Lubmin – Zinnowitz 25,8 km
Heute frühstücke ich bereits um 6 Uhr. Danach stelle ich meine heutige Route neu zusammen. Die letzten beiden Berichte mit den Bildern kann ich wieder nur mit erschreckend lahmer Geschwindigkeit hochladen. Nach den Wettermeldungen sind auch für heute Abend weitere Regenschauer angesagt. Als heutiges Etappenziel habe ich Zinnowitz auf der Insel Usedom festgelegt. Dann suche ich im lahmen Internet nach Unterkunftsmöglichkeiten in Pensionen oder Hotels. Beim ersten Versuch über eine Zimmervermittlung ein Zimmer zu finden, geht gehörig daneben. Es gibt momentan keine freien Zimmer mehr, ich soll es noch über die Kurverwaltung versuchen. Nach mehreren Anläufen erreiche ich die Kurverwaltung und dort ist genau noch ein freies Zimmer registriert. Die Buchung im Hotel klappt ebenfalls problemlos. Inzwischen regnet es leicht.
Ich starte wieder sehr spät, aber auch das Warten hat nichts gebracht, es regnet immer noch. Zunächst habe ich nur die Regenhaube über den Rucksack und eine Jacke an. Der Ort ist schnell durchschritten und im Wald, auf dem Weg zu meiner gestern ausgearbeiteten Route, tausche ich dann doch Jacke gegen Poncho aus. Angekommen bei der Landstraße hat es sich richtig eingeregnet. Auf dem Radweg begegnen mir nur wenige Radler. Bei den mir entgegen kommenden Personen schaue ich nur in gequälte Gesichter. Sie haben sich ihren Urlaub wohl auch anders vorgestellt.
Bei Erreichen eines Industriegebiets, hier muss auch das stillgelegte Kernkraftwerk Greifswald sein, hört der asphaltierte Radweg auf. Jetzt beginnt ein unbefestigter breiter Randstreifen. Ständig versperren mir große Wasserlachen den Weg und ich bewege mich wie im Slalom daran vorbei. Auch auf der Straße haben sich durch den kräftigen Regen große Wasserflächen gebildet. Immer wieder werde ich von den ach so rücksichtvoll rasenden Autofahrern geduscht. Nur bei einigen extremen Duschen verliere ich dann doch wieder meine Gelassenheit und brülle hinterher. Genau wissend, es bringt nichts, doch ich muss einfach Dampf ablassen. Der Industriekomplex ist für mich als Wanderer riesig und nicht enden wollend. Dann doch an dessen Ende habe ich wieder einen ordentlichen Radweg bis kurz vor Spandowerhagen. Hier endet er abrupt und auch die Straße wechselt in einen, zum Teil beschädigen, Betonbelag. Auf dem Randstreifen neben der Straße könnte ich durchaus laufen, wenn sich dort nicht ein kleiner Bach gebildet hätte. Auch auf dieser schmalen Straße duschen mich wieder einige Autofahrer.
Der kleine Ort ist schnell durchquert und nach etwa zweihundert Metern gibt es wieder einen Radweg. Die Straße ist hier erneuert worden. Jetzt gibt es keine Wasserlachen mehr und die rasenden Autofahrer lassen mich in Ruhe. Der Regen prasselt unaufhörlich auf mich ein. Es regnet Bindfäden. Vom Schirm meiner zerknitterten Ponchokappe tropft es unaufhörlich vor meinem Gesicht, die Kunststoffärmel liegen kalt und unangenehm wirkend auf meinen freien Unterarmen. Der untere Teil meiner Hose ist klatschnass und ich hoffe, dass nicht auch noch meine Strümpfe und Schuhe in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann erreiche ich endlich Freest. Unter einem Bushaltestellenhäuschen steht ein Radlerpaar, das mich unterwegs überholt hat. Die Frau ruft mir mit erhobenen Daumen zu: „Sie haben aber ein ordentliches Tempo drauf.“ Ohne Regen hätte ich mich gerne unterhalten, jetzt aber steht mir nicht der Sinn nach Kommunikation und so winke ich nur und laufe weiter.
Weiter im Ort kommt mir eine Pfadfindergruppe entgegen. Die Jungen, 14 Jahre alt, machen keinen glücklichen Eindruck, das Wetter ist ihnen wohl aufs Gemüt geschlagen. Ein paar Worte wechseln wir und dann gehe ich in Richtung Fähre weiter. Der kleine Fischerhafen ist schnell erreicht, etliche Fischkutter haben nach dem Fang wieder festgemacht und die Fischer sind beim Säubern der Decks. Ich muss den Hafen komplett umrunden, um an den Anlegeplatz der Personen- und Radfähre zu gelangen. Pech gehabt! Ich habe die Fähre um zehn Minuten verpasst, sie fährt nur jede Stunde und so kehre ich im nahe gelegenen Hafenrestaurant ein.
