32. Etappe: 02. Mai 2013

Münster – Stevern/Nottuln 26,1 km

So richtig Lust, loszulaufen habe ich heute Morgen nicht. Meine beiden Berichte hatte ich erst nach dem Fußballspiel Barcelona – München fertig geschrieben und auch noch meine heutige Etappe überarbeitet. Die Nacht war daher sehr kurz gewesen! Dann aber raffe ich mich auf und starte. Nach wenigen Minuten bin ich in einer parkähnlichen Anlage. Hier gibt es, wie so oft in Münster, einen breiten Radweg und einen schmalen Fußweg. Wieder sind viele Radfahrer zur Arbeit, zur Uni und zu Schule unterwegs.

In der Parkanlage komme ich mit einer Joggerin ins Gespräch. Sie hat mit Radfahrer ebenfalls ein Problem. Schon mehrfach wurde ihr kleiner Hund angefahren. Die Stadt ist schön, aber die vielen Radfahrer(innen) hinterlassen bei mir einen unangenehmen Beigeschmack aufkommen.

Nach der Parkanlage erreiche ich den Vorstadtbereich. Hier komme ich immer wieder an Gebäuden der Uniklinik vorbei. Am Stadtrand liegt rechts von meinem Weg eine englische Kaserne. Auf dem Weg nach Roxel steht vor einer Brücke ein Hinweisschild auf ein „kleines Aa“ :-). Es ist die Münstersche Aa, ein Nebenflüsschen der Ems.

Nach einiger Zeit auf dem Radweg neben einer Landstraße erreiche ich dann Roxel, es ist Stadtteil von Münster. Im Ort sehe ich einen Hinweis auf die bedeutende Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff. Sie stammt gebürtig von hier.

Nach Roxel laufe ich auf Rad- und Wirtschaftswegen abseits der Orte. Ein paar längere gerade Abschnitte habe ich wieder zu bewältigen, aber die erwachende Natur lenkt mich ab. Ich komme wie so oft in letzter Zeit an Pferde- und Ponyhöfen vorbei, teilweise sind das heute Gehöfte mit riesigen Reithallen. Auf dem Weg liegt eine frisch gefällte Eiche. Sie ist gewaltig und reicht mir bis zur Brust.

Um meiner Enkelin Joelle zu ihrem Geburtstag zu gratulieren, mache ich auf einer Bank eine Pause. Mit Skype baue ich eine Videotelefonie auf, ich kann alle gut erkennen, bei Joelle bin ich nur in Kontur und mit rosa Streifen erkennbar.

Wieder einmal zeigt mir mein Navi einen Weg an, den es nicht gibt. Als Alternative muss ich einen erheblichen Umweg über Kreisstraßen machen. In Schapdetten, einem Ort vor Nottuln, versuche ich dann eine Unterkunft zu finden. Es gestaltet sich zunächst schwierig, doch dann habe ich Glück. In Nottuln finde ich einen Landgasthof. Glücklicherweise schaue ich mir die Route mit meinem Smartphonenavi an. Der Gasthof befindet sich jedoch nicht in Nottuln, sondern in einem kleinen Ort Stevern. Dieser Ortsteil von Nottuln liegt oberhalb des Ortes. Ich habe Glück im Unglück, der Weg dorthin führt mich wieder auf meine alte Route und ist kürzer als bis nach Nottuln. Gegen 19 Uhr erreiche ich dann den Gasthof.

31. Etappe: 01. Mai 2013

Telgte – Münster/Westfalen  15,1 km

Ohne Frühstück verlasse ich die Pension und gehe zurück in den Ort. Ein herrlich blauer Himmel mit Sonnenschein empfängt mich. Es ist nicht mehr so kühl wie gestern und doch muss ich meine Jacke anbehalten. Kaum erreiche ich wieder den Ort, sehe ich auch schon eine Bäckerei und kann dort auch abseits im Café einen Kaffee und zwei Kuchenstücken essen.

Ich befinde mich nicht lange im Ort und auch nicht an der B51. Der Fahrrad- und Fußweg führt schnell weg von der Bundesstraße. Am Ortsrand komme ich an der St. Rochus Klinik vorbei. Hier begegnen mir im näheren Umkreis nur Schwestern. Eine von ihnen spricht mich an und möchte von mir das Woher und das Wohin wissen.

Schon kurz danach bin ich wieder in der Natur und es ist so himmlisch ruhig. Nur Vogelgezwitscher um mich rum. Doch dann ist es aus mit der Ruhe. Immer mehr Fahrradgruppen begegnen mir. Es ist Feiertag und das schöne Wetter lässt grüßen.

