162. Etappe: 07. Oktober 2013

Schärding – Egglfingen am Inn  24,5 km

Meine heutige Route plane ich entsprechend der Empfehlung des älteren Paares von gestern Abend neu. Das Stift Reichersberg muss ich unbedingt gesehen haben, rieten sie mir. Da es nur in Schärding und erst danach wieder in Obernberg eine Brücke gibt, werde ich heute auf der österreichischen Innseite bis Oberndorf bleiben.

Nach Verlassen der Pension besichtige ich zunächst noch den oberen Stadtplatz mit der Silberzeile. Schwungvolle Giebel zieren die historischen Fassaden. Die Farbenpracht der Häuser ist enorm und soll spätmittelalterlichen Zunftfarben entsprechen. Dann mache ich mich auf den Weg. Noch längere Zeit folge ich einer Hauptstraße durch die barocke Stadt. Übergangslos verlasse ich Schärding und bin in St. Florian.

Ein Briefzusteller versperrt mir mit seinem Fahrzeug ständig den Gehweg. Die österreichische Post scheint für ihre Kunden keine Spritkosten zu scheuen J, denn er fährt von Haus zu Haus und schmeißt die Post in die Briefkästen. An einigen mir bekannten Supermarktketten komme ich vorbei. Nur bei dem mir bekannten Label für ALDI steht Hofer drauf, ich vermute, im Supermarkt ist trotzdem ALDI drin.

Nach Verlassen von St. Florian befinde ich mich wieder einmal auf einer Straße ohne Radweg. Irgendwie habe ich als Vorurteil die Raserei von Österreichern gespeichert, doch jetzt erlebe ich eine normale Fahrweise und auch die gleichen Verhaltensmuster mir gegenüber als entgegenkommender Fußgänger. Das Intermezzo Straße ist bereits im Ort Badhöring vorbei und ich bin wieder auf einem Fuß- und Radweg neben dem Inn unterwegs. Der Blick zum Fluss wird mir meistens durch einen dichten Baum- und Buschstreifen verwehrt. Nur für kurze Momente erhasche ich den türkisfarbenen Inn.

Noch ist es triste, auf der einen Seite Zaun und dahinter ein Gewerbegebiet und auf der anderen Seite die dichte Baum- und Buschreihe. Das ändert sich glücklicherweise bald. Immer öfter gibt mir der dichte Grünstreifen den Blick frei. Auf meiner linken Seite breiten sich landwirtschaftliche Flächen aus. Die meisten Felder sind abgeerntet und bearbeitet, nur einige Maisfelder warten noch auf die Ernte. Inzwischen überwiegt die Farbe Braun. Bei einigen Feldern sind die Maispflanzenreste gerade untergepflügt worden und andere sind bereits mit der Kreiselegge für die nächste Bepflanzung hergerichtet. Aber es gibt auch noch Felder mit leuchtendem Gelb, hier wächst Senf als Dünger zum Unterpflügen.

Vor dem Ort Suben weist ein Schild auf die ehemalige Stiftskirche im Ort hin. Sie wird als Perle bezeichnet. Ich nehme mir vor, diese Perle von Kirche auch zu besichtigen. Nach einem Anstieg erreiche ich den Ort und dort fällt mein Blick automatisch auf ein Gebäude mit vergitterten Fenstern und einer hohen Mauer mit Stacheldraht. Es ist die Polizeiwache des Ortes. Gleich nach der Wache biege ich in eine kleine Straße zur Kirche ab. Durchschreite einen Rundbogen und bin im Innenhof des Kirchenbereichs. Hier empfängt mich geschäftiges Treiben. Überall wird an den Fassaden der Gebäude gearbeitet. Vorbei geht es an einer Containerbaracke und dann stehe ich auch schon am Kirchenportal. An der Tür hängt ein Schild mit „Wegen Renovierungsarbeiten geschlossen“. Enttäuscht gehe ich zurück und komme wieder am Container vorbei. Erst jetzt sehe ich das Schild „Eingangskontrolle“. Mit der uniformierten Frau im Inneren unterhalte ich mich kurz. Sie hat mich ohne Kontrolle passieren lassen, da ich mit meinem Rucksack ganz offensichtlich nur in die Kirche wollte.