Rechtzeitig vor Ankunft sitze ich im Poncho auf einer Bank vor der Anlegestelle und pünktlich legt die Fähre an. Mit mir geht eine Mutter mit ihren beiden Töchtern, die Räder schiebend, aufs Deck. Wir sind bei dieser Fahrt die einzigen Passagiere. Die Fahrt dauert nur ca. 15 Minuten. Am Hafen von Peenemünde liegt ein altes russisches U-Boot. Alles hier wirkt grau und Triste. Vorbei geht es an einem renovierungsbedürftigen Plattenbau und weiteren alten Gebäuden. Dann nach dem einzigen renovierten Gebäude mit Pension biege ich zum Deich zur Festlandsseite ab.
Der nun hinter dem Deich verlaufende Schotterweg ist voller Wasserlachen und wieder bin ich beim Slalom. Oben auf dem Deich kommt mir eine junge Frau in Sportkleidung entgegen und sofort frage ich sie nach dem Zustand des Weges. Es gibt dort keinen, sie läuft durchs nasse Gras. Ich bleibe bei meinen Pfützen und Wasserlachen. Nach einiger Zeit sehe ich vor einer Biegung das Dach eines kleinen Schutzhäuschen vor mir und werde dort meine erste Pause machen. Als ich die Schutzhütte erreiche, sind bereits zwei junge Männer anwesend. Sie frühstücken gerade. Ich kann mich dazu setzten und erhalte ein mit Frischkäse belegtes Brot. Wir sind schnell im Gespräch.
Beide kommen von Görlitz und sind den Oder-Neiße-Radweg bis nach Usedom gefahren. Sie fahren noch bis Rügen, wenn ich es richtig verstanden habe. Zum Abschied machen wir noch ein paar Fotos.
Regen, Regen, Regen. Wieder prasselt er auf mich nieder und die Wasserlachen werden größer. Inzwischen stapfe ich mit nassen Strümpfen und Wasser in den Schuhen im Slalom um die riesigen Pfützen. Dann erreiche ich einen Ort und laufe vorbei an einem Campingplatz. Die asphaltierte Straße ist mit vielen riesigen Wasserlachen bedeckt. Nur schmale trockene Streifen ermöglichen mir das Vorbeilaufen. Statt einmal kurz zu warten, bis ich eine Lache passiert habe, fahren einige Fahrzeuge an mir vorbei. Die damit ausgelösten Wasserwellen ergießen sich über meine Schuhe. Diesen Autofahrern hat die Sonne der vergangenen Tage nicht nur die Haut verbrutzelt, sondern auch ihr Hirn!
Nach dem Ort bin ich wieder alleine im Wald. Aber auch die schmalen Waldwege sind mit vielen Pfützen übersät. Ich stapfe öfters großräumig, über Äste und Zweige hinweg, um diese Hindernisse zu umgehen. Dabei nehme ich durchaus eine wunderschöne Waldlandschaft wahr, doch der Sinn steht mir jetzt nicht nach Fotografieren. Ich muss mich zu sehr auf den nassen und matschigen Weg konzentrieren. Ich will endlich ankommen!
Endlich hat es aufgehört zu regnen. Jeder Schritt bei mir ist inzwischen hörbar. Im nun letzten Waldstück vor Zinnowitz treffe ich einige Spaziergänger. Ich hebe mich mit dem Poncho deutlich von den anderen ab. Dabei schaue ich immer wieder in die Gesichter dieser Leute. Die Mimik reicht von Grinsen und auf der Stirn geschrieben: „Was für ein Irrer ist denn da unterwegs“ bis zu einem mitleidigen Blick und: „Oh, der Arme ist bei diesem Hundswetter unterwegs.“ Mit der Betrachtung der Leute vergesse ich für kurze Zeit meine Anstrengungen. Auf Usedom bin ich, bis auf die Pause mit den beiden Radlern aus Görlitz, durchmarschiert.
Das letzte Stück zum Hotel wird zum Geduldsspiel. Mein Navi zeigt mir einen Weg an, der mir aber durch einen Zaun versperrt wird. Ich muss lange Zeit hinter einem Campingplatz entlang laufen und entferne mich deutlich vom Ziel. Gut, das ich das Ziel bereits in meiner geplanten Route gespeichert habe und so kann ich mich schnell wieder dem Ziel nähern. Dann endlich habe ich das Hotel erreicht. Als ich mich im Zimmer ausziehe, stelle ich fest, alles ist komplett nass. Die Strümpfen, die Hose und das T-Shirt wringe ich Waschbecken aus. Eine schmutzige Brühe ergießt sich ins Waschbecken. Ich habe Zweifel, ob alles bis Morgen trocken wird. Meine Schuhe stopfe ich mit dem wenigen Zeitungspapier aus. Meine Füße sind total verschrumpelt und an einigen Stellen leicht wund. Neue Blasen gibt es glücklicherweise aber nicht.
Ich versuche meinen Bericht zu schreiben, doch ich breche vor Müdigkeit ab. Auch ein Versuch ins Internet zu kommen scheitert kläglich. Es reicht für heute!