48. Etappe: 22. Mai 2013

Norddeich – Westeraccumersiel 30 km

Noch vor Frühstücksbeginn schreibe ich meinen Bericht vom Vortag und korrigiere auch noch meine heutige Route. Dann gehe ich zum Frühstück. Eine reichhaltige Auswahl empfängt mich und ich genieße reichlich diese Auswahl, da ich vermutlich erst wieder bei Inge und Manfred, meinem Schulfreund, etwas zu essen bekomme.

Draußen empfängt mich ein kalter und starker Wind. Ich laufe zunächst wieder in Richtung des Ortes Norden und biege dann in Richtung Küste ab. Bei einem Kreisel geht es auf eine Kreisstraße nach Bensersiel. Einen Radweg gibt es hier nicht. Die Straße ist stark befahren und die meisten Autofahrer verhalten sich mir gegenüber gut und weichen mit genügend Platz zu mir aus. Leider gibt es auch ein paar Id…, die dicht an mir vorbeifahren. Mir wird es mulmig und ich schaue auf mein Navi und suche nach der ersten Abbiegmöglichkeit zum Deich. Der starke Wind schiebt mich immer wieder hin und her.

Nach ca. 1 ½ Kilometer gibt es endlich eine Abzweigung zum Deich. Ich bin froh, endlich von der Straße wegzukommen. Jetzt jedoch bläst mir noch stärker der kalte Wind entgegen. Ich kämpfe gegen diesen Wind und trotz meiner guten Kleidung kühle ich immer mehr aus. Mit meinem großen Rucksack biete ich eine große Angrifffläche für den Wind und Windböen schieben oder drücken mich hin und her. In der Ferne sehe ich mehrere Windkrafträder und die Flügel drehen sich sehr schnell. Ich hoffe, wenn ich den Deich erreiche, dass er mich vor dem Wind schützt. Ich komme dem Deich näher und statt weniger Wind, schütteln mich nun Windböen stark durch.

Am Deich angekommen, geht genau hier eine Treppe hoch auf den Deich. Neugierig endlich die Nordsee einmal zu sehen, gehe ich hoch. Oben angekommen ist der Wind unglaublich stark und ich muss mich am Geländer festhalten. Ich habe Schwierigkeit die Kamera ruhig zu halten, um ein Foto zu schießen. Schnell gehe ich wieder runter und laufe im Windschatten hiner dem Deich. Neben mir im Feld biegen sich die Bäume und Sträucher sehr stark vom Wind.

Mir ist es nur noch kalt und ich sehne mich nach einem Platz zum Aufwärmen. Wie gerufen taucht eine Mutter-Kind-Kurklinik vor mir auf. Doch als ich dort ankomme, sehe ich kein Café und entschließe mich trotzdem in das Gebäude zu gehen. Als ich in den Eingangsbereich komme, sind die Augen von zwei Müttern und mehrerer Kinder auf mich gerichtet. Ich erkläre, dass ich mich nur etwas aufwärmen möchte. Eine Mutter fragt mich, ob ich einen Kaffee haben möchte und ich nicke erfreut.

Nach dieser angenehmen Aufwärmphase laufe ich weiter. Lange Zeit bin ich im Windschatten, nur eine Bank fehlt mir. In einem großen Deichbogen bläst mir der Wind wieder ins Gesicht. Ein Radfahrer fährt an mir vorbei und bald sehe ich ihn in der Ferne als Punkt verschwinden. Die Erkenntnis, dass es noch sehr lange ist, bis ich den Bogen hinter mir lasse, ist frustrierend. Vor allem möchte ich endlich wieder im Warmen sitzen. Keine Bank weit und breit, aber in der Ferne sehe ich einen Bauwagen und bin fest entschlossen, wenn dort jemand ist, nachzufragen, ob ich im Wagen eine Pause machen kann. Endlich erreiche ich den Wagen und komme zur offenen Tür. Fünf Augenpaare sind fragend auf mich gerichtet. Ich bitte um Einlass und sofort wird für den seltsamen Wandervogel Platz gemacht. Schnell bricht das Eis und ich bin in einem munteren Gespräch mit den Leuten verwickelt. Diese arbeiten vor dem Deich bei den Wellenbrechern. Bei diesem Wind keine angenehme Arbeit.

Die muntere Gesprächsrunde muss ich leider nach einiger Zeit verlassen es geht weiter. Endlich verlasse ich den Bogen und damit auch wieder den starken Wind. Nach weiteren Kilometern sehe ich auf dem Deich endlich eine Bank und mache eine überfällige Pause im mir entgegen blasenden Wind. Dann geht es weiter und nach einiger Zeit sehe ich ein Schild mit Hinweis auf einen Kiosk in etwa 300 Meter Entfernung hinter dem zweiten Deich zu meiner Rechten. Da ich endlich etwas Warmes trinken möchte, biege ich auf den kleinen Verbindungsweg ab. Wieder bläst jetzt der Wind sehr heftig. Angekommen hinter dem zweiten Deich lese ich auf einem zweiten Schild 1300 Meter bis zum Kiosk, ich bin verärgert, fühle mich vera… und kehre zum Deichweg zurück.

Es ist halb vier und über mir ziehen sich die Wolken zu dicken dunklen Regenwolken zusammen. Vorher schaute noch ab und zu die Sonne zwischen den Wolken hindurch, nur jetzt könnte es heftig werden. Doch die dicken dunklen Wolken werden vom Wind schnell ins Landesinnere geblasen.

