44. Etappe: 18. Mai 2013

Papenburg – Leer  28,9 km

Die Mensa des Jugendgästehauses hat bereits um 7 Uhr geöffnet und so gehe ich auch schon wenig später zum Frühstück. Ich betrete die Mensa und hier sitzen verteilt an vielen Tischen nur Chinesen. Die meisten mit grauer Arbeitskleidung, dazu einige mit normaler Kleidung und zwei Chinesen mit dunkelblauer Jacke. Fast alle haben Rührei und Reis, dies sind die einzigen angeboten warmen Speisen. Ich hole mir ebenfalls Rührei und Reis und werde von einigen interessiert beobachtet.

Von einer Küchenhilfe erfahre ich später, dass die Chinesen bei den Windkraftanlagen arbeiten. Etwas außergewöhnlich spießt sich ein Chinese das Brötchen mit der Kabel auf und knabbert daran. Einige telefonieren offensichtlich mit zu Hause, andere hören interessiert dabei zu.

Durch die große Glasfront sehe ich draußen einen bewölkten Himmel und es regnet leicht. Meine Stimmung ist schon jetzt im Keller. Wieder in meinem Zimmer packe ich widerwillig meinen Rucksack und kurz darauf geht es bei leichtem Regen los. Doch im Zentrum angekommen, nimmt der Regen deutlich zu. Bei einer Überdachung ziehe ich meinen Poncho an. Mein Weg in der Innenstadt von Leer führt an einem kleinen Kanal mit vielen Brücken entlang. Zwischendrin liegen Schiffe, die wohl mit einem Kran eingebracht wurden.

Nach Verlassen der Stadt laufe ich an der Straße entlang und komme dann über einen abbiegenden Fuß- und Radweg im Zickzack an der Meyerwerft vorbei. Leider sehe ich nur eine riesige Halle. Von Luxusliner keine Spur, wenn vorhanden, dann wahrscheinlich in der Halle. Kurz danach komme ich an einem Restaurant mit Aussichtsturm vorbei, dieses ist aber noch geschlossen.

Dann erreiche ich wieder die Ems, ein Deich versperrt mir jedoch die Sicht zum Fluss. Nur ein paar wetterfeste Radler begegnen mir, ansonsten bin ich alleine unterwegs. Es regnet unaufhörlich weiter. Das einzig Positive bei diesem Regen ist, ich kann mit einem Poncho auch problemlos auf den nassen Bänken meine Pausen machen.

Bisher waren Enten, Gänse und Dohlen meine wiederkehrenden Wegbegleiter. Jetzt kommen die Möwen mit ihrem Geschrei hinzu. Der Deich ist in Abschnitte unterteilt und auch zum Radweg durch einen Zaun getrennt. In einigen Abschnitten grasen Schafe und veranstalten ein heftiges Geblöke. Viele Lämmer sind dazwischen, teilweise neugierig kommen sie zum Zaun. Komme ich ihnen jedoch näher, springen sie erschrocken zurück. Dann kommt mir der Schäfer entgegen. Wir sind schnell im Gespräch und er erzählt, dass er vom Frühjahr bis zum Herbst vier Schafherden hier betreut. Da die Schafherden aus den abgezäunten Bereichen nicht raus können, muss er nicht ständig dabei sein. Einen Wanderer hat er bisher noch nicht gesehen, lediglich ein paar Tippelbrüder.

Nach einiger Zeit auf der Deichstraße entdecke ich eine Durchlassmöglichkeit zum Deich. Ein Drehkreuz ermöglicht mir den Weg über eine Treppe hoch auf den Deich. Ich nutze die Gelegenheit, um endlich einmal hinter den Deich zu schauen. Oben angekommen mache ich auf einer Bank eine kurze Rast. Von hier aus erkenne ich einen schmalen Weg direkt an der Ems entlang. Ich gehe wieder zurück und ein Mann kommt von einem Wohnhaus zur daneben liegenden Pumpstation. Ich frage ihn, warum hier es einen Deich gibt, denn noch vor Papenburg war das nicht so.

Die Ems ist ab Nähe Papenburg nach einer Schleuse den Gezeiten der Nordsee ausgesetzt und der Deich dient zum Schutz. Es gab 1961 das letzte Mal eine Überflutung und danach wurde der etwa 6 Meter hohe Deich gebaut. Inzwischen gibt es in Emden ein Sperrwerk, das bei Hochwassergefahr geschlossen wird. Daher hat es bis heute keine Überflutung mehr gegeben. Bei den Pumpstationen wird Sand oder Schlick abgepumpt. Der Schlick kommt auf Felder und nach drei Jahren kann auf dem  nahrhaften Boden wieder angebaut werden. Er empfiehlt mir noch auf der Innenseite des Deiches weiter zu laufen.

Ich nehme seinen Rat an und laufe zunächst auf dem Deich und auch auf dem schmalen Pfad an der Ems weiter. Doch dieses Laufen bedeutet, ständig den Hinterlassenschaften der Schafe auszuweichen. Das ist wie ein Eiertanz und ich gebe bei der nächsten Durchgangsmöglichkeit auf und laufe lieber wieder auf der Asphaltpiste weiter.

Immer weniger Menschen begegnen mir. Langsam wird die Lauferei mühsam. Es ist 17:15 Uhr und noch habe ich 7 Kilometer vor mir. Inzwischen geht es an Industrieanlagen vorbei und ich muss daher mehrere größere Schlenker in Kauf nehmen. Auch nach dem ich Leer erreicht habe, zieht sich die Strecke. Meine heutige Unterkunft liegt am anderen Ende von Leer. Als ich das Ziel erreiche, ist meine Zimmervermieterin bereits dort. Wir kommen noch einige Zeit ins Gespräch und dann bin ich alleine im Haus. Weitere Personen sollen noch später kommen.

