187. Etappe: 03. November 2013

Weiler – Lindau (Bodensee)
Distanz: 26,8 km; Aufstiege: 523 m; Abstiege: 739 m

Um zeitig starten zu können, frühstücke ich bereits um 7 Uhr. Doch das Wetter spielt mir einen Streich, kaum im Zimmer angekommen, beginnt es heftig zu regnen. Nichts ist mit dem frühen Aufbrechen. Ich warte erst einmal ab. Gegen 8:30 Uhr, es regnet immer noch Bindfäden, rufe ich bei Monika und Roland, meine Pilgerbekanntschaft aus 2009, an. Wohl etwas zu früh, irgendwie hört sich die Stimme von Monika verschlafen an. Ich habe sie geweckt und sofort habe ich ein schlechtes Gewissen. Dass es Sonntagmorgen ist, habe ich völlig vergessen.

Der Regen hört nicht auf und doch muss ich los. Meine Lust zum Laufen ist auf dem absoluten Höhepunkt. Den ganzen Vormittag bin ich im Regen unterwegs. Öfters nutze ich Buswartehäuschen, um wenigstens ab und zu einmal im Trocknen zu sein. Mal nieselt es nur und mal regnet es Bindfäden. Vor Unterstaufen geht es nun kontinuierlich abwärts, der Bodensee naht. Teilweise laufe ich wieder einmal an der Straße ohne Radweg entlang. Viele Fahrzeuge sind dank Sonntag nicht unterwegs und das Duschen durch vorbeifahrende Fahrzeuge hält sich daher in Grenzen. Erst als ich den kleinen Ort Schachters erreiche, hört es endlich zu regnen auf. Doch die dunklen Regenwolken halten sich beharrlich am Himmel und so stapfe ich mit halb angezogenem Poncho weiter dahin.

Vor Weißenberg habe ich eine gute Sicht zu den österreichischen Alpen. Die schneebedeckten Gipfel ragen leuchtend gegenüber dem dunklen Nadelwald im Vordergrund und den fast schwarzen fetten Regenwolken darüber, hervor. Schon ein bizarres Schauspiel und so lenkt mich dieses Alpenpanorama einige Zeit ab. Nicht weit von Weißenberg entfernt, erreiche ich einen Hügel und habe einen traumhaften Blick auf den Bodensee und auf die Schweizer und österreichischen Alpen. Mitten auf dem Hügel thront die kleine Marienkapelle, erbaut 1870 von Prinz Luitpold von Bayern zum Gedenken an seine verstorbene Gemahlin.

Nun geht es weiter abwärts und in den Weinbergen vor Lindau mache ich auf einer Bank eine Verschnaufpause. Mit einem Paar neben mir komme ich schnell ins Gespräch. Die Frau fragt interessiert nach meiner Wanderschaft. Mit ihrem Schweizer Dialekt kann ich sie nur mit Mühen verstehen und muss einige Mal nachfragen. Doch das stört sie nicht und sie bleibt beharrlich in ihrem Dialekt. Sie hat kein Erbarmen mit dem armen Wanderer :-). Bevor wir uns trennen, machen sie noch ein Foto von mir mit dem Bodensee als Hintergrund.

Es dauert noch, bis ich Lindau erreiche und direkt am Ufer des Bodensees auf einer Bank sitzen kann. Der Duft von gebrannten Mandeln steigt mir von der naheliegenden Insel Lindau ständig in die Nase. Dort gibt es ein Fest, viele Menschen und Autos sind hier unterwegs. In beiden Richtungen wälzen sich die Blechlawinen langsam vorwärts. Sie stehen jedoch mehr, als das sie fahren. Damit Monika und Roland sich nicht in diese Blechlawinen einreihen müssen, suche ich abseits des Trubels einen geeigneten Treffpunkt. Das ist zunächst gar nicht so einfach, doch schließlich nach einigem Durchfragen nach einem Café, erreiche ich schließlich ein Hotel-Café und teile den beiden meine Adresse mit.

Genau zum richtigen Zeitpunkt habe ich meinen Kaffee getrunken, gezahlt und meinen Rucksack geschultert, als Monika und Roland suchend nach mir das Café betreten. Beide haben sich gar nicht verändert, genau so habe ich sie in Erinnerung behalten. Ich gehe ihnen entgegen und die Freude über das Wiedersehen ist groß. Wir machen noch einen kurzen Abstecher nach Österreich, dann geht es zu ihnen nach Hause nach Haslach. Ich bekomme das Zimmer des jüngeren Sohnes. Wieder habe ich ein schlechtes Gewissen. Ihr Sohn muss im Wohnzimmer schlafen.

Wir haben uns viel zu erzählen und selbstverständlich auch von unserer gemeinsamen Zeit in Frankreich auf dem Camino. Ich schaue mir die gut gemachten Fotobücher ihrer mehrjährigen Pilgereisen bis nach Santiago und Kap Finisterre an. Auch ich bin in einem der Fotobücher vertreten. Zwischendurch werde ich mit leckerem Kuchen und später mit einem tollen Essen mit einem guten Roten verwöhnt. Roland ist hier der Koch und er versteht sein Metier. Mir schmeckt es vorzüglich.

Wir haben uns auf dem Jakobsweg „Via Gebennensis“ in Frankreich in einer als Gite umgebauten ehemaligen Käserei kennengelernt. Dort war ich mit Rita und Dani, ein Schweizer Pilgerpaar bereits eingetroffen, als dann Monika und Roland und weitere Pilger hinzukamen. Wir saßen draußen bei Traumwetter zum abendlichen Pilgermenü. Alle haben sich auf Anhieb gut verstanden und es wurde ein wunderschöner Abend. Dabei kamen wir irgendwann auch auf Streichhölzer, die den „Duft“ auf dem WC bei Anzünden vertreiben können. Wer darauf kam, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls das allgemeine Pflaumenessen als Hintergrund war der Auslöser.

Rita, Dani und ich trafen als Erste in der Gite ein. Wir fanden im Aufenthaltsraum eine große Schüssel mit Pflaumen. Sofort vielen wir über diese Köstlichkeit her. So nach und nach trafen dann auch die Anderen (es war weitere sechs Pilger(innen) aus Deutschland und der Schweiz) ein. Auch sie naschten fleißig von den Pflaumen.

Der Schlafraum war im ersten Stock und dort waren auch die Toilette und die Dusche. Diese beiden Räume waren aus dünnen Holzwänden gefertigt und daher sehr hellhörig. Neben der Toilette ging eine Treppe hoch zu einer zusätzlichen Schlafebene. Wir legten abends ein Päckchen Streichhölzer auf eine der Treppenstufen neben der Toilettentür.

Morgens in der Frühe, alle schliefen noch – jedenfalls dachte ich das – trieben die Pflaumen ihr Unwesen in meinen Gedärmen und so blieb mir nichts anderes übrig, als zur Toilette zu gehen. Leider ging das nicht so geräuschlos vonstatten. Dann fielen mir die Streichhölzer, draußen neben der Toilettetür, ein. Ich öffnete die Tür einen Spalt und griff nach den Streichhölzern. Schlagartig brüllte der Saal vor Lachen. Diese Geschichte hat dann anschließend einer der Gruppe in Gedichtsform und mit Zeichnung in dem dort ausliegendem Pilgerbuch verewigt.

Wir hatten eine weitere lustige Geschichte in einem Matrazenlager mit Roland als Hauptakteur und mit Monika und mir als Beteiligte. Doch diese Geschichte bleibt im Kreis der neun Pilger.