Kurz vor 18 Uhr erreiche ich Inge und Manfred. Endlich ist die heutige Etappe beendet, die 30 Kilometer waren gefühlte 40 Kilometer. Ein erstes Bier steht bereit und die freundliche Aufnahme der beiden lässt mich die Anstrengungen schnell vergessen. Beide haben schon einiges zum Abendessen vorbereitet und bei einem Rotwein genieße ich das Abendessen und die Bemutterung.


Windgeräusche auf dem Deich:

47. Etappe: 21. Mai 2013

Pewsum – Norddeich  28,9 km

Nicht lange nach Verlassen der Pension bin ich schon wieder umgeben von der Natur mit Wiesen und Weiden. Nur diesmal kommen viele Windkrafträder im fast 180-Grad-Blickwinkel hinzu. Die Rapsfelder als schmaler gelber Streifen am Fuße der Krafträder bilden einen interessanten Kontrast. Es bläst ein leichter kalter Wind und der Horizont ist nur schemenhaft erkennbar. Ich komme einem Windkraftrad sehr nahe und höre erstaunlicherweise nur ein leichtes Windgeräusch der drehenden Flügel.

Da ich heute unbedingt bis Norddeich laufen möchte, rufe ich bereits jetzt die Touristeninformation von Norden-Norddeich an. Am Telefon meldet sich ein junger Mann. Ich schildere ihm, dass ich unterwegs als Wanderer mit schwerem Rucksack bin und für heute Abend eine günstige Unterkunft suche. Er antwortet mir, es gebe keine freien Zimmer, ich solle vorbeikommen, vielleicht kommt ja noch etwas rein. Daraufhin erkläre ich ihm, dass ich dazu erst noch ca. 28 Kilometer laufen muss und ungerne ankomme, um dann ohne Zimmer dazustehen. Er hört nicht zu und wiederholt, ich solle vorbeikommen. Nochmals versuche ich ihm zu erklären, dass das nicht geht und ob es denn in Norden freie Zimmer gebe, wieder die gebetsmühlenartige Antwort. Nicht mal ein Hinweis, wo ich eventuell nachfragen könnte. Es ist hoffnungslos mit diesem Mann und ich bedanke mich für die große Unterstützung. Bisher hatte ich bei den vielen Touristeninformationen auf meiner Wanderschaft immer Personen am Telefon, die bemüht waren mir zu helfen. Diesmal jedoch habe ich das Gefühl, ich störe seine Kreise. Wenn ich eine Schulnote vergeben müsste, eine glatte Sechs! Ziemlich angefressen suche ich nun in der Kälte weiter nach einer Unterkunft und ich werde nach einigen Absagen fündig. Es ist ein Hotel, nicht so günstig wie eine Pension, aber mit der Beruhigung ein Zimmer gefunden zu haben.

Auf einem Feld etwa hundert Meter von mir entfernt sprüht ein Bauer seine Jauch aus. Der penetrante süßliche Geruch begleitet mich nun bis zum nächsten Dorf. Trotz des Gestank geht mir das Gespräch mit der Touristeninfo nicht aus dem Sinn. Es dauert noch eine Weile bis ich dieses Gespräch verdaut habe. Meine Gelassenheit habe ich auf der Wanderschaft leider noch nicht gefunden. Nach etwa zehn Kilometer erreiche ich Greetsiel und kehre für meine Mittagspause in einem SB-Restaurant ein.

Kaum bin ich wieder auf dem Weg, beginnt ein leichter Nieselregen. Vielleicht nach einem Kilometer endet der Radweg an der Straße. Es gibt jedoch einen Abzweig zum Deich und ich sehe eine Brücke. Ich folge diesem Wirtschaftsweg und nach der Brücke über einen breiten Entwässerungsgraben verläuft dieser Weg parallel zur Straße. Der Regen wird stärker und ich ziehe meinen Poncho an. Begleitet wird der Regen durch einen kalten Wind. Rechts und links vom Weg Zäune und dahinter Schafe. Dann ein schmaler Pfad mit Treppe hoch auf den Deich. Neugierig steige ich hoch und die Enttäuschung ist groß, von der Nordsee ist durch den Dunstschleier nicht zu sehen.

Von einem Radfahrer erfahre ich, dass ich auf dem Weg nach sechs Kilometer über ein Sperrwerk wieder die Straße erreiche. Diese Kilometer werden sehr lang und auf dem Weg gibt es keine Sitzmöglichkeit. Erst in Sichtweite zum Sperrwerk kommen wieder zwei Bänke auf dem Deich. Natürlich mache ich auch bei dieser Dauerberieselung eine Pause. Vorbeifahrende Radler schauen irritiert zu mir hoch, wie kann da jemand bei Regen gemütlich auf der Bank sitzen.

Ich erreiche schon bald das Sperrwerk und dort gibt es ein Kiosk mit Vorzelt. Zum Aufwärmen verbringe ich mit einem heißen Kaffee dort eine weitere Pause. Beim abschließenden 12-Kilometer-Weg hört es erst kurz vor dem Hotel auf zu regnen.

Leider gibt es kein Restaurant im Hotel. Allerdings erhalte ich den Tipp, dass es etwa zehn Minuten von hier eine Pizzeria gibt. Das ist mir zu weit und ich verzichte auf das Abendessen. Das anschließend heiße Bad lässt den miesen kalten und regnerischen Tag vergessen.