43. Etappe: 17. Mai 2013

Heede – Papenburg  18,3 km

Als ich die Pension verlasse, ist der Himmel total bewölkt, von der Sonne keine Spur. Durch den gestrigen Regen ist es ziemlich kühl geworden und ich trage wieder zusätzlich meine Softshelljacke.

Den Ort habe ich schnell durchquert und biege dann in einen kleinen Pfad zur Ems ab. Doch schon bald stehe ich vor einem verschlossenen Tor mit einem Verbotsschild: Privat. Durchgang verboten. Also wieder zurück und weiter mit einem deutlichen Schlenker über den Ort und einer Kreisstraße in Richtung der Ems. Nach einer Weile erreiche ich erneut eine Abzweigung zur Ems. Eine vorbei fahrende Radlerin frage ich vorsichtshalber, ob ich hier die Ems erreichen kann, und erhalte eine positive Antwort.

An der Ems tauche ich wieder ein in die reizvolle Auenlandschaft. Der Horizont ist heute mit einem leichten Schleier bedeckt. Weder Hundebesitzer noch Radler begegnen mir. Nur ein Kuckuck macht mit seinem Ruf ziemlich viel Lärm. Ein holländischer Binnenfrachter überholt mich und ist für längere Zeit das einzige Schiff auf der Ems.

Bei einem kleinen Wehr mache ich meine erste Pause. Kaum habe ich meinen Rucksack abgesetzt, als zwei Frauen angeradelt kommen. Als sie mich erreichen, stutze ich, die erste Frau ist mir bekannt. Nur weiß ich nicht woher. Die Radlerin ist ebenfalls überrascht, nur weiß Sie sofort, wer ich bin. Es ist meine Zimmervermieterin des Privatzimmers in Emsbüren. Die Freude ist groß, sich plötzlich wieder zu sehen. Wir machen ein paar Fotos und dann geht es weiter.

Bei einer Landzunge im Fluss sehe ich eine kleine Herde Galloways und in ihrer Nähe einen Mann der Packtaschen in ein Schlauchboot lädt. Ein Hund ist auch bei ihm. Ich habe den Eindruck, als ob er sich für eine lange Bootsfahrt rüstet.

Nach etwa einen Kilometer mache ich bei einem Rastplatz in der Nähe einer Flussgabelung wieder eine Pause. Der Mann mit dem Schlauchboot kommt langsam die Ems herunter. Als er mich sieht, nähert er sich dem Ufer und wir kommen ins Gespräch. Er ist ein Sportangler, der für zwei Tage mit seinem Zelt bei der Landzunge übernachtet hat. Er hat dort nach Karpfen geangelt. Der Fang wird gewogen und dann wieder freigelassen. Einen 32 Pfünder war seine größte Ausbeute. Letzten Abend und auch in der Nacht hat es sehr hefig geregnet, berichtet er mir.

Nicht weit von der Gabelung entfernt überquere ich die Ems und komme schon bald an einer Schleuse vorbei. Nun verlasse ich die Ems und erreiche Aschendorf, eigentlich mein gestriges Ziel. Das Jugendgästehaus in Papenburg erreiche ich nach weiteren fünf Kilometern.

42. Etappe: 16. Mai 2013

Lathen – Heede  20,8 km

Meine heutige Etappe beginnt bei bewölktem Himmel. In der Nacht hat es wohl geregnet, nun ist es trocken und ein leichter kühler Wind bläst mir entgegen.

Ich laufe an der Kirche vorbei und durch den Ortskern. Von der Ems oder dem Kanal ist nichts zu sehen. Die verklinkerten Häuser mit ihren Vorgärten wirken so adrett. Die Klinkerfarben sind zwar meistens in einem rotbraunen Ton gehalten und doch gibt es viele Farbnuancen. Auch die Grundrisse der Häuser sind zum Teil verspielt und winkelig, nicht einfach nur ein Klotz. Ich betrachte gerne diese Häuser und lasse mich ablenken.

Am Ortsrand im Gewerbegebiet sehe ich dann die Ems in etwa 20 Meter Entfernung links neben mir wieder. Zunächst führt mich meine Route auf dem Radweg neben der Straße und in Sichtweite vom Kanal entlang. Erst bei einer Bücke verlasse ich die Straße und folge nun dem Emskanal auf einem Wirtschaftsweg. Mich trennt nun nur noch eine Hecke vom Ufer des Kanals, leider wird sie zunehmend höher und versperrt mir schließlich die Sicht.

Zur Emsseite hin stehen mächtige Kastanienbäume und auf der anderen Seite Eichen. Die Hecke endet endlich bei einer Brücke und danach laufe ich nun auf einem unbefestigten Weg an dem Kanal entlang. Nur ein einfacher Zaun trennt mich noch vom Ufer. Der Kanal und Ems sind auf diesem Abschnitt identisch. Der Fluss schlängelt sich nun deutlich und die Landschaft wird immer schöner. Irgendwie wirken diese Flussauen beruhigend mit der langsam fließenden Ems. Alles ist so beschaulich, ab und zu begegne ich Radfahrer, ansonsten bin ich alleine unterwegs.

Einen Kirchturm in Sichtweite holt mich ein Radfahrer ein und fragt interessiert nach meiner Wanderung. Mit ihm kommen noch drei weitere Personen und wir machen gemeinsam eine Pause. Nach einem längeren Gespräch starten wir wieder.

Bei der Kirche muss ich über eine Brücke zur anderen Seite wechseln und zunächst geht es etwas vom Ufer weg. Danach jedoch biege ich bei einem Campingplatz und einer Ferienhaussiedlung wieder an das Ufer der Ems. Dies jedoch nur kurz, denn nun versperrt mir ein Motorboothafen den Durchgang. Am Hafen kehre ich in ein Café ein.