Wieder an der Ortsstraße angelangt, sehe ich eine Bäckerei mit Café. Hier kehre ich ein. Ein alter Mann sitzt in einer Ecke und daneben telefonierend eine Frau. Da keine Bedienung da ist, warte ich geduldig. Nach einiger Zeit beendet die Frau das Telefonat und wendet sich mir zu. Sie ist die Bedienung, vielleicht auch die Chefin. Ich muss mich wohl in Österreich an etwas geruhsamere Verhaltensweisen gewöhnen. Mich stört es nicht. Jetzt aber werde ich mit viel Höflichkeit bedient. Kaffee und Kuchenstück werden mir an den Tisch gebracht. Danach werde ich mit einigem Interesse nach dem Woher und dem Wohin befragt. Für sie ist meine Wanderschaft unvorstellbar. „Immer unterwegs sein, im Zelt schlafen, das ist nichts für mich“, meint sie. Das entspricht genau meinem Eindruck von dieser attraktiven, gut gekleideten und mit einigem Schmuck behangenen Frau. Ja, Unterkünfte ohne Stern, Jugendherbergen oder Zelt sind nicht passend für sie. Wir haben eine nette Unterhaltung und die mischen sich zwei weitere Bedienungen ein.

Mit vielen guten Wünschen verlasse ich schließlich die Bäckerei. Nach Schnelldorf steigt mir zunächst der „Duft“ der Landwirtschaft, die Gülle, in die Nase. Als ich dieses endlich hinter mir habe, kommt mir eine Bank mit Blick auf den Inn wie gerufen. Hier mache ich eine ausgiebige Pause mit einem wohlverdienten Nickerchen. Die inzwischen scheinende Sonne und den blauen Himmel genieße ich mit dem schönen Blick auf den Fluss.

Schon wenig später unterschreite ich dicht neben dem Inn eine Autobahnbrücke, laufe an einem mit Zaun zum Weg abgetrennten großen Rastplatz vorbei. Und habe nun für einige Kilometer die lärmende Autobahn als Wegbegleiter neben mir und dem Fluss. Ich hoffe, dass mich das Stift für diesen Lärm entschädigen kann. Dann endlich entfernen sich Radweg und Autobahn voneinander, doch noch längere Zeit sind die Verkehrsgeräusche deutlich vernehmbar. Schließlich laufe ich wieder an Feldern vorbei und habe jetzt öfters den Blick frei zum Fluss. Ich entferne mich von dem Inn, durchlaufe einen kleinen Weiler und erreiche schließlich den Ort Reichersberg. Als ich mich dem Stift nähere, erkenne ich es sofort wieder. Bereits bei meinem Kuraufenthalt in Bad Füssing war ich mit Noriko hier gewesen.

Am Eingang zum Stift ist der Gasthof mit Biergarten. Von hier erkenne ich sofort in der Ferne das hohe Gebäude der Kurklinik Johannesbad, meine damalige geschlossene Anstalt in Bad Füssing, wieder. Geschlossen deshalb, da man als Nichtprivatpatient spätestens um 23 Uhr im Gebäude sein musste, danach wurde der Eingang verschlossen. Ich mache im Gasthof eine Essenspause und genieße das süffige dunkle Klosterbier.

Anschließend bin ich nach Verlassen von Reichelsberg auf einer kleinen Straße nach Obernberg unterwegs. Schon von Weitem sehe ich auf einem Feldweg einen Unimog mit zwei Anhängern stehen. In einem Anhänger leuchten bereits die hoch aufgetürmten goldgelben Maiskörner. Das Maiserntefahrzeug ist in der Nähe im Einsatz. Als ich mich der Auffahrt zum Feld nähere, steigt ein Mann aus dem Unimog aus und kommt mir winkend entgegen.

Es stellt sich heraus, das er ein Jakobspilger ist und bereits auf dem Camino in Spanien unterwegs war. Er ist sehr interessiert von meiner Wanderschaft zu hören und befragt mich auch über meine Geschwindigkeit, der Dauer und den Distanzen aus. Er ist über siebzig Jahre alt, und soweit es die Zeit zulässt, läuft er mehrmals die Woche 5 -6 Kilometer. Leider hat er keine Mitläufer mehr. Gleichaltrige aus seinem Bekanntenkreis schaffen es nicht mehr, berichtet er mir.

Nach der Begegnung ist es nicht mehr weit bis Obernberg. Doch bis ich schließlich die Brücke über den Inn erreiche, vergeht noch einige Zeit. Sofort danach wechsel ich von der Straße auf einen kleinen Weg nach Egglfingen. Schon an der Abzweigung sehe ich ein Schild zu einem Gasthof mit Fremdenzimmer. Diesen steuere ich im Ort an und bekomme auch ein Zimmer.  

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