Gescher – Ahaus 18,9 km
Beim Bezahlen komme ich mit dem Wirt kurz ins Gespräch. Er bestätigt mir, dass es im Frühling im Münsterland am schönsten ist. Im Spätsommer dominiert inzwischen der Maisanbau und die Landschaft wird eintöniger. Ich verlasse den Gasthof ohne Frühstück und hole dieses in der nahe gelegenen Bäckerei nach.
Vom Stadtkern bin ich schnell in einem Neubaugebiet. Einige Familien sitzen auf der Terrasse und frühstücken. Das Wetter dazu ist ideal. Wieder blauer Himmel und fast keine Wolken. Auch diesen Bereich lasse ich bald hinter mir und bin wieder auf Wirtschaftswegen, mal unbefestigt, meistens jedoch asphaltiert, unterwegs. Meine Füße haben sich wohl schon ein bisschen daran gewöhnt.
Bäume und Büsche säumen meinen Weg und manchmal durchlaufe ich auch wieder Alleen. Die Felder und Weiden im satten Grün werden immer wieder durch kleine Laubwälder oder Reihen von Bäumen unterbrochen. Kleinen Wiesen sind durchzogen mit Löwenzahn. Viele Bäume tragen nun schon deutlich Blattwerk, auch wenn dieses noch nicht sehr groß ist. Nur bei den alten und großen Bäumen sehe ich meistens noch Knospen. Für mich, der täglich stundenlang durch die Natur wandert, ist der tägliche Wandel faszinierend. Alles sprießt und wächst inzwischen wie mit Siebenmeilenstiefel. Die vielen Grüntöne dominieren jetzt die Landschaft. Ab und zu werden sie unterbrochen vom Weiß, Gelb und Rosa blühender Bäume und Büsche. Ich lasse mich von dieser Landschaft gerne ablenken und mache öfters am Wegesrand oder auf einer Bank eine Pause.
Am Horizont erkenne ich einen Kirchturm und um ihn herum ein paar Häuser und Bauernhöfe. Ich bin erstaunt, dass bei so wenig Gebäude schon eine Kirche ist. Mein Weg verläuft durch Felder direkt auf dieses Dorf zu. Plötzlich fliegt erschreckt vor mir eine Wachtel auf. Ich war so nah bei ihr und doch habe ich sie mit ihrem braun gemusterten Federkleid nicht wahrgenommen.
Immer näherkomme ich der Kirche und nun wird deutlich, es ist kein winziges Dorf, da stehen deutlich mehr Höfe und Wohnhäuser. Mein Weg führt mich mitten durch diesen Ort. Es ist die kleine Stadt Büren. In unmittelbarer Nähe zur Kirche kehre ich in einem kleinen Biergarten ein. Schon nach kurzer Zeit füllt sich der Biergarten. Alle Personen sind feierlich angezogen und ich höre heraus, dass eine Kommunion gefeiert wird. Der kleine Biergarten entpuppt sich als sehr großes Restaurant, wie ich dann später beim Verlassen feststellen musste.
Nach Verlassen des Restaurants bin ich schnell in einem Wald und mein Weg wird zunehmend schmäler. Leichte Zweifel, ob ich noch lange weiterlaufen kann, keimen in mir hoch. Ich riskiere es und laufe weiter. Der Weg ist nun nur noch ein kaum erkennbarer Trampelpfad, aber noch begehbar. Dann versperrt mir ein dicker umgefallener Baum meinen Weg. Nach diesem Hindernis gabelt mein Trampelpfad schon bald wieder in einen normalen Waldweg und dieser mündet auf eine Kreisstraße. Nach etwa 400 Meter verlasse ich nach rechts die Straße und erreiche nach wenigen Metern eine Schutzhütte. Eine Pause ist nun fällig. Kaum jedoch sitze ich, kommt eine ältere Frau mit ihrem Fahrrad zur Hütte gefahren. Sie fragt mich, ob sie sich zu mir setzten kann. Natürlich kann sie das. Sie holt aus ihrer Gepäcktasche eine kleine Flasche Bier und setzt sich zu mir. Wir kommen schnell ins Gespräch, für mich eine willkommene Abwechslung.
Sie fragt mich nach ihrem Alter. Da sie einen sportlichen, vitale und geistig sehr regen Eindruck auf mich macht, schätze ich sie auf Mitte siebzig. Nein, sie ist schon 86 Jahre alt! Täglich fährt sie noch 35 Kilometer und heute hat sie bereits 41 Kilometer hinter sich. Zusätzlich schwimmt sie noch zweimal die Woche.
Dann erzählt sie aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Hier wären viele Bombenangriffe gewesen. Ich frage nach, denn warum sollten in dieser Gegend viele Bombenangriffe sein. Sie erklärt mir, dass es hier Abschussrampen mit der V2 gab. Persönlich habe sie als junges Mädchen den Tod von Onkel Fiebke miterleben müssen. Sie war in der Nähe bei ihrem Onkel und sah die Bombe kommen, rief ihrem Onkel zu, er möge sich hinwerfen. Er stand seelenruhig da und rauchte seine Zigarre. Sie warf sich in eine kleine morastige Grube. Dann die unvorstellbare Detonation. Als sie wieder aufstand, war vom Onkel nur noch der Rumpf zu sehen. Sie habe lange gebraucht darüber hinwegzukommen. Auch zwei Brüder habe sie im Krieg verloren. Jetzt gehe es ihr aber gut. Bis vor Kurzem radelte auch ihr 91jähriger Mann mit, jetzt sieht er nicht mehr gut und kann nicht mehr mit.
Diese Frau macht einen unglaublichen Eindruck auf mich, ich hätte mich gerne noch länger mit ihr unterhalten, doch ich muss weiter.
Ich kehre auf die Kreisstraße zurück und laufe hier weiter. Dieser Weg ist deutlich kürzer als meine geplante Route und hat einen separaten Radweg. Nach etwa fünf Kilometer erreiche ich die Kreisstadt Ahaus. Wieder beginnt die Suche nach einer Bleibe, doch diesmal bin ich schnell fündig. Es ist eine Pension am andern Ende des Zentrums. Ich übernachte bei einem holländischen Ehepaar im geräumigen Dachzimmer.
Hallo Werner, aha Ahaus, da wo ich ab und an beruflich zu tun habe und der Ortsteil Alstätte sehr nah an der Grenze zu den NL liegt. Dort ist auch der “ter Huurne” Holland Markt, quasi auf der Grenze, wo ich immer für unser Büro Kaffeepads kaufe 🙂
Weiter einen guten Weg Richtung Niedersachsen!
Frank