Nach der Umrundung des Hafens bin ich wieder an der Ems. Lange laufe ich ohne jemanden zu treffen und mache öfters eine Pause auf einer Bank. Ich genieße die herrliche Landschaft und komme daher nur langsam voran. An einer Einmündung vom Küstenkanal in den Emskanal mache ich eine Pause und beobachte mehrere Lastkähne bei ihrem Wechsel vom Küstenkanal in den Emskanal Richtung Emden.

Mit einem gerade abbiegenden Kahn beginne ich einen kleinen Wettkampf. Natürlich habe ich keine Chance, doch zunächst muss er erst einmal wieder Fahrt aufnehmen und das dauert. Er braucht einige Zeit mich zu überholen und noch länger dauert es, bis er beim nächsten Bogen verschwunden ist.

Ich entschließe mich in Heede, einem kleinen Ort, zu übernachten. Auf einem Aushang am Ufer stand eine Adresse von einer Radler-Scheune. Noch gerade rechtzeitig entdecke ich einen kleinen Feldweg zur Straße und das war mein Glück. Danach hätte ich nicht mehr abbiegen können.

Weiter geht es an der Straße entlang und im Zickzack durch den Ort. Dann stehe ich vor der sogenannten Scheune. Ich bekomme mein Zimmer und die Scheune entpuppt sich als schöne Unterkunft mit einem fairen Preis. Kaum bin ich angekommen, fängt es auch schon an zu regnen und in der nächsten Stunde bleibt es so. Meine spontane Bauchentscheidung in Heede zu übernachten war goldrichtig.

41. Etappe: 15. Mai 2013

Meppen – Lathen  30,8 km

Vermutlich holt mich gegen 5 Uhr der Lichteinfall durch die große Glastürfront aus dem Schlaf. Einen tiefen Schlaf hatte ich im Heu nicht und trotzdem werde ich es, wenn möglich, wiederholen. Etwas unterkühlt war ich gestern Abend mit Unterkleidung und Strümpfen in meinen Seideninlett und dann in den Schlafsack gekrochen. Diesen dann auch noch komplett geschlossen. Ich hatte von meinem ersten Schlafsackeinsatz im Zelt gelernt und diesmal war es kuschelig warm. Doch auf der Wohlfühlskala reicht es trotzdem nur für den unteren Bereich, ein Mumienschlafsack ist nun mal ziemlich eng.

Das Frühstück entspricht ganz meinen Erwartungen an ein Bauernfrühstück mit reichlicher Auswahl. Dazu zwei gekochte Eier von glücklichen freilaufenden Hühnern. Bauer und Bäuerin leisteten mir Gesellschaft und schnell kamen wir ins Gespräch. Beide schon im fortgeschrittenen Alter, betreiben den Ferienhof mit Pferden noch alleine. Die Söhne kümmern sich um die Landwirtschaft.

Der heutige Tag beginnt vielversprechend mit blauem Himmel, ein paar Wolken und viel Sonne. Nach zwanzig Minuten durch den Randbezirk von Meppen bin ich wieder am Emskanal. Schon wenige Minuten später unterhalte ich mich mit einer Hundebesitzerin und wir laufen ein Stück gemeinsam am Kanal entlang. Mit ihr biege ich vom Kanal weg in den Wald und dann trennen sich wieder unsere Wege.

Nach einiger Zeit erreiche ich wieder die Ems oder den Emskanal, so genau weiß ich das nicht. Auf einer Bank mache ich eine Pause und ein Hundebesitzer mit zwei kleinen Hunden kommt mir entgegen. Er fragt mich nach dem Wohin und dem Woher und so kommen wir ins Gespräch. Von ihm erfahre ich dann, dass ich an einem alten Emsarm sitze. Nach einer längeren Unterhaltung begebe ich mich wieder auf den Weg. Doch schon bald bin ich unsicher, ob ich dem Kanal weiter folgen soll, denn mein Navi zeigt mir ein Abbiegen und Verlassen der Ems. Einen herankommenden Nordic Walker befrage ich nach dem Weg und so gehe ich mit ihm in Richtung meiner Navianzeige. Dabei kommen wir über das Nordic Walking ins Gespräch und es folgt ein kurzer Crashkurs durch mich während unseres gemeinsamen Weges.

Meine Route führt mich einige Zeit weg von der Ems. Dann erreiche ich eine Brücke, die über die Ems führt. Noch davor befindet sich ein schöner Rastplatz. Ich mache Pause und genieße um mich rum das Gezwitscher der Vögel und das Plätschern eines kleinen Bachs, der ein Stück weiter in die Ems mündet. Nach dem Überqueren der Ems befinde ich mich im Paradies, dem Borkener Paradies, einem Naturschutzgebiet. Ich wandere mittendurch und sehe nichts mehr von der Ems.

Aber auch das geht vorbei und ich erreiche wieder den Dortmund-Ems-Kanal. Zunächst auf der linken Seite, später dann auf der rechten Seite führt mein Weg mich am Kanal entlang. Langsam verspüre ich Hunger und das Bedürfnis nach einer Pause. Nicht weit nach einer Schleuse entdecke ich ein kleines geöffnetes Café und kehre dort ein.

Weiter geht es am Kanal entlang. Schon von Weitem erkenne ich Industrieanlagen und mir wird klar, es kommt ein Hindernis. Als ich näherkomme, entpuppen sich die Industrieanlagen als Umschlagplatz und Hafen. Ein nicht zu überbrückender Abzeig des Kanals zum Eurohafen Emsland versperrt mir den Weg. Ich muss am Zaun entlang in Richtung des Hafens laufen und zu allem Übel auch wieder zurück in Richtung Schleuse. Der Weg führt weiter zu einer Straße und ich überquere diese. Nach meinem Navi entferne mich immer mehr vom Kanal.

