160. Etappe: 02. Oktober 2013

Grainet – Breitenberg (Dreisessel – Lackenhäuser)
Distanz: 9,6 km; Aufstiege: 826 m; Abstiege: 642 m

Kurz vor Fertigstellung meines Berichtes, erreicht mich der Anruf von Werner. Er erkundigt sich nach meinem heutigen Weg. So wie ich, hat auch er herausgefunden, von Grainet über den Dreisessel nach Breitenberg zu laufen, ist sehr weit. Ich erzähle ihm, dass ich mir eine entspannte Route ohne Dreisessel nach Breitenberg ausgesucht habe. Und prompt kommt sein Vorschlag: „Was hältst du davon, wenn wir dich abholen und wir beide zum Dreisessel fahren. Der Rucksack bleibt im Auto?“ Mein Blick heute Morgen aus dem Fenster zeigte mir schon, heute gibt es ein Traumwetter zum Wandern und so willige ich sofort ein. Nochmals entspannt ohne Rucksack unterwegs zu sein, ist viel zu verführerisch und dann auch noch den dritten interessanten Berg des Bayerischen Waldes zu sehen, ist einfach toll.

Gegen 10:30 Uhr holen mich Werner und seine Frau von der Pension ab. Wir fahren zu einem Parkplatz unterhalb des Dreisessels. Ab hier geht es nun, nur mit Minirucksack bepackt, los. Kurz vor uns ist eine größere Wandergruppe angekommen und sie folgen uns mit einigem Abstand.

Es geht auf einem asphaltierten Wirtschaftsweg aufwärts zum Gipfel. Unser Weg, je höher wir kommen, führt immer mehr durch große Flächen abgestorbener Fichten, meinen Baumleichen. Vereinzelt wächst junges Nadelholz nach und zwischendrin liegt viel Totholz. Überall das im Sonnenlicht erstrahlende goldgelbe Gras. Dazu passend der tiefblaue Himmel.

Unser Weg endet direkt beim Berggasthof Dreisessel. Hier hatte ich auch schon für eine Übernachtung angefragt. Doch das ist inzwischen nicht mehr möglich. Gleich links vor dem Berggasthof führt ein Pfad zu einer wenige Meter entfernten Aussichtsplattform. Natürlich müssen wir hier hoch. Die grandiose Fernsicht kann man von dort erst richtig genießen. In den Felsenblöcken auf der Plattform sind symbolisch drei Sitzmulden für den „Dreisessel“ herausgearbeitet. Wir haben nicht viel Zeit oben zu verweilen, denn schon beginnt der Aufstieg der Wandergruppe. Ich habe Mühe nach unten zu kommen.

Beim Gasthof kommen wir mit einigen Wanderer der Gruppe in ein munteres Gespräch. Die Wandergruppe, bestehend aus Bayern und Österreicher, in Harmonie vereint :-P, ist gut drauf. Wir haben schnell Spaß miteinander und gehen nun gemeinsam weiter zum nächsten Aussichtspunkt mit dem Gipfelkreuz. Dabei lerne ich, dass die Niederbayern „stein“reich sind.

Oben beim Gipfelkreuz haben wir wieder einen atemberaubenden Blick auf die Berge, hier jedoch mehr zur tschechischen und vermutlich auch zur österreichischen Seite. Die Plattform füllt sich nach und nach mit den anrückenden Wanderer. Nach einigen Fotos verlasse ich das Gedränge. Auf halber Höhe begegne ich einem Nichtbayern, der ein bisschen nach Luft ringt. Er lässt ziemlich trocken den Satz raus: „Ähnlich wie auf dem Kilimandscharo merkt man auch hier die dünnere Luft.“ Das provoziert mich bei dem Gedanken, dass der Dreisessel gerade mal 1312 Meter hoch ist und ich antworte: „Das aus der Puste sein, hat wohl eher etwas mit der Kondition zu tun.“ Ich habe die Lacher einiger vorbeikommender Wanderer auf meiner Seite.

Wieder runter vom Aussichtspunkt, komme ich an einem „Frauchen“ mit zwei Hunden vorbei. Ihr Mann ist ebenfalls hoch zum Aussichtspunkt. Die beiden Hunde warten sehnsüchtig auf ihr Herrchen. Sie fragt uns, ob man auch nach hinten runter kann. Wir lachen und erklären ihr, wenn ihr Mann hinter runter sein sollte, hätte sie das überdeutlich mitbekommen. Es gibt nämlich nur einen Aufgang, auf der anderen Seite ist nur ein felsiger Steilhang!

Wenig später treffen wir Frauchen mit beiden Hunden, zusammen mit unserem Kilimandscharo-Fan, wieder. Er bietet sich an, ganz „professionell“  😛 Fotos von uns zu machen. Entsprechend sieht auch das erste Foto von uns beiden aus. Ziemlich professionell fehlen unsere Füße auf dem Bild. Mit dem zweiten Versuch klappt es dann besser. Und doch wähle ich später das erste Bild, nur mehr heran gezoomt, aus. Beim munteren Gespräch erfahren wir, dass beide aus der Nähe von Köln stammen.

