mir eine heftige steife Brise entgegen. Zur Sicherheit ziehe ich hinter dem Restaurant, geschützt vom Wind, meinen Poncho an.

Auf oder vor dem Deich brauche ich nicht zu laufen, hier würde ich nur gegen den Wind ankämpfen. Und so entschließe ich mich, auf der Deichstraße meinen Weg fortzusetzen. Es gibt hier keinen Radweg und auch kaum Randstreifen. Auf dieser schmalen Straße sind in beiden Richtungen viele Fahrzeuge unterwegs. Die meisten entgegenkommenden Fahrer(innen) fahren, wenn kein Gegenverkehr ist, komplett links auf die Fahrbahn. Einige Unentschlossene fahren wenigstens halb auf die Gegenfahrbahn, doch ein Fahrer pocht auf sein Recht weiterhin auf seiner Fahrbahnseite zu bleiben und kommt mir gefährlich nahe. Mit meiner Gelassenheit ist es vorbei, ich drehe mich herum und brülle und gestikulieren ihm nach. Er hat es wohl mitbekommen, tritt kurz auf die Bremse und fährt dann doch weiter. Hoffentlich bin ich bald von dieser Straße runter und weg von diesen Verkehrsidioten! Das Thema arbeitet einige Zeit in mir.

Inzwischen regnet es wieder und ich bin froh den Poncho anzuhaben. Dann sehe ich im Gelände ein Haus mit abgebranntem Dachstuhl. Dies ist wohl eines der reetgedeckten Häuser, das bei dem starken Gewitter (bei meiner 68. Etappe) vom Blitz getroffen wurden. Kurz danach kann ich endlich von der Deichstraße abbiegen. Auch diese Kreisstraße hat keinen Radweg, doch der Verkehr hält sich in Grenzen und alle fahren mit vernünftigem Abstand an mir vorbei. In Broderswarft mache ich in einem kleinen Wartehäuschen an einer Bushaltestelle meine erste Pause. Mein rechter Unterschenkel schmerzt wieder.

Vor einer Straßenbiegung steht eine Polizeistreife und beide Beamten steigen aus als ich näher komme. Ich muss hier abbiegen und frage beide: „Machen sie auch bei mir eine Verkehrskontrolle?“ Beide schmunzeln und erklären mir, dass hier bald ein Triathlonwettkampf  stattfindet. Ich darf aber weiter. Die Straße ist wieder eine endlose Gerade, nur habe ich, je weiter ich laufe, Abwechslung. Immer mehr Fahrzeuge halten und parken am Rand und Sportler und Begleiter sind unterwegs. Mal werde ich mit meinem im Wind flatternden Poncho belächelt, höre aber auch von Begleitpersonen: „Einen Poncho hätte ich auch mitnehmen sollen.“

Die parkende Autoschlange ist enorm und bei der Abbiegung zum Startplatz finde ich wieder ein Wartehäuschen für meine Pause. Hier verfolge ich einige Zeit mit schmerzendem Bein das Treiben der Athleten. Einige haben Edelrädern dabei.

Auch nach meiner Pause laufe ich an einer ständig zunehmenden Autokolonne vorbei. Erst in Maasbüll wird es wieder ruhiger. Dann in einem Vorort von Niebüll angekommen, kann ich nur noch langsam humpelnd nach Niebüll weiterlaufen.

Im Hotel angekommen frage ich, ob ich ggf. noch eine weitere Nacht bleiben kann. Dies ist möglich und ich werde mich am nächsten Morgen entscheiden. Zunächst kühle ich den Unterschenkel und massiere leicht die vordere Unterschenkelmuskulatur. Die Kühlung und auch die Massage tuten gut. 

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