Es ist bereits 17 Uhr und ich erreiche Emmeln, ein Ortsteil von der Stadt Haren. Es wird Zeit eine Bleibe für heute Nacht zu finden. Viel Auswahl habe ich nicht und finde auch ein Hotel, das zwar außerhalb von Lathen liegt, aber dafür genau auf meiner geplanten Route. Diese hatte ich vor längerer Zeit bereits verlassen. Der Radweg hatte einen Schlenker weg vom Kanal gemacht und ich bin geblieben. Um 17:30 Uhr komme ich an einem Schild mit der Angabe 9 km bis Lathen vorbei. Ich entschließe mich für diese Straßenvariante, nicht bedacht, dass ich nun wieder auf einem schnurgeraden Radweg laufen muss.

Ich spüre immer mehr meine Füße und das geradeaus Laufen macht mich mürbe. Ich hasse diese Geraden und doch muss ich mich damit arrangieren, denn in Ostfriesland werde ich noch viele lange Geraden laufen müssen. Inzwischen drückt auch der Rucksack und ich habe das Gefühl Blei mit mir rum zu schleppen. Zusätzlich habe ich heftige Verspannungen am Nacken und das Dehnen nützt inzwischen nichts mehr. Mehrfach halte ich am Straßenrand an und lege mich für eine Pause ins Gras.

Nur zähe vergehen die Kilometer, und obwohl ich immer wieder reizvolle Landschaften sehe, steht mir der Sinn nicht mehr nach Fotografieren. Ich will nur noch das Hotel erreichen. Dann biege ich weg von der Straße auf einen Wirtschaftsweg und durchquere Felder. Endlich sehe ich in der Ferne einen Kirchturm. Dieser muss zu Lathen gehören. Als ich mich immer mehr dem Kirchturm nähere, höre ich ein Geräusch. Es ist anders als von Autos oder Trecker und zunächst nicht zu lokalisieren. Dann erkenne ich durch Büsche und Bäume einen großen blauen Lastkahn. Ich bin wieder am Kanal und habe es eine längere Zeit überhaupt nicht mitbekommen.

Nun ist es nicht mehr weit, ich kann das Hotel bereits sehen und daneben ein Wohnmobilstellplatz. Um 19:30 Uhr und nach über 10 Stunden unterwegs sein, komme ich im Hotel an. Nach einer heißen Dusche gönne ich mir ein Spargelgericht und bin inzwischen recht schaffend müde. Das Schreiben des Berichts fällt heute aus.

40. Etappe: 14. Mai 2013

Lingen – Meppen  21,1 km

Meine Unterbrechung

Meine persönliche Anwesenheit zu Haus war für das Ausfüllen von einigen Formularen, dem Unterschreiben der Formulare, dem Zusammenstellen verschiedener Dokumente und die persönliche Abgabe bei der Rentenstelle in Darmstadt notwendig geworden. Doch nach der Abgabe am Montagmorgen hatte ich wieder etliche Formulare für den Rentenantrag in meinen Händen und musste auch diese Formulare noch ausfüllen. Diesen Rentenantrag kann ich jetzt noch nicht abgeben, sondern erste drei Monate vor Rentenbeginn. Doch diesmal bereite ich alles so vor, das ich nicht persönlich zur Abgabe erscheinen muss.

Es wird Nachmittag, bis ich endlich in der Straßenbahn zum Hauptbahnhof sitze. Es ist alles so kurzfristig und es kommt, wie es kommen muss. Im Reisezentrum sind fünf Personen vor mir dran. Und das dauert. Die Zeit verrinnt und ich sitze wie auf heißen Kohlen und könnte Einige vor mir am Schalter zum Mond schießen. Erst fünf Minuten vor Zugabfahrt verlasse ich das Reisezentrum mit meiner Fahrkarte und hetzte zum Bahngleis. Glücklicherweise hat der Zug leichte Verspätung. Als ich endlich im Abteil sitze, fällt der ganze Stress von mir ab und ich bin froh, wieder dem Alltag entronnen zu sein. Mit Verspätung erreiche ich dann Lingen und muss noch einige Zeit bis zum Hotel laufen. Um 21:30 Uhr sitze ich endlich in meinem Zimmer und freue mich auf den kommenden Tag.

Mein Wecker holt mich unsanft um 5:30 Uhr aus dem Schlaf. So früh wollte ich eigentlich nicht geweckt werden, aber leider hatte ich gestern nicht die Weckzeit kontrolliert. Da das Frühstück bereits ab 6:00 Uhr bereitsteht, gehe ich kurz vor halb sieben schon zum Frühstücken. Ich bin nicht der Erste, mehrere Monteure und Handwerker sind schon da.

Nach dieser Zwangspause ist mein innerlicher Akku wieder deutlich aufgeladen. Leicht beschwingt verlasse ich das Hotel und beginne meine heutige Etappe. Es ist bewölkt und noch ziemlich kühl. In diesem Moment beneide ich all die, die jetzt in Italien oder Spanien bei sommerlichen Temperaturen unterwegs sind. Ich darf aber nicht unzufrieden sein, wenigstens die Pause, wenn auch ungeplant, hat mir und meinem Körper gut getan.

