123. Etappe: 25. August 2013

Kloster St. Marienthal ‐ Zittau  22,4 km

Beim Frühstück treffe ich Herrn S. wieder und er berichtete mir, dass er bereits oberhalb des angrenzenden Weinbergs den Sonnenaufgang erlebt hat. Während unserer Unterhaltung erzähle ich ihm von meinen nächsten Etappen und erhalte den Ratschlag ab Zittau an dem kleinen Fluss Mandau entlang nach Großschönau zu laufen. Spontan ändere ich nach dem Frühstück meine Route ab Zittau. Da sie kürzer ist als zuvor, entschließe ich mich nur bis Zittau zu laufen und habe so noch Zeit auch diese Stadt und das große Fastentuch zu besichtigen.

Der Oder-Neiße-Radweg führt durch das Kloster und so bin ich ohne Navigieren sofort auf meiner heutigen Etappe und direkt wieder an der Neiße. Der Tag verspricht gut zu werden, der blaue Himmel ist schon da und auch die Sonne scheint bereits. Nur der leichte Wind ist noch etwas kühl. Mein Weg führt unmittelbar neben der Neiße entlang. Das Tal hier ist schmal zwischen Bergen und Hangwald gelegen. Von der Sonne bekomme ich nur wenig mit, ich laufe meistens unter einem Dach aus Blättern. Nur in Klosternähe begegne ich Spaziergänger, weiter entfernt treffe ich nur noch auf wenige Radwanderer. Bei einem Neißebogen nutze ich eine frei stehende Bank und lasse mich ein bisschen von der Sonne verwöhne. Dabei beobachte ich ein paar Schlauchboote, die bei Erreichen des Neißebogens Schwierigkeit haben diesen zu umsteuern. Mit ihnen wird die himmlische Ruhe durch Lachen für Momente unterbrochen.

Weiter geht es, und so in Gedanken versunken, wird plötzlich die Stille von einem dumpf grollenden Geräusch unterbrochen. Auf mich zukommend erkenne ich jedoch nichts. Dann ist es unmittelbar neben mir und nun sehe ich auf polnischer Seite etwa 15 Meter oberhalb des Ufers, verdeckt durch Bäume, einen vorbei fahrenden Güterzug. Erkennen tue ich nur einzelne farbige Waggons. Kurz danach habe ich wieder meine Ruhe.

Schon seit einiger Zeit beobachte ich die milchige Trübung der Neiße. Es sieht mir wie mitgespüler Schlamm aus. Ob es noch von dem Hochwasser herrührt und von den Nebenarmen der Neiße stammt?

In Rosenthal mache ich eine größere Pause im Schatten von einem Sonnenschirm. Es ist inzwischen heiß geworden. Nach Rosenthal erreiche ich schnell den Ort Hirschfelde. Hier treffe ich auf viele Fachwerkhäuser und die haben eine mir unbekannte Bauform. Die charakteristische Form dieser Häuser sind die Rundbögen aus massiven Holzbalken, auf die das Haus zu stehen scheint. Man nennt diesen Haustyp Umgebindehaus, wie ich später erfahre.

Nähere Erläuterungen im folgenden Etappenbericht von Etappe 124.

Nach Hirschfelde führt mich der Radweg an der B99 entlang und etwa sechs Kilometer vor Zittau mache ich in einem Buswartehäuschen eine Pause. Suche gerade nach Unterkunftsmöglichkeiten in Zittau, als plötzlich ein Radfahrer abrupt anhält. Es ist mein Gesprächspartner, Herr S. aus dem Kloster. Er hat heute eine über 40 Kilometer lange Tour durch Polen und Tschechien gemacht und ist gerade auf dem Rückweg zum Kloster. Wir unterhalten uns noch kurze Zeit. Dabei ziehen dunkle Wolken über uns auf. Wir hoffen beide, das sie sich uns keinen Regen bringen und ziehen wieder unseres Weges.

Schnell habe ich den Stadtrand von Zittau und schließlich auch den Stadtkern erreicht. Noch viele der durchaus schönen Gebäude sind in einem schlechten Zustand. Seitdem ich den Stadtkern erreicht habe, schaue ich mich nach einer Unterkunft um. Leider, außer einem Hinweis auf ein teures Hotel, sehe ich nirgends einen Gasthof mit Zimmer, noch eine Pension oder Privatzimmer. Am Markt gehe ich daher in ein Café und frage dort nach. Hier zeigt man mir genau gegenüber auf eine Pension. Ich bin vorher daran vorbei gelaufen und habe sie nicht erkannt. Also rüber zur Pension. An der Hausklingel schelle ich, doch niemand reagiert. Dann betrete ich durch die offene Straßentür einen großen überdachten Eingangsbereich und sehe sofort das Pensionsschild. Betrete den Hausflur und klingele erneut im ersten Geschoss, doch wieder keine Reaktion und so gehe ich in die nächste Etage. Dort kommt mir ein junger Mann entgegen. Er ist der Zimmerwirt und betreibt diese Pension erst seit Kurzem. Ich erhalte ein großes Zimmer. WC und Bad sind über den Etagenbereich in unmittelbarer Nähe vom Zimmer erreichbar. Beide sind in einem hervorragenden Zustand.

Ich unterhalte mich einige Zeit mit ihm und trete dann ohne Duschen und Umziehen, noch leicht verschwitzt, eine Stadtbesichtigung und vor allem die Besichtigung des großen Fastentuches an. Aus Zeitgründen gehe zunächst zum Fastentuchmuseum.

Untergebracht ist das große Fastentuch in der Kirche zum Heiligen Kreuz. Es ist von beeindruckender Größe mit seinen Abmessungen von 8,20 x 6,80 Meter. Es stellt eine riesige Bilderbibel mit 90 Szenen dar. Das Fastentuch ist einzigartig in Deutschland und auch von europäischem Rang.

Fastentücher verhüllten bereits um 1000 Altäre, Reliquien und Bilder. Sie wurden in der vorösterlichen Zeit aufgehängt und sollten den Blick auf das Allerheiligste verwehren. Man nannte diese Tücher auch Hungertücher oder Schmachtlappen.

Von der Eingangskasse erreicht man die Kirche über einen sehr alten Friedhof. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Viele der alten Grabsteine zerfallen langsam. Als ich die Kirche betrete, erfüllt das Fastentuch eindrucksvoll und dezent beleuchtet den Kirchenraum. Ich habe Glück und kann einer Audiovorstellung über die Geschichte dieses Tuches fast von Beginn an folgen.

Das kleine Fastentuch, an einem anderen Ort in Zittau untergebracht, kann ich leider nicht mehr sehen. Das Museum ist bereits geschlossen. Ich umrunde fast die gesamte Altstadt und finde einige schöne wiederhergestellte Gebäude. Doch hier in Zittau ist noch sehr viel zu tun, um den vorhandenen Bestand an interessanten Gebäuden wieder im alten Glanz erstrahlen zu lassen.  

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