54. Etappe: 31. Mai 2013

Bremerhaven – Wremen  20,2 km

Am Abend hatte ich wieder einmal ferngesehen. Eigentlich war alles nicht wirklich interessant. Ohne das ich es merkte, wurde es jedoch spät. Zwar weckt mich der Radiosender, doch komme ich erst gegen 7:30 Uhr hoch. Zum Frühstück muss ich zurück zum Hotel laufen. Nichts Gutes ahnend, denn gestern beim Einchecken machte es nicht den besten Eindruck. Es roch nach Rauch und der Raum wirkte schummerig. Doch als ich die Tür öffne, blicke ich in einen verwandelten Raum. Kein Rauchgeruch mehr, der Raum hell erleuchtet und zu einem ordentlichen Frühstücksraum hergerichtet. Es sitzen bereits einige Personen im Raum. Nach der Kleidung zu urteilen, hauptsächlich Radler. Die Auswahl ist erstaunlich groß und ich genieße in Ruhe das Frühstück.

Mit strahlend blauem Himmel und Sonne pur beginne ich heute meine Etappe. Vom Appartement aus bin ich rasch am Schifffahrtsmuseum mit den historischen Schiffen und dem U-Boot. Nicht viel später erreiche ich den großen Leuchtturm. Auf dem Weg dorthin verfolge ich die Öffnung einer Brücke für ein Segelboot.

Nach dem Schiffsmuseum erreiche ich den Dockbereich. Mächtige Kräne im Hintergrund und große Schiffe an den Docks werden gerade überholt. Zunächst ist der Anblick interessant, doch so langsam zieht sich mein Weg durch dieses Industriegebiet. Sitzmöglichkeiten gibt es hier nicht und der Wunsch danach wird immer größer. Dann erreiche ich einen Hafenbereich mit einem riesigen Frachter, in dem unentwegt Fahrzeuge hineinfahren. Auf den Parkplätzen davor stehen Massen von Pkws, Lkws, landwirtschaftliche Fahrzeuge, militärische Fahrzeuge, Wohnmobile, Boote und diverses technisches Gerät. Nicht weit davon erreiche ich eine Waggonschlange beladen mit Edelkarossen auf zwei Ebenen. Jetzt werden die Fahrzeuge gerade herausgefahren. Auf der rechten Seite der Straße einen schmalen Grünsteifen und danach eine Bahntrasse. Ich überquere die Straße und lege mich auf diesen Grünstreifen. Der Krach von den vorbeifahrenden Lkws ist mir egal. Zunächst beobachte ich die immer wieder vorbeiziehenden Fußpaare unten den Waggons, die dann verschwinden und im Inneren wieder sichtbar werden. Dann öffnen sich die Türen der Fahrzeuge und die Fußpaare verschwinden hinter den Türen, anschließend fahren die Edelkarossen vor. Dies wiederholt sich immer wieder und dabei schlafe ich sogar ein. Wie lange ich da liege, weiß ich nicht, nur nach dem Aufstehen, laufe ich noch einige Zeit schlaftrunken die nicht enden wollende Straße entlang. Ich fühle mich einfach nur schlapp und müde. Nach einiger Zeit sehe ich zu meiner Freude eine Tankstelle vor mir. Im Inneren bevölkern Trucker den Essbereich des Raumes und fachsimpeln lautstark über große schnelle Autos. Offenbar haben Einige solche Fahrzeuge, wie sie sich so etwas leisten können, verstehe ich nicht. Die Bedienung ist neu und kommt mit der Zubereitung der Speisen nicht nach. Ein Eckplatz mit Schemel zwischen den Truckern kann ich ergattern und trinke das Zuckerwasser „Cola“. Nach längerer Wartezeit nehme ich auch einen kleinen Imbiss zu mir.

Endlich bin ich aus dem Industriebereich raus und vor mir der internationale Hafen mit weiteren riesigen Frachtschiffen. Dann kann ich endlich wieder auf dem Deich entlang laufen. Mit mir sind noch noch zwei Paare unterwegs. Wir kommen an einer Zollstation unterhalb des Deiches vorbei und dann versperrt uns plötzlich ein Zaun den Durchgang. Die beiden Paare gehen brav den Deich zurück, ich laufe quer runter zum Zaun und komme so schnell zur Zollstation. Damit ich nicht noch einmal unnötige Wege laufe muss, frage ich einen Zollbeamten nach dem weiteren Weg durch das Gelände.

An einer Schleuse vorbei erreiche ich den Containerhafen von Bremerhaven. Dieser ist nach Hamburg der größte Containerhafen Deutschlands.

Nun kann ich endlich die Weser und deren Einmündung in die Nordsee vom Deich aus sehen. Ich laufe auf dem Deich entlang und habe dabei ständig den riesigen Containerhafen im Blick. Zwei der großen Containerschiffe verlassen in kurzen Abständen nacheinander den Hafen. Bei einer Bank setzte ich mich zu einem Paar und erfahre, dass sie auf das größte Containerschiff der Welt warten. Es sollte eigentlich schon gegen 15 Uhr hier, von Hamburg kommend, eintreffen und zusätzliche Beladung erhalten. Ich verstehe jetzt, warum so viele Menschen hier unterwegs sind. Das Paar glaubt aber nicht mehr an das Kommen des Schiffes.

Auf deren Empfehlung laufe ich auf dem Weg vor dem Deich. Es zunächst schön dicht an der Weser entlang zulaufen, doch mit aufkommendem Wind kämpfe ich mich mühsam voran. Nach einiger Zeit gebe ich auf und laufen über das hohe Gras zurück auf den Deich und bei einer Bank beginne ich mit der Zimmersuche. Bei der Touristeninformation erfahre ich, dass infolge des gestrigen Feiertages alles ausgebucht ist.