Nach Erreichen des Stadtrands überquere ich den Dortmunder Emskanal und laufe auf dem Radweg neben einer viel befahrenen Landstraße entlang. Doch schon kurze Zeit später sehe ich eine Abzweigung zum Emskanal hin und nehme diesen Weg. Ein Streifen mit Büschen und Bäumen von etwa zwanzig Meter, manchmal auch mehr, trennt mich von der Straße. Schon bald verdränge ich den Lärm. Dieser wird hin und wieder noch verstärkt durch vorbeifahrende Züge auf der anderen Kanalseite.

Ich sehe mitten auf dem Kanal einen Kormoran, der immer wieder mit elegantem Schwung abtaucht. Fasziniert beobachte ich den Vogel. Ich kann nicht ausmachen, wo er wieder auftaucht. Mal sind es nur ein paar Meter vor mir, mal sind es aber auch über zwanzig Meter. Mal ist es mehr zu meiner Kanalseite hin und mal mehr zur anderen Seite. Beim Zuschauen vergesse ich vollkommen den Lärm und konzentriere mich nur auf diesen Vogel. Es sieht wie Frühsport aus, ist natürlich aber Nahrungssuche. Als ich dann etwa auf seiner Höhe bin, habe ich das Gefühl er nimmt mich wahr. Vor dem Abtauchen schaut er immer wieder in meine Richtung und es sieht so aus, als wolle er mir sagen: „Ich bin schneller als Du.“ Dieses Schauspiel geht einige hundert Meter dem Kanal entlang. Ein herankommendes Motorboot ignoriert er zunächst, um dann aber mit Mühe vor dem Boot davon zu fliegen.

Ich nähere mich einer Raffinerie und muss den Kanal verlassen. Der Weg an der Straße, nun eine Bundesstraße, ist wieder schnurgerade und ich habe das Gefühl, das der Weg am Horizont noch nicht enden will. Nur eine Kurve unterbricht diese etwa fünf Kilometer lange Gerade. Links habe ich die Straße und rechts begleitet mich ein schmaler tiefer Graben mit steilen Rändern. Unten im Graben sehe ich auf beiden Seiten Holzpflöcke in kurzen Abständen. Alte Erinnerungen werden wach.

Nach meiner vierjährigen Bundeswehrzeit habe ich in Ostfriesland noch für kurze Zeit im Tiefbau und später auch als Lkw-Fahrer gearbeitet. Mein Beginn war im Tiefbau und da haben wir solche Gräben, wenn ich mich richtig erinnere, wurden sie Tiefs genannt, ausgebessert. Zu den Arbeiten gehörte auch, Holzpflöcke auszutauschen. Der morgendliche Arbeitsbeginn wurde immer im Bauwagen mit einem Klaren zum Aufwärmen vorbereitet. Der erste Einsatz von mir im Graben ist mir bis heute gut in Erinnerung geblieben. Für die Arbeiten im Graben gab es lange, bis zu den Oberschenkel reichende, Gummistiefel. Nach meiner ersten Tätigkeit im Graben wollte ich wieder heraussteigen, doch ich konnte mich nicht mehr von der Stelle bewegen. Meine Füße waren vom Untergrund festgesaugt. Natürlich hatten alle auf diesen Moment gewartet und ein schadenfrohes Gelächter brach aus. Danach halfen sie mir wieder herauszusteigen. Nie mehr kam ich in solch eine Situation, man musste sich im Graben immer ein bisschen bewegen und verhinderte damit das Ansaugen. 

Mein Körper verlangt eine Pause und ich halte Ausschau nach einem Rastplatz. Das ist jedoch an einem Radweg neben einer Straße nicht so einfach, doch dann entdecke ich vor mir einen Übergang über den Graben. Dort angekommen versperrt mir nur ein Tor als Wildschutz den Weg zum Kanal. Das Tor ist glücklicherweise nicht verschlossen und so wechsel ich von der Straße wieder zu einem schmalen Pfad am Kanal entlang. Dieser Pfad ist eine Gerade von über acht Kilometer. Doch hier lenken mich die Vögel, die Natur und der Betrieb auf dem Kanal ab. Inzwischen scheint nach ein paar kurzen Regenschauern die Sonne. Zwischendrin erreiche ich eine Schleuse und mache auf einer Bank zwischen den beiden Schleusenbereichen eine Pause. Ich nutze die Pause und rufe Jürgen, einen Freund aus der Bundeswehrzeit, an um ihn von meiner Verzögerung zu berichten. Dabei erfahre ich von Jürgen, dass er etwas zu meinem Kommen organisieren will. Das freut mich außerordentlich und so laufe ich, verstärkt in Gedanken an meine Soldatenzeit, weiter.

Bei einer weiteren Pause, ich nutze gerne die seltenen Bänke für eine kurze Rast, suche ich meine Bleibe für diese Nacht. Diesmal entscheide ich mich für eine Nacht im Heu. Dazu muss ich schon kurze Zeit später den Kanal zur Straße hin verlassen. Auf dem Radweg an der Straße angekommen, stelle ich fest, irgend ist anders, etwas fehlt. Es sind meine Nordic-Walking-Stöcke, die ich an der Bank stehen gelassen habe. Also im Trab, so weit das mit einem schweren Rucksack möglich ist, zurück zum Kanal. Bange Minuten vergehen und ausgepumpt erreiche ich die Bank. Meine Stöcke sind noch da. Dann wieder zurück zur Straße. Hier geht es nochmals auf einer Geraden bis zum Ortseingang von Meppen. An der nächsten Kreuzung biege ich ab und verlasse die Bundesstraße. Der Weg zum Ferienhof ist kurz und der Bauer führt mich zum Heuschlafplatz. Ich bin alleine und habe im Keller Dusche und WC. Alternativ hätte ich auch eine Matratze im Schlafsaal wählen können.

Jetzt als ich den Artikel schreibe, kriecht langsam die Kälte in mir hoch. Ich hoffe, meine Wahl für heute Nacht ist richtig.