Mein Weg führt mich an Feldern und Wäldern vorbei, wären nicht die vielen Radfahrer könnte die heutige kurze Etappe wunderbar sein. Bei einem Spargelfeld sehe ich zum ersten Mal, dass geerntet wird. Am Ende des Spargelfeldes fliegt plötzlich erschrocken etwa zwei Meter vor mir ein Fasan hoch. Ich bin genau so erschrocken und kann leider nicht schnell genug fotografieren.

Je näher ich auf Münster zulaufe, um so mehr Radfahrer begegnen mir. Die Gruppen werden immer größer und kommen in kürzeren Abständen an mir vorbei. Mit einem Mal ist es so schlimm, dass ich komplett umgeben bin. Aus beiden Richtungen wälzen sich die Radfahrerkolonnen auf mich zu. Immer wieder schrecken vor mir die sich unterhaltenden Fahrer(innen) auf, als sie mich unmittelbar vor sich sehen. Beim Laufen auf einer Straße ohne Randstreifen und auch wenn mir Lkws entgegen kamen, hatte ich keine Angst und keine Panik kam in mir hoch. Doch jetzt bin ich in Panik, die Beinahzusammenstöße häufen sich. Diese Situation macht mich aggressiv und ich hebe meine Nordic-Walking-Stöcke mit den Spitzen nach vorne hoch. Wenn man mich schon anfährt, dann soll es wenigstens wehtun!

Glücklicherweise ebbt es immer wieder mal etwas ab, doch ich bin inzwischen völlig angespannt. Gehe ich rechts auf dem Weg, halte ich meine Stöcke mit den hochgestellten Spitzen nach hinten in der linken Hand. Gehe ich links, sind die Spitzen in der rechten Hand und nach vorne gerichtet. Es macht keinen Spaß mehr zu laufen. Ich komme mir in diesen Massen vor wie ein Exot.

Kurz vor Münster erreiche einen Biergarten und hole mir eine Bratwurst. Dann ist der Stadtrand von Münster erreicht. Bei einem Ponyhof kehre ich auch noch ein und hole mir etwas gegen den Durst.

Auch in Münster sind viele Radfahrer unterwegs, doch die erlebten Massen sind es nun nicht mehr. Dafür kommen mir immer wieder Gruppen von Jugendlichen mit Bollerwagen entgegen. Ich überquere den Dortmunder Emskanal und nähere mich der Innenstadt. Dann habe ich die Altstadt und mein vorgebuchtes Hotel erreicht. Das Zimmer und das Bad sind geräumig.

Nach dem Duschen und einer Pause begebe ich mich in die Altstadt. Schnell erreiche ich einen Straßenring. Die Straßennamen wechseln hier von Prinzipalmarkt, Roggenmarkt und Bogenstraße. Prachtvolle Gebäude beiderseits dieses Straßenrings. Doch das historische Rathaus sticht noch deutlich hervor. Ich streife durch die Straßen und besuche den Dom. In einer schmalen Gasse kehre ich dann in einem italienischen Restaurant ein. Danach muss ich zurück, denn die Berichte von gestern und heute warten auf Fertigstellung.

30. Etappe: 30. April 2013

Beelen – Telgte  32 km

Meine heutige Etappe beginnt mit bewölktem Himmel, nur vereinzelt kommt die Sonne durch. Schon nach wenigen Minuten erreiche ich die B64 mit separatem Radweg. Spontan entscheide ich mich um Kilometer einzusparen, weiter an der Bundesstraße zu laufen. Ich weiß, dass heute eine lange Etappe ansteht. Doch schon nach ein paar Hundert Meter hört der Radweg auf. Die Straße ist aber viel zu stark befahren, als das ich hier auf der Fahrbahn laufen könnte. Glücklicherweise gibt es eine kleine Straße, die rechts abbiegt und nach meinem Navi bald wieder auf meiner Route mündet.

Ich komme schon seit ein paar Tagen immer wieder an Holz- oder Betonkreuzen vorbei. Nicht nur, dass sie an Weggabelungen stehen, oft sehe ich sie auch bei Einfahrten zu Bauernhöfen. Man merkt die Nähe zum katholischen Münster.