Mit zunehmender Dauer meiner Wanderschaft verliere ich den Überblick über Feier- und Wochentage. Es interessiert mich nicht mehr und so habe ich auch nicht mehr an diesen Feiertag gedacht. Die arbeitende Bevölkerung mag es mir bitte verzeihen, aber mich stören diese Feiertage. Es erschwert mir die Zimmersuche. Die kommenden Sommerferien werden für mich auch noch Probleme bereiten.

Ich erhalte noch eine Telefonnummer von einer Privatunterkunft, aber auch hier bekomme ich eine Absage. Dafür erfahre ich aber von einem Campingplatz bei diesem Ort. Für den absoluten Notfall werde ich es dort versuchen. Ich habe nur Bedenken, dass mein Zelt mit den kleinen Heringen nicht dem Wind Stand hält. Ich laufe weiter und werde es in Wremen direkt nochmals versuchen. Vielleicht finde ich ja vor Ort doch noch eine Bleibe.

Nach etwa zwei Kilometern erreiche ich den Ortseingang. Ein Mann kommt mit seinem Wagen angefahren und lädt gerade zwei Kisten mit Tauben aus dem Kofferraum. Zum Trainieren der jungen Tauben lässt er sie hier frei, wie er mir erklärt. Ich komme mit ihm ins Gespräch und frage schließlich auch ihn, ob er jemanden kennt, der ein Zimmer vermietet. Er kennt und ich fahre mit ihm zum Bauernhof. Der Bauer ist ein Schulfreund von ihm. Auf dem Hof angekommen, fragt er die gerade draußen arbeitende Bäuerin. Leider vermieten sie nicht mehr. Wir fahren ins Ortszentrum und er setzt mich bei einem Gasthof ab, der um 17 Uhr öffnet und vielleicht auch noch vermietet.

Da der Gasthof erst in 15 Minuten öffnet, laufe ich zu einer Pension, die der Mann mir auch empfohlen hat. Hier ist leider alles schon belegt, aber ich erhalte den Tipp von einem Landgasthaus in der Nähe. Sofort begebe ich mich dorthin. Zeitgleich mit mir treffen mehrere Biker ein und mehrere Fahrzeuge parken auf dem Parkplatz des Gasthauses. Meine Zuversicht geht gegen null. Das Restaurant ist noch geschlossen. Über den Hintereingang komme ich ins Gebäude, eine Frau ist beim Tischdecken und sie spreche ich mit wenig Hoffnung an. Statt einem: „Alles belegt“, erhalte ich die Antwort: „Ich muss mal schauen“ und ich habe Glück, ein Zimmer ist noch frei. Für das Ausfüllen der Anmeldung schnalle ich meinen Rucksack ab. Ich erstarre fast vor Schrecken, mein Navi ist nicht da. Panik kommt bei mir auf. Entweder habe ich das Navi beim Einsteigen ins Auto verloren, dann besteht wenig Hoffnung, es noch wiederzufinden oder es ist im Auto und beim Aussteigen runtergefallen.

Den Namen des Fahrers kenne ich nicht, meine einzige Hoffnung besteht nun, den Bauernhof wiederzufinden und über die Bäuerin Kontakt mit dem Fahrer zu bekommen. Ich lasse meinen Rucksack im Büro des Gasthauses zurück und laufe los. Erstaunlich, welche Reserven plötzlich noch in mir stecken, bei der Ankunft war ich müde und schlapp und nun jogge ich durch den Ort. Zunächst fehlt mir die Orientierung und ich frage mich durch nach dem anderen Gasthof. Von dort aus erreiche ich einen Bauernhof, ob es der richtige ist weiß ich nicht. Ich hatte nicht wirklich bei der Autofahrt darauf geachtet. Ich klingle, niemand meldet sich, ich rufe und schreie: „Hallo, hallo“. Der Bauerhof ist wie ausgestorben. Bei einem Hoftor betrete ich aus Verzweiflung das Grundstück und schreie weiter. Erst als ich um die nächste Hausecke komme und weiter Krach mache, erscheint ein Mann. Ich frage nach der Bäuerin. Die gibt es hier nicht, er wohnt alleine hier und weiterhelfen kann er mir nicht. Wieder auf der Straße suche ich nach einem weiteren Bauernhof. Jetzt beginnen schon die Gedanken nach einer Neubeschaffung in meinem Kopf herum zugeistern.

Ein Stück weiter an der Straße sehe ich den nächsten Hof und hoffe wieder. Beim Eintreffen sieht er aber nicht wie in meiner Erinnerung aus. Doch es ist der Richtige, ich sehe sofort die Bäuerin und erkläre ihr mein Anliegen. Sie ruft auch gleich bei dem Autofahrer an, der Sohn ist am Apparat und er will nachfragen und zurückrufen. Bange Minuten vergehen und dann kommt der Wagen auf den Bauerhof. Mein Navi liegt noch auf dem Rücksitz. Ende gut, alles Gut! Ich bedanke mich und gehe erleichtert zu meiner Unterkunft zurück. Ich benötige jetzt ein gutes Abendessen auf den Schreck!

Das Zimmer ist sehr geschmackvoll eingerichtet und um 19 Uhr genieße ich ein Spargelgericht. Das Essen ist vorzüglich und der Landgasthof „Wremer Deel“ einen echten Tipp wert. 

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