39. Etappe: 09. Mai 2013

Emsbüren – Lingen/Ems  19,3 km

Bei trübem Wetter verlasse ich mein Quartier und es sieht so aus, als könnte es bald regnen. Auf meinem Weg an der Landstraße entlang begegnen mir kaum Autos. Wahrscheinlich wird sich das aber später ändern. Wieder die ungeliebte lange Gerade. Nach meiner Planung bleibe ich heute weitestgehend an der Straße. Nicht schön, aber die Radwege machen zu große Bögen und erzeugen einige Zusatzkilometer.

Nach 35 Minuten erreiche ich die Siedlung Bernte, zu Emsbüren gehörend. Es folgt Elbergen und eine weitere Siedlung ohne Namen. Im Wartehäuschen einer Bushaltestelle ziehe ich meinen Poncho über den Rucksack, um ggf. schnell reagieren zu können. Es dauert auch nicht lange und schon regnet es. Doch nach ein paar Minuten ist alles wieder vorbei. Noch zweimal wiederholt sich dieses und für mich heißt das, Poncho an, Poncho aus.

Ich erreiche nun eine Abzweigung, die in den Wald führt, oder laufe weiter an der Straße entlang. Bei der kürzeren Straßenvariante muss ich an einem Kraftwerk und Industrieanlagen vorbei. Ich entscheide mich für die längere Waldvariante. Einen Moment später überschreite ich den Ems-Vechta-Kanal und tauche ein in den Wald. Doch schon nach einigen Hundert Meter komme ich an einem Wohnmobil-Stellplatz und an einem Biergarten vorbei. Hier ist schon einiges los und ich mache meine Kaffeepause.

Nicht weit vom Biergarten entfernt, sehe ich das erste Mal durch Büsche und Bäume die Ems wieder. Nun hat sie schon deutlich an Breite gewonnen und ist nun kein Rinnsal mehr, wie beim ersten Treffen.

Eine Zeit lange bleibe ich in ihrer Nähe und erreiche eine Straße, auf der ich ein kurzes Stück nach meiner Planung laufen muss. Jedoch bin ich deutlich unterhalb der Straße und mit mir suchen auch ein paar Radfahrer den Aufstieg. Nach einigem Suchen ist der Weg nach oben gefunden. Nun geht es geschützt durch eine Leitplanke neben dem rasenenden Verkehr entlang. Glücklicherweise verlasse ich wenige Minuten später diesen Wahnsinn wieder und stehe am Dortmunder-Ems-Kanal. Auf meiner Seite nur ein Fuß- und Radweg und auf der anderen Seite eine Straße und ein gefüllter Biergarten. Die Verführung ist also nicht erreichbar.

Nach etwa 2 ½ Kilometer bin ich dann am Stadtrand von Lingen. Eigentlich wollte ich noch weiter laufen, aber ich entschließe mich am Vatertag für einen Halt in Lingen und ein Gasthaus ist auch schon in der Nähe.

38. Etappe: 08. Mai 2013

Bad Bentheim – Emsbüren 26,1 km

Endlich schaffe ich es wieder einmal, früher zu starten. Ich laufe durch das Zentrum von Bad Bentheim, um wieder auf meine vorgeplante Route Richtung Emsbüren zu kommen. Im Zentrum führt mich der Weg unterhalb eines mächtigen Burgturms vorbei. Schon kurze Zeit später bin ich wieder auf meiner Route. Mit Verlassen von Bad Bentheim befinde ich mich auf einer langen geraden Landstraße, von über zwei Kilometer Länge.

Die Stadt Schüttorf am Ende der Geraden ist eine alte Textilstadt. Hier entstanden mit Beginn der Industrialisierung Webereien, Färbereien und Wollspinnereien. In einem Supermarkt kaufe ich verschiedene Dinge ein und mache in der dortigen Bäckerei meine Kaffeepause.

Es dauert längere Zeit, bis ich die Stadt bei einem Erholungsgebiet mit See wieder verlasse. Auf einem endlos langen Wirtschaftsweg, von über drei Kilometer Länge und nach Überquerung der Autobahn befinde ich mich wieder mitten in der Natur. Vorbei geht es an Äcker, Getreidefelder, Buschlandschaften und Wald. Hier durchwandere ich erstmals wieder einen Fichtenwald. So schön die Landschaft auch ist, die endlosen Geraden sind zermürbend. Ich mache öfters im Gras eine Pause.

Nach der Geraden muss ich ich einen kurzen Bogen laufen und sollte dann eine Landstraße erreichen. Leider stimmt mal wieder meine topografische Karte nicht. Ich lande auf einem Bauernhof ohne weiteren Durchgang. Also wieder zurück und aus dem kurzen Bogen wird ein langer Bogen, bevor ich die Straße erreiche.

Dies Straße entpuppt sich wieder als eine endlos lange Gerade. Schon die zweite Autobahnüberquerung in Sichtweite mache ich bei der ersten Bank in einer kleinen Hütte eine Pause. Nun beginnt wieder die Unterkunftssuche. Die auf dem Navi angezeigte Unterkunft gibt es schon seit sieben Jahren nicht mehr. Ich bekomme aber die Rufnummer des Touristenbüros. Die Frau der Touristeninfo ist ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Sie sucht mir eine günstige Privatunterkunft im Zentrum und teilt mir die Kontaktdaten dann per Mail mit.