Ich erreiche meine geplante Route wieder und der Weg verläuft im leichten Zickzack mit etwa 400 Meter Abstand zur B64. Mehrfach gehe ich an Plakaten und Spruchbändern vorbei. Hier ist eine Neubaustrecke der B64 geplant. Ich kann gut verstehen, dass man diese Straße hier nicht will. Viel Natur wird damit vernichtet.

Bei einem Bauernhof scheuche ich eine Wachtel auf, die ins Feld flüchtet. Kaum später beobachte ich einen Fasan und kann ihn auch fotografieren. So viele Fasane, wie ich in den letzten Tagen beobachten konnte, habe ich noch nie gesehen. Zu allem Überfluss schrecke ich auch noch einen Hasen auf. Der hoppelt im Zickzack über das Feld und hört erst auf, als ich ihn nur noch undeutlich erkennen kann.

Bei einer Schlepperwerkstatt mit Ausstellung von alten Motoren sehe ich ein Ausschankschild. Ich betrete den Hof und frage den anwesenden Mann nach einem Kaffee. Es ist heute geschlossen, ein Kaltgetränk kann ich jedoch haben. Bei einer Apfelschorle kommen wir ins Gespräch. Er ist mal mit einem Traktor 3000 Kilometer gefahren, wandern, das hat er noch nicht sehr lange.

Gegen 13 Uhr erreiche ich das Industrie- und Gewerbegebiet von Warendorf. Auf einem an der Straße abgestellten Anhänger mache ich eine Pause. Danach geht es noch lange im Industriegebiet weiter. Dann folgt der Vorstadtbereich mit seinen adretten Häusern und Vorgärten. Kaum ein Haus hat hier Putz. Ich sehe fast nur Verklinkerung, meistens in rotbraunem Ton.

Natürlich gibt es heute wieder schnurgerade Teilabschnitte, doch werden sie häufig durch Bögen und Abknickungen unterbrochen. Weiterhin sehe ich viel Pferde auf den Weiden und zum ersten Mal auch ein paar Rinder.

Fast genau um 17 Uhr komme ich an einer kleinen Siedlung vorbei und eine alte Frau spricht mich an. Sie will wissen, wohin ich noch laufe. Als ich Telgte sage, erwidert sie: „Oh, dann haben sie ja noch 18 Kilometer vor sich.“ Ich schrecke auf und erwidere: „ Nach meinem Navigationsgerät müssten es nur ca. 8 Kilometer sein.“ Sie bleibt bei ihrer Aussage und ich werde leicht nervös. Acht Kilometer sind überschaubar, aber achtzehn Kilometer um 17 Uhr sind ziemlich heftig. Mein Schritt wird automatisch schneller und ich beginne, die nachmittags gemachte Buchung als Fehler zu betrachten. Dann nähere ich mich einer Schutzhütte und finde dort Richtungspfeile mit Kilometerangaben. Bis Telgte sind es noch 9,1 Kilometer. Meine Erleichterung ist groß. Zur Sicherheit rufe ich bei der Zimmerwirtin an und warne sie schon mal vor, dass es noch etwa 2 ½ Stunden werden kann.

Mein weiterer Weg führt mich zunächst wieder durch Felder. Ich komme nun sehr dicht an mehreren Windkrafträdern vorbei. Sie drehen sich, doch hören tue ich nichts davon. Sofort fällt mir ein Windkraftrad im Schwarzwald bei meiner Pilgerreise ein. Dieses sah ich zunächst wegen des dichten Nebels nicht. Je näher ich kam, um so lauter hörte ich ein undefinierbares Geräusch. Erst unmittelbar davor, wusste ich, was es war.

Die letzten fünf Kilometer laufe ich wieder auf einem Radweg neben der Straße. Meine Füße brauchen eine Pause, ich setze auf dem Boden und lehne mich an einem Baum. Neugierige Blicke der Autofahrer beobachten mich. Die Pause ist kurz, ich muss weiter, es ist bereits nach 19 Uhr.

Endlich erreiche ich den Ort und schaue mir den Weg auf meinem Smartphon-Navi an. Erschreckt stelle ich fest, meine Unterkunft liegt außerhalb des Ortskerns. Ich rufe wieder an und hoffe es kommt der Satz: „Warten sie dort, ich hole sie ab.“ Leider Fehlanzeige, ich bekomme eine genaue Beschreibung des weiteren Weges.

Also weiter, ab der Kirche im Ortskern geht es neben der nun schon größeren Ems entlang. Dann endlich erreiche ich kurz nach 20 Uhr meine Pension. Ich habe kein Zimmer, sondern eine komplette Ferienwohnung.