Bansin – Bellin 27,9 km
Das Hotel verlasse ich bei bewölktem Himmel, es ist aber noch trocken. Angesagt sind noch Schauer für heute. Zunächst geht es immer runter zur Strandpromenade. Jetzt verstehe ich, warum die Straße Bergstraße heißt. Als ich auf der Strandpromenade angekommen bin, sind mir zu viele Menschen dort unterwegs.
Die Promenade ist fein säuberlich in Rad- und Fußweg getrennt. Die Radfahrer sind noch in der Mehrheit. Plötzlich bin ich eingekeilt zwischen Radfahrern in beiden Richtungen. An die Trennung von Rad- und Fußweg hält man sich nicht. In einem freien Moment weiche ich an den linken Rand des Fahrradweges aus. Doch das hätte ich nicht tun dürfen. Eine Frau ruft mir ärgerlich entgegen: „Geh auf den Fußgängerweg, du Blödmann.“
Je näher ich Heringsdorf komme, erledigt sich alles wie von selbst. Nun umgeben mich Heerscharen von Spaziergängern oder zum Strand eilende Badegäste. Nun bin ich unter Gleichgesinnten J. Jetzt ist auf dem Fußgängerweg kein Platz mehr für Radfahrer. Mir werden die Fußgänger zu viel, immer wieder muss ich abbremsen, warten oder überholen.
Wie an einer Schnur gefädelt, stehen prachtvolle alte Villen an der Strandpromenade. Nur noch vereinzelte alte Gebäude erinnern an andere Zeiten. Für Bade- und Kurgäste haben die Seebäder Bensin, Heringsdorf und Ahlbeck sicher viel zu bieten. Zum Fotografieren ist mir bei all den vielen Menschen jedoch die Lust vergangen und ich will nur noch entfliehen.
Fast am Ortsende von Ahlbeck mache ich dann meine erste Pause. Danach geht es weiter durch den Wald. Meine Hoffnung nach nun weniger Menschen zerschlägt sich schnell. Zwar sind jetzt weniger Spaziergänger unterwegs, doch die Radfahrerkolonnen nehmen nicht ab.
Die deutsch-polnische Grenze ist ganz unspektakulär. Ein Edelstahltorbogen mit den Namen beider Staaten und in beiden Sprachen, zeigt die Grenze an. Die Öffnung des Bogens zeigt in Richtung des Strandes und so durchschreite ich ihn auch und laufe auf einem hölzernen Steg dorthin. Menschen beider Nationalitäten begegnen mir. Nach den Stimmen zu urteilen, überwiegt hier jedoch die deutsche Sprache.
Der Strand an der Grenze ist fast leer, erst in mehreren Hundert Metern Entfernung auf polnischer Seite sehe ich viele Badegäste. Ich komme mir hier wie im Niemandsland vor. Nach diesem Ausflug zum Strand geht es zurück und nach dem Torbogen laufe ich gemäß Navi weiter geradeaus. Hier geht oder fährt niemand mehr. Es ist nur undeutlich der Weg zu erkennen. Einige Fußspuren im Sand zeigen mir, dass hier gelegt Menschen entlang laufen. Zwischen zwei Betonpfostenreihen verläuft ein Hohlweg. Etliche Betonpfosten sind stark angeknabbert vom Zahn der Zeit und stehen oder liegen ohne Zaun verloren in der Landschaft. Hier war wohl tatsächlich früher einmal Niemandsland zwischen den Grenzen. Am Ende des etwa 700-Meter-Sandweges gelange ich zu einem ehemaligen Grenzübergang. Noch aus der Ferne sieht dieser ehemalige Grenzposten unwirklich aus. Doch als ich ihn erreichen, sind die Symbole einer Staatsgrenze deutlich sichtbar. Auf deutscher Seite steht ein Zollfahrzeug und zwei Beamte stehen beobachtend davor. Ein Stück weiter Imbissbuden und ein paar Verkaufsstände.