Weiter geht es auf der langen Geraden und bei Bergen auf der ersten Bank schaue ich nach dem Mail. Die Datenverbindung ist ausgesprochen schlecht und so rufe ich erneut bei der Touristeninfo an. Die freundliche Dame ist wieder am Telefon. Sie hat eine günstige Privatunterkunft gefunden, jedoch nicht im Zentrum. Beim Abgleich meiner jetzigen Position stellt sie fest, dass ich auf das Haus ihrer Schwester schauen müsste und dahinter ihre Wohnung ist. Sie gibt mir auch noch den Hinweis, wo ich unbedingt von der Straße abbiegen muss.

Die Info mit dem Abbiegen war goldrichtig, damit verlasse ich die viel befahrene Landstraße und biege auf eine kleine kaum befahrene Straße nach Emsbüren ab. Mit Erreichen von Emsbüren bin ich nun in Niedersachsen.

Da ich im Zentrum noch etwas essen möchte, entschließe ich mich bei der freundlichen Dame der Touristeninfo persönlich zu bedanken. In der Vergangenheit hatte ich mehrmals Personen am Telefon, die ziemlich kurz angebunden waren. Sie ist überrascht, als ich das Büro betrete. Ich bedanke mich bei ihr und wir unterhalten uns noch kurz. Dann suche ich mir einen Imbiss für mein heutiges Abendessen.

Weiter geht es zur Unterkunft. Noch bevor ich mein Ziel erreiche, beginnt es zu regnen. Der schon für Mittag vorhergesagte Regenschauer ist jetzt nur ein leichter Regen und endet, bevor er richtig beginnt. Bei meiner Vermieterin bekomme bekomme ich ein großes Zimmer mit Etagenbad und WC.

37. Etappe: 07. Mai 2013

Gronau – Bad Bentheim  17,3 km

Der Weg raus aus Gronau dauert nur etwa 20 Minuten und dann bin ich auf einem breiten Wirtschaftsweg. Er verläuft als lange Gerade hinter dem Industriebereich von Gronau. Auf der anderen Seite habe ich Wald und später eine sehr große Schrebergartenkolonie. Diese Gerade endet nach etwas über einen Kilometer bei einer kleinen modernen Kapelle. Danach bin ich wieder in der Natur und mich umgeben Getreidefelder und Wiesen durchsetzt mit Löwenzahn. Heute sehe ich auf den Weiden immer häufiger Kühe und nur noch wenige Pferde.

Ich durchlaufe mehrere Alleen, deren Birken nun schon ein fast dichtes Blattwerk haben. Vorbei geht es auch an einem Naturschutzgebiete und einem großen Torfmoor. Sehen tue ich davon nichts, da mir ein Wald die Sicht zum Moor versperrt.

Als ich den Vorort von Bad Bentheim erreiche, nutze ich die erste Bank für eine Pause. Diese Bank steht an einem Vorgarten und eine Frau arbeitet dort. Überraschend fragt sie mich, ob ich noch etwas zu trinken habe. Als ich verneine, ruft sie ihren Mann zu, er möge eine Mineralwasserflasche mitbringen. Ich kann das Wasser in meine leere Flasche abfüllen und wir kommen kurz ins Gespräch. Dann verabschiede und bedanke ich mich und laufe die letzten vier Kilometer nach Bad Bentheim. Wenn auch größtenteils durch Gebäude verdeckt, sehe ich eine mächtige Burg. Zu weit um sie zu besuchen.

Bei einer Überdachung vor einem geschlossenen Restaurant beginne ich mit der Suche eines Quartiers im nächsten Ort, in Schüttorf. Schon zu Beginn der Suche fängt es leicht an zu regnen und dieser Regen wird immer stärker. Mein Blick fällt auf ein Hotel in Sichtweite zu meinem Unterschlupf. Kurz entschlossen suche ich im Internet nach dem Hotel und da der Preis akzeptabel ist, buche ich dort. Nur einen kurzen Sprint durch den Regen und ich bin im trockenen Zimmer.

36. Etappe: 06. Mai 2013

Ahaus – Gronau  20,0 km

Meine heutige Etappe beginnt mit Sonne pur und strahlend blauem Himmel. Von der Pension am Rande des Stadtzentrums durchlaufe ich ein Neubaugebiet und überquere bei einer Brücke die K45. Dann bin ich bereits im Wald. Inzwischen habe ich mich entschlossen, meine heutige Route zu ändern und steuere sofort die erste Bank im Wald an. Auf der topografischen Karte von Garmin erzeuge ich eine neue Route und übertrage diese auf mein Navi. Dann geht es weiter. Wald wechselt sich ab mit Acker- und Getreideflächen.

Etwa 400 Meter entfernt vor mir entdecke ich etwas stattlich Weißes. Da es zunächst unbeweglich erscheint, lässt mein Interesse daran nach. Doch plötzlich beim Näherkommen bewegt es sich und ich erkenne mit seinem langen gebogenen Hals und dem leuchtend weißen Gefieder einen stattlichen Silberreiher am Bachlauf stehen. Leider noch zu weit zum Fotografieren. Dann macht mein Weg hinter einem Bauernhof einen Linksbogen und kurze Zeit später sehe ich den Reiher wieder. Es ist zwar immer noch weit, doch jetzt kann ich ihn fotografieren. Er scheint mich auch entdeckt zu haben und fliegt hundert Meter weiter. Kaum komme ich ihm wieder näher, fühlt er sich wohl zu sehr gestört und fliegt majestätisch davon.

Wieder durchschreite ich große Anbauflächen und die Windkrafträder sind im Hintergrund wieder ein vertrautes Bild. Auf einem Feld sehe ich ziemlich akkurat in Reihen alle zehn Zentimeter kleine zweiblättrige Pflanzen, etwa 5 bis 7 Zentimeter hoch. Was es für Pflanzen sind, weiß ich nicht.

