Zittau – Großschönau 20,6 km
Ein Frühstück gibt es in der Pension nicht. Das ist aber kein Problem, denn genau gegenüber ist eine Bäckerei und dort kehre ich ein. Danach heißt es den Fluss Mandau, ein Nebenfluss der Neiße, zu finden. Vom Marktplatz aus laufe ich durch eine schmale Gasse, sie ist nicht in meiner Navikarte eingezeichnet. Dabei geht es vorbei an einigen im schlechten Zustand befindlichen Gebäuden. Hier ist noch viel zu tun. Ein bisschen kommt es mir vor, wie wenn die Zeit hier stehen geblieben ist.
Schließlich erreiche ich den Olbersdorfer See, ehemals ein Braunkohle-Tagebauabbruchgebiet, und durchlaufe dort einen Park. Kurz vor Hörnitz bin ich dann an der Mandau. Sie wirkt eher wie ein Bach und nicht wie ein Fluss. Ich folge ihr, doch mein Weg verlässt in Hörnitz wieder die Mandau. Ein Schild weist auf den Naturpark Zittauer Berge hin. Am Ortsrand komme ich an mehreren Pflaumenbäumen vorbei. Der letzte Baum, eher noch ein Busch, trägt viele reife Früchte. Hier kann ich nicht widerstehen und nasche alle erreichbaren Pflaumen. Nach Hörnitz führt mein Weg wieder zur Mandau. Hier sieht sie endlich wie ein Flüsschen aus, ist höchsten knietief und durchzogen mit Kiesbänken und im Flussbett verstreut immer wieder größere Steine.
Erst als ich Mittelherwigsdorf verlasse, wird die Flusslandschaft schöner. Noch einmal entferne ich mich auf einer Straße vom Fluss. Tauche ein in ein Waldgebiet und folge einem schmalen teilweise zugewachsenen Waldpfad. Die Mandau ist jetzt wieder unmittelbar neben mir. Die Umgebung mit der Mandau wird Zusehens idyllischer. Am Ende des Waldes durchlaufe ich eine Kräuterwiese mit Blick auf eine Brücke und dem Ort Hainewalde. Wenig später komme ich am Schlosspark mit dem mächtigen Schloss im Hintergrund vorbei.
Das Schloss stammt aus dem 17. Jh. und war der Herrensitz der sächsischen Herrschaften v. Kanitz und Kyaw. Aus einem Bauerndorf wurde mit dem Bau des Schlosses und einer Vielzahl weiterer Gebäude das „Sanssouci der Lausitz“.
Leider ist heute keine Öffnungszeit und so gehe ich weiter an der Mandau entlang und durchschreite den lang gezogenen Ort. Bei einer Weggabelung folge ich dem bergauf führenden Weg bis zur Kirche, erbaut 1711. Im dortigen Friedhof steht die imposante herrschaftliche Gruft aus dem Jahre 1715.
Wieder am Fluss sehe ich auf der anderen Seite einen Getränkemarkt mit der Anzeige in den Fenstern: Getränke, Lebensmittel und Baumarkt. Bei der nächsten Brücke wechsel ich die Flussseite und gehe zurück zum Markt. Im Laden treffe ich auf eine nette Verkäuferin und ich kann auf einem Stuhl im Markt, um mich rum Regale und Getränkekisten, meine Imbisspause machen. Von der Verkäuferin erfahre ich, dass die dort verkaufte Limonade aus eigener Herstellung in Hainewalde stammt.
Seit 1899 wird die Menschel-Limonade nun schon in vierter Generation hier hergestellt. Es gibt vom Mineralwasser bis zur Menschel-Cola ein breites Sortiment an Getränken.
Während meiner Pause beobachte ich ein bisschen das Treiben im Markt. Die Verkäuferin scheint sehr beliebt bei den Menschen des Ortes zu sein. Bei einer alten Frau öffnet sie kurzerhand den abgepackten Kartoffelsack und verkauft davon abgewogen eine Teilmenge.
Dann geht es weiter. Es ist warm geworden und die Sonne scheint recht kräftig. Immer öfter komme ich an Umgebindehäusern vorbei. Viele von ihnen sind teilweise oder komplett renoviert. Sie machen mich neugierig und ich möchte mehr davon erfahren. Dann sehe ich einen Mann neben einem wohl vor kurzem erst renovierten Umgebindehaus. Das ist meine Chance und ich spreche ihn an.
Sein Haus wurde tatsächlich erst vor Kurzem renoviert. Es ist etwa 450 Jahre alt. Er ist im Besitz einer alten Urkunde, in dem ein damaliger Verkauf eingetragen ist. Ich darf das Haus auch im Inneren fotografieren. Er führt mich vom Flur in einen Raum und dort sieht man noch die alten Schiebeladen vor den Fenstern. Auch kann man die Querbalkenwände des baulich vom übrigen Gebäude losgelösten Erdgeschosses sehen. Draußen bei den ausgestalteten Rundbögen wurden damals keine Nägel, sondern Holzdübel verwendet. Diese wurden auch wieder bei der Renovierung einsetzt.
Die Schieferplattenverkleidung des Obergeschosses wurde zu späterer Zeit vorgenommen. In der Gegend gibt es keinen Schieferabbau. Jedoch wurden früher hier in der Gegend Sandstein-Mühlsteine hergestellt und nach dem Transport dieser Mühlensteine wurde der Schiefer auf dem Rückweg nach hier importiert.
Das Umgebindehaus ist ein besonderer Fachwerkhaustyp. Das heutige Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Niederschlesien, Oberlausitz, Nordböhmen bis ins Elbsandsteingebirge.
Es besteht eine bauliche Trennung des Erdgeschosses mit dem Obergeschoss und dem Dachgeschoss. Das Obergeschoss und der Dachstuhl ruhen auf längs verlaufende Balken. Diese wiederum werden von einem Stützsystem von Ständern (senkrecht verlaufende Balken) rund ums Haus getragen. Der Raum zwischen den Ständern wird durch Rundbögen ausgestaltet. Der gesamte Erdgeschossbereich ist baulich getrennt. Der Grund für diese besondere Ausführung liegt in der damit fehlenden Schwingungsübertragung. Denn entwickelt wurde dieser Haustyp für Weber. Im Erdgeschoss standen die Webstühle und im Obