27. Etappe: 27. April 2013

Pivitsheide – Stukenbrock  21,8 km

Mein heutiger Weg führt mich zunächst zum ehemaligen Kinderheim der Stadt Dortmund. Heute ist es ein Blindenheim des Lippischer Blindenverein e.V. Mit etwa 8 oder 9 Jahren wurde ich dorthin geschickt. Ich war zu dünn und sollte zunehmen. Die damalige Kur war zumindest im Alter erfolgreich. Der Aufenthalt in Pivitsheide war nach Cuxhaven mein zweiter Aufenthalt in einem Kinderheim. Mit Pivitsheide verbinde ich schöne Erinnerungen.

Die Erinnerungen an das Gebäude sind nur lückenhaft. Geblieben ist, dass es ein großes Gebäude war. Wir konnten in unmittelbarer Nähe an einem Bach spielen. Dort haben wir Dämme gebaut und Kaulquappen gefangen. Auch in Erinnerung geblieben sind mehrere Teiche und einen See in der Nähe des Kinderheims.

Wir bekamen täglich aus einem Buch Geschichten vorgelesen. Darin kamen ein Waisenjunge Branko und ein Mädchen mit roten Haaren vor. Erst in meiner Studienzeit erfuhr ich, dass es sich um das Buch „Die rote Zora“ handelte. Ich habe es mir dann gekauft und gelesen.

Bei meinen Recherchen stoße ich auf einen Internetanbieter, der alte Postkarten des Heims anbietet. Alle Postkarten sind als Bild abgebildet. Damit hatte ich das Aussehen des Gebäudes und auch die Gebäudeform für den späteren Vergleich in Google Earth. Als Nächstes versuchte ich über zwei Heimatvereine Informationen über das Kinderheim zu bekommen. Die ersten Personen, die ich anrief, lebten nicht lang genug in Pivitsheide und konnte mir nicht helfen. Einer jedoch konnte mir ein Mitglied benennen, das gebürtig von Pivitsheide war. Über ihn erfuhr ich, dass es seid langer Zeit ein Blindenheim ist, und erhielt auch die Adresse. Über Google Earth und mit den Gebäudepostkarten des Internets war ich dann erfolgreich.

 Am Gebäude angekommen musste ich erst mal den Eingang suchen. Er ist verschlossen und ich klingel bei der Heimleitung. Nichts tut sich, ich klingel mehrfach, dann öffnet sich die Tür und zwei Frauen kommen heraus. Es ist eine private Führerin und eine Blinde. Ich spreche sie an und erfahre nun, dass es Samstag ist und die Heimleitung daher nicht anwesend. Sie lassen mich aber eintreten. Ich gehe in die erste Etage und höre, dass die Betreuer beschäftigt sind. Weiter in der zweiten Etage kann ich einen Betreuer ansprechen. Im Gebäude darf ich nicht bleiben, aber draußen kann ich mich gerne umschauen. Ich verlasse das Gebäude und treffe auf eine weitere Betreuerin und sie zeigt mir den Bach und die Richtung des Sees. Auf einer Bank in der Nähe des Bachs verweile ich einige Zeit. Wieder kommen die Erinnerungen an diese Zeit in mir hoch. Ich war mit Manfred, einem ehemaligen Klassenkamerad hier. Er ist schon vor vielen Jahren verstorben. Ein Gruppenfoto vor dem Hermannsdenkmal habe ich noch.

Ich mache noch ein paar Fotos und starte zu meiner heutigen Etappe. Lange Zeit laufe ich auf einem Radweg neben der Straße entlang und verlasse Pivitsheide um es nach kurzer Zeit wieder mit einem Ortseingangsschild zu betreten. Dann verlasse ich Pivitsheide endgültig und komme nur noch an einzelnen Bauerhöfen und Gebäuden vorbei. Dicke Regenwolken begleiten mich inzwischen und ich ziehe zur Sicherheit den Poncho schon mal über den Rucksack. Ein letztes Mal komme ich an einen kleinen Ort vorbei, dann aber tauche ich in den Teutoburger Wald ein und bin auf dem Hermannsweg. Bei einer kleinen Pause laufen vier Wanderer an mir vorbei.

Ich komme an einem Hinweisschild vorbei, es weist das Hermannsdenkmal mit 7 km Entfernung aus. Leider zu weit und in falscher Richtung. Dann überhole ich die Gruppe wieder, die selbst eine kurze Pause eingelegt hat. Meine Route weicht vom Hermannsweg ab und ich folge brav meinem Navi. Nach einiger Zeit ist der Weg kaum noch zu erkennen und immer mehr stapfe ich abseits eines Weges durch den Wald. Auf dem Navi ist in der Nähe ein anderer Weg erkennbar und ich orientiere mich in diese Richtung. Bei Erreichen dieses Weges bin ich wieder auf dem Hermannsweg und weit vor mir laufen die vier Wanderer.

An einer Lichtung gibt es einen Gasthof und ich kehre dort ein. Meine vier Wanderer sitzen bereits dort. Auch eine Gruppe Radfahrer ist anwesend. Wanderer und Radfahrer verlassen vor mir den Gasthof. Einige Zeit später breche ich dann auch auf und schon bald erreiche erreiche ich die Gruppe wieder. Wir gehen einige Zeit zusammen. Mein Navi zeigt mir meinen Weg links ab, doch dieser Weg war früher mal ein Weg. Jetzt ist er zugewachsen und ich bleibe weiter bei der Wandergruppe. Ich verfolge den Weg auf dem Navi und erkenne, dass ich mich immer mehr von meiner Route und meinem heutigen Etappenziel Verl entferne.

Bei einer Gabelung kann ich mich wieder meiner Route nähern, der Weg verzweigt nach Karte später wieder auf einen Weg, der dann wieder zu meiner Route führt. Nur ob diese Wege meiner topografischen Karte auch noch existieren, werde ich erst später feststellen. Ich habe Glück, die eingezeichneten Wege führen mich wieder auf meine Route. Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gekommen, nicht mehr bis Verl zu laufen, sondern Stukenbrock anzusteuern. Jetzt muss ich nur noch den Weg dorthin, abseits meiner Route, finden. Wieder habe ich Glück, ich hole eine Nordic Walkerin ein und sie spricht mich an. Als ich ihr von meinem Etappenziel Stukenbrock erzähle, ändert sie ihre Route und führt mich spontan ein langes Wegestück in Richtung meines heutigen Ziels. Erst als es nur noch geradeaus nach Stukenbrock geht, verabschiedet sie sich von mir. Ich bin ihr sehr dankbar für diese Führung.

In einer Schutzhütte beginne ich mit der Unterkunftssuche. Es ist schwierig, ein Bett zu finden. Morgen findet hier der Hermannlauf statt und außerdem gibt es noch eine Veranstaltung auf dem Segelflughafen. Alle Pensionen sind voll. Im Zelt möchte ich heute Nacht nicht schlafen, es sind hier Temperaturen von -1 Grad bis 1 Grad angekündigt.

Ich laufe weiter in Richtung Ort und versuche es dann nochmals mit Hotels. Gleich beim ersten Anruf bin ich erfolgreich. Als ich mein Smartphone-Navi einschalte, erkenne ich, dass es noch sehr weit bis zum Hotel ist. Bei meinem erneuten Anruf erfahre ich, dass es noch etwa sieben Kilometer dorthin sind. Der Ort ist zweigeteilt in Schloss Holte und Stukenbrock. Ich storniere das Zimmer und laufe weiter zur Ortsmitte. Im Zentrum stoße ich dann auf ein Hotel und komme dort unter.

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