Mein Weg wird Zusehens verwachsener, die Äste der Büsche und Bäume ragen in den Weg und der Asphalt ist teilweise mit Erde, Ästen und Moos bedeckt. Hier fährt und geht kaum noch jemand durch. Ich überquere eine Bahntrasse und dann sehe ich vor mir einen großen Bauernhof. Am Rande des Weges mache ich im Gras eine kleine Pause und genieße die warmen Sonnenstrahlen. Inzwischen laufe ich auch nur noch mit meinem kurzärmligen Merinowolleunterhemd, dass auch als T-Shirt nutzbar ist.

Dann geht es weiter und ich nähere mich dem Bauernhof. Mt Schrecken erkenne ich ein großes Tor und das versperrt mir den Durchgang. Auf meinem Navi erkenne ich den großen Umweg, den ich laufen muss, wenn ich jetzt zurückgehe. Ich erreiche das Tor und rechts ist ein Spalt offen, durch den ich mich mit Rucksack durchquetschen kann. Mit Näherkommen zum Tor ertönt heftiges Hundegebell von mehreren Hunden. Ich erkenne rechts einen Zwinger, doch weiteres Gebell kommt von einer anderen Stelle. Ich mag Hunde sehr, aber Hunde, die ihr Revier verteidigen, können sehr unangenehm werden. Davor habe ich einigen Respekt. Nun gilt es eine Entscheidung zu treffen, über den Hof weiterlaufen oder zurück. Ich entscheide mich für den Hof und hole zur Sicherheit mein Pfefferspray aus der Hüftgurttasche und halte mit der linken Hand meine NW-Stöcke mit der Spitze nach vorne. Mit Hundeattacken habe ich auf meinen beiden Pilgerreisen durch Frankreich und Spanien einige Erfahrung gesammelt. Im Hof sehe ich sofort links einen Weg, der ist aber auch mit einem Tor versperrt. Weiter also in Richtung des Hundegebells und nach der Rechtsbiegung sehe ich mit einiger Erleichterung den zweiten Zwinger. Dann kann ich den Hof wieder verlassen. Links von mir fährt der Bauer mit einem Traktor auf einem Feld. Mein Weg stößt nun auf einen quer verlaufenden Weg, der nur links oder rechts zulässt. Der Weg ist nicht auf meinem Navi eingezeichnet. Irgendwie stimmt alles nicht und ich bin verunsichert, wie ich laufen soll. In meiner Unschlüssigkeit kommt der Bauer auf mich zu. Er macht keinen verärgerten Eindruck auf mich und ich entschuldige mich für das Durchlaufen des Hofes, erkläre ihm die Situation und mein Projekt. Er scheint interessiert und so gebe ich ihm meine Visitenkarte mit meiner Weblogadresse.

Der Weg links, nicht in meinem Navi angezeigt, ist nach Bestätigung des Bauern richtig und schon nach kurzer Zeit bin ich wieder in Richtung meiner Route.

Nach etwa zwei Kilometer erreiche ich eine liebevoll erstellte Schutzhütte mit Holz und Ziegelsteinen. Auf der Fensterbank stehen mehrere Mineralwasserflaschen und der Tisch im Inneren ist mit einer Tischdecke gedeckt und darauf steht ein Blumengedeck im Korb. An den Wänden ein Foto der Erbauer und ein Foto wohl von den Frauen, die sich nun um diese Hütte kümmern. Ich habe auf meinen langen Pilgerreisen schon viele Hütten gesehen, diese ist mit Abstand die Schönste. Ich verstehe das Mineralwasser als Gabe und trinke eine Flache Wasser. Meine Visitenkarte mit einem Danke lasse ich zurück. Das an der Wand mit einem gemalten Bild aufgehängte Gedicht gefällt mir.

Auf dem Weg

Menschen sind wir, immer auf dem Weg.

Manchmal schleppen wir uns auf
steinigen Strecken mühsam dahin.

Manchmal blüht alles um uns
und in uns, und alles wird leicht.

Weggefährten können hinderlich
oder hilfreich sein;
Orientierung ermöglichen
oder Verwirrung stiften.

Die Klarheit des Ziels
bestimmt meinen Schritt.

Wer oder was erwartet mich?
Das wirft Licht oder Schatten
auf meinen Weg.

Menschen sind wir – immer unterwegs.
Einer kennt den Weg.
Er ist der Weg und mein Weggeleit zum Ziel.

Verfasser unbekannt.

Heute begegnen mir keine Menschen und Autos, nur gelegentlich ein Bauer mit seinem Traktor. Auf dem Asphalt trage ich meistens meine NW-Stöcke in der linken Hand und halte rechts mein Navi. Zu oft muss ich den weiteren Weg kontrollieren. Nach den anfänglichen Umwegen ist die öftere Kontrolle in Fleisch und Blut übergegangen. Auch jetzt sehe ich rechtzeitig die Abbiegung auf einer langen geraden Allee. Ohne Kontrolle wäre ich vorbei gegangen.

Nun ist Schluss mit den kleinen und abseits gelegenen Wegen. Ich erreiche die Bundesstraße und laufe nun auf dem teilweise durch Büsche und Bäume geschützten Radweg in Richtung Ebe und Gronau. Ein Stück dieses Weges ist beiderseits gesäumt durch gelben Löwenzahn.

An einer Bushaltestelle mache ich eine Pause. Kaum sitze ich, kommen drei Jugendliche mit Fahrrädern hinzu. Einer der Drei schaut mehrfach auf meine Kamera und mein Navi. Ich bleibe ruhig sitzen und warte ab. Was anderes kann ich in dieser Situation nicht tun. Dann fahren die Jugendlichen weiter und ich begebe mich wieder auf meinen Weg. In Ebe mache ich in einer Bäckerei eine Pause, danach geht es die letzten 5 Kilometer nach Gronau.