191. Etappe: 07. November 2013

Singen – Welschingen
Distanz: 17,2 km; Aufstiege: 541 m; Abstiege: 464 m

Als ich die Jugendherberge verlasse, empfängt mich ein wunderschöner Wandermorgen: „Blauer Himmel, weiße Wolken und strahlende Sonne“. Noch nicht sehr warm, doch das kann ja noch werden.

Zunächst muss ich erst einmal quer durch Singen und dann bewege ich mich auf den Singener Hausberg „Hohentwiel“ mit seiner Burgruine zu. Ich ahne es schon, hier muss ich hoch. Für die Autofahrer steht das Schild „19 %“ Steigung am Straßenrand. Meine Route führt mich vorher davon weg auf einen unbefestigten Weg. Zunächst geht es noch moderat bergauf, doch dann nach einer Kurve beginnt auch hier der Aufstieg über Serpentinen. Glücklicherweise muss ich nicht ganz bis zur Burgruine hoch. Der Anstieg endet bei einem Bauerhof und führt um den Berg herum auf die andere Seite. Hier habe ich jetzt einen herrlichen Blick in die weite Ebene.

Aus dem weißblauen Himmel ist ein stark bewölkter Himmel geworden. Diese dicken Wolkenhaufen faszinieren mich immer wieder. Mit ihrem Grau, manchmal auch ins Bläuliche getaucht, wirken sie so mächtig und bedrohlich. Ab und zu lugt die Sonne hervor und die Landschaft erstrahlt förmlich im hellen Licht. An anderen Stellen liegt sie jedoch deutlich im Schatten der Wolken.

Dann geht es quer über eine Wiese abwärts in Richtung Autobahn, über die untertunnelte Autobahn hinweg und schließlich rein in ein Wäldchen. Das ist schnell durchschritten und nun laufe ich am weitflächigen Hang, vorbei an einigen Gebäuden, durch die weithin offene Landschaft. Ich kann gut den Bodensee, die Orte Singen und Radolfzell erkennen. An einigen Merkmalen erkenne ich auch ungefähr meine Route der letzten Tage.

Bei einer Bank, weiter mit diesem herrlichen Weitblick, mache ich meine erste längere Pause. Noch während ich telefoniere, kommt ein Auto und parkt in unmittelbarer Nähe zu mir. Eine Frau steigt aus und geht langsam in Richtung Hohentwiel. Dabei schaut sie immer wieder in ein Fernglas. Sie bewegt sich schließlich an mir vorbei in entgegengesetzter Richtung. Weiterhin immer wieder mit Blick durch ihr Fernglas. Sie macht mich neugierig. Sucht sie etwas? So ein Fernglas hätte ich auch gerne an der Oder gehabt und die unendlich vielen Vögel beobachtet.

Ich schultere meinen Rucksack und erreiche die Frau wenig später. Ich spreche sie an und erfahre, dass sie gerne die Landschaft beobachtet. Dann höre ich auch, dass sie malt und in alt hergebrachter Art auf ihren Reisen ein Tagebuch führt. Als sie hört, dass ich auf einer großen Wanderung bin, ist ihre Neugierde an mir geweckt. Sie fragt mich, ob wir nochmals zurück zur Bank gehen und uns dort weiter unterhalten können. Ich erkläre ihr, dass ich noch einige Kilometer vor mir habe. Sofort bietet sie mir an, mich dann zu meiner Unterkunft zu fahren. Auch das muss ich leider dankend ablehnen. Ich gebe ihr meine Telefonnummer und meine Internetadresse und auch die Adresse meiner heutigen Unterkunft. „Wir können uns gerne heute Abend im Gasthof weiter unterhalten“, schlage ich ihr vor, dann verabschieden wir uns.

Am Abend ruft sie nochmals an und wir haben ein längeres Gespräch. Hier erzähle ich ihr mehr von meiner Wanderschaft. Obwohl selbst keinen Computer, hat sie es bereits bei Bekannten organisiert, in meinen Blog zu schauen.

Die Landschaft ist durchzogen von Vulkanhügeln und auf einigen dieser Hügel thronen Burgruinen. Mein Weg führt mit Beharrlichkeit immer wieder zu und auf diese Hügel. Nicht bis zum Gipfel, aber ein Vorgeschmack auf die Höhe ist immer dabei. Es geht durch Wiesen und Wäldchen immer mit Blick auf diese hügelig wellige Landschaft. Ich erfreue mich an den Strukturen, Formen und auch an den Farben. Von den sieben Stunden unterwegs sein, mache ich 3 ½ Stunden Pause. Die Landschaft gefällt mir und ich genieße wieder einmal in vollen Zügen.

In der Nähe einer weiteren Ruine, es geht von der Straße weg durch die Felder. Vor mir eine Frau mit einem Golden Retriever Rüden. Ich bin beharrlich hinter ihr und sie schaut mehrfach zurück. Mein Eindruck, sie ist durch meine Anwesenheit beunruhigt. Als ich sie erreiche, spreche ich sie an und sage: „Keine Bedenken, ich laufe nicht hinter ihnen her.“ Schlagfertig und überraschend für mich antwortet sie schmunzelnd: „Wenn doch mal jemand hinter mir herlaufen würde.“ Wir kommen ins Gespräch und laufen einige Zeit nebeneinander her. Sehr interessieren tut ihr meine Motivation für eine solche Reise. Für sie schwer zu verstehen, jetzt bei meist schlechtem Wetter noch unterwegs zu sein. Ob ich sie mit meinen Gründen überzeugen konnte, weiß ich nicht. Jedenfalls erkläre ich ihr, wie sie meine Webseite bei Google findet. Sie verspricht mir, dort einmal reinzuschauen.

Bei einem kleinen Wald fängt es ordentlich an zu winden und ein bisschen mulmig ist mir schon, hier durchzulaufen. Alles geht gut und nach einer weiteren Gipfelbesteigung 🙂 sehe ich noch einige Kilometer entfernt unter mir den Ort Weiterdingen. Imposant überragen die Kirche und das Schloss diesen Ort. Zwei Schilder weisen auf meinen Zielort hin. Einmal noch 11 Kilometer und einmal mit der Angabe „direkt“ und 5,5 Kilometer. Ich entscheide mich für die Kurzvariante. Doch auch diese dauert noch. Welscherdingen kann ich nur hinter einem Waldgebiet vermuten. Selbst in und nach Weiterdingen bleibt der Ort versteckt. Schließlich kann ich ihn auf einer kleinen Straße laufend, endlich vor mir sehen. Die Wandermarkierung des Querweges schickt mich weg von der Straße mit einem großen Bogen zum Ort. Da mir aber die Wirtin erklärt hat, dass der Gasthof direkt am Weg liegt, muss ich wohl der Markierung weiter folgen. Etwa einen Kilometer vor dem Ziel ruft mich Rita aus der Schweiz an. Passend vor mir eine Bank neben einem Wegekreuz. Wir schwätzen einige Zeit und vereinbaren für Morgen ein Treffen im Gasthof meiner Unterkunft. Ich freue mich sehr, endlich Rita und Dani wieder zu sehen. Wir waren längere Zeit auf meiner Pilgerreise 2009 auf der Via Jacobi in der Schweiz und dann auch noch länger in Frankreich zusammen.

Beschwingt die beiden schon morgen wieder zu sehen, setze ich meinen Weg zum Gasthaus fort. Dieser ist jetzt schnell erreicht. Der Gasthof ist nicht mehr in Betrieb, nur noch die Fremdenzimmer. Das Abendessen fällt heute aus.