Ich tanke hier erst einmal auf und mit dem Blick auf die Uhr ist meine Ruhe vorbei. Die letzte Fähre von Kamminke fährt um 16:10 Uhr und jetzt ist es 14:15 Uhr. Leider hatte ich vergessen, die Länge zur Fähre zu ermitteln. Ich weiß nur, es liegen noch einige Kilometer vor mir.
Dann beginnt ein Wettrennen mit der Zeit. Ich laufe durch den Wald – es ist ein Auf und Ab -, komme durch einen Ort, laufe wieder am Meer entlang – zur Festlandsseite – und erreiche vor Kamminke einen Campingplatz. Im Ort geht es dann zunächst steil runter zum Hafen und diesen erreiche ich kurz vor 16 Uhr. Als ich bei einem Imbiss nach der Anlegestelle frage, erhalte ich die Antwort: „Es ist noch viel… Zeit, noch ist das Schiff nicht da und dann muss erst einmal entladen werden.“
Bei der Auswertung der GPS-Daten stelle ich später fest, es waren 12,2 km und meine Geschwindigkeit bewegte sich zwischen 6 – 7 km/h. Unterwegs musste ich zwei Verschnaufpausen einlegen. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 6 km/h.
Ich sitze auf der Kaimauer und sehe schon von Weitem das herannahende Fährschiff. Als es anlegt, dauert es tatsächlich. Viele Fahrräder müssen entladen, dann das vom Rad entfernte Gepäck herausgebracht werden. Erst dann steigen die letzten Fahrgäste aus. Es ist ein munteres Treiben zwischen ankommenden und abreisenden Menschen an der Anlegestelle. Im Schiff erhalte ich die klare Ansage, der Rucksack darf nicht im Fahrgastraum auf die Bank gestellt werden. Im überdachten Außenbereich kann ich den Rucksack jedoch abstellen und dort bleibe ich dann auch.
Die Überfahrt durchs Haff nach Ueckermünde dauert etwa 80 Minuten. Zuletzt geht es auf der Uecker zum Stadthafen von Ueckermünde. Hier setzte ich mich erst einmal auf eine Mauer und beginne mit der Übernachtungssuche. Glücklicherweise habe ich wieder Empfang. Der Campingplatz kommt heute nicht infrage, außer ich finde nichts. Er liegt definitiv in falscher Richtung. Noch etwas weg von Ueckermünde, aber auf meiner Route gelegen, ist die Jugendherberge. Hier rufe ich an und erhalte die Antwort, dass ich kommen kann.
Auf meinem Weg nach Bellin zur Jugendherberge komme ich an einem Asia-Imbiss vorbei. Hier mache ich für mein Abendessen Rast. Wieder bietet ein Asia-Imbiss eine reichhaltige Auswahl an nicht Asiatischem, mit Döner, Currywurst etc.
Beim Essen springt mir die Werbung mit Büroräume ab 99 € pro Monat ins Auge. Hier muss viel Bürofläche leerstehen!
Ein kleiner Junge mit Hütchen und Trompete empfängt mich vor der Jugendherberge. Er bekommt schon deutliche Töne aus dem Instrument. Schon fast entschuldigend erhalte ich ein Notbett im Seminarraum und Spielezimmer. Als ich eintrete, bin ich überrascht. Was hier als Notbett bezeichnet wird, ist ein normales Bett und nicht ein übliches Jugendherbergsbett. Noch zwei weitere Betten stehen im Raum. Der Raum ist groß, eine Sitzecke mit Tisch und Stühlen und zusätzliche Sessel mit Tisch sind vorhanden. Ich bin noch alleine und habe dieses Reich für mich. Wenn ich so noch öfters in Jugendherbergen untergebracht würde, ich hätte nichts dagegen.
Etwas später komme ich im Büro noch mit dem Leiter der Herberge ins Gespräch und er gibt mir noch ein Weizenbier aus. Einige Zeit in meiner Suite versuche ich noch zu arbeiten, doch das Bier und die Anstrengung machen mich müde.
Lieber Werner,
habe eben Deinen letzten Reisebericht gelesen. Alles sehr spannend; aber es klingt auch nach genügend Stress.
Viel Spaß auf dem Weg nach Süden.
LG Harald