Wir wählen den Abstieg zunächst über den Kamm, als Grenzgänger dicht an oder auf der Deutsch-Tschechischen Grenze entlang. Wieder durchlaufen wir ein Meer von hellgrau schimmernden Baumleichen und haben immer wieder herrliche Fernblicke. Vorbei geht es an den goldgelben sich im Wind wiegenden Gräsern, die Hänge sind durchsetzt mit Vogelbeerbüschen und Heidelbeersträuchern. Der Weg ist sehr steinig und trotz Konzentration auf den Weg, kann ich immer wieder nicht den Blick, von dieser schönen Landschaft lassen. Dann das unerwartete nüchterne etwas schief stehende Schild mit: „Landesgrenze“. Hier überschreiten wir völlig unspektakulär die Grenze nach Tschechien. Und nach etwa einem Kilometer Grenzgang erreichen wir das Dreiländereck: „Deutschland – Österreich – Tschechien“. Nun betrete ich erstmals österreichischen Boden. Der Grenzstein zu allen drei Ländern ist eine Augenweide und von diesem „historischen“ Moment sind Fotos natürlich Pflicht. Zunächst macht Werner von mir mit Sicht auf alle drei Seiten des würdigen Grenzsteins Fotos. Im Anschluss daran platziert sich Werner selbst davor, natürlich im Hintergrund die deutsche Seite mit dem eingemeißelten Hinweis „FREISTAAT BAYERN“ 😛 . Danach bitten wir ein gerade eintreffendes Paar uns gemeinsam zu fotografieren. Im Anschluss daran machen wir gemeinsam eine Brotzeit. Und erfahren dabei, dass das Ehepaar bereits schon eine Deutschlanddurchquerung von Flensburg bis nach Frankfurt am Main auf dem Europäischen Fernwanderweg E1 hinter sich hat. Wieder haben wir eine nette Unterhaltung und ich lerne jetzt, es gibt einen „genetischen Bayerndefekt“ :-P. Was das genau sein soll, blieb mir leider aus sprachlichen Gründen verschlossen.

Nach der netten Plauderei geht es weiter abwärts, immer auf einem extrem steinigen Weg entlang. Trotz höchster Konzentration muss ich immer wieder die Landschaft mit dem Bayerischen blauweißen Himmel genießen. Dann passiert es, ich schaue für einen Moment zur Seite und knicke um. Es ist schmerzhaft, doch ich weiß aus genügender Erfahrung, es ist glimpflich ausgegangen. Dieses Umknicken mit meinem schweren Rucksack wäre schlimmer ausgegangen. Wir pausieren einige Minuten und dann geht es weiter, jetzt jedoch deutlich langsamer und vorsichtiger. Der steinige Weg nimmt kein Ende und ich muss einige Pausen einlegen. Das Kippeln ist unangenehm für mein rechtes Sprunggelenk.

Ein Schild nach Lackenhäuser, unser Ziel ein Parkplatz noch davor, weist noch 3,5 Kilometer aus. Inzwischen ist der Weg stellenweise erträglicher geworden. Ein Ausweichhinweis – natürlich mit Umweg – und mit einer Absperrung des Weges, aufgrund von Bauarbeiten, ignorieren wir. Weiter geht es an einer Baustelle mit einem im Bau befindlichen Gebäudes vorbei und dann durch einen Ortsrandbereich. Zuletzt noch über eine Wiese und wir haben den Parkplatz erreicht. Werner und seine Frau fahren mich nach Breitenberg zu meiner heutigen Unterkunft.

Die Tür in den Gasthof mit Pension ist offen. Da ich niemanden finde, mache ich mich lautstark im Restaurant, im Flur und in der Gaststube bemerkbar. Doch niemand meldet sich. Auch mein telefonischer Versuch scheitert und so warte ich erst einmal in der Gaststube. Nach einiger Zeit gehe ich nochmals in den Flur. Der Wirt kommt gerade von draußen zu Tür, schließt auf und merkt nicht, dass sie nicht verschlossen ist. Doch dann ist er erstaunt, als er mich im Flur vorfindet.

Später gehe ich nochmals in die Gaststube zum Abendessen und das ist gut und reichlich. Im Anschluss daran beginne ich mit der Bildbearbeitung. Heute habe ich eine Unmenge von Fotos geschossen. Die Auswahl für meinen Blog wird schwierig werden.

Die heutige Wanderung mit Werner war wieder sehr kurzweilig und hat mir ausgesprochen gut gefallen. Trotz meines Sturzes bin ich sehr froh, diese entspannte Wanderung gemacht zu haben. Ich kann beiden nur sagen: „Herzlichen Dank, es war ein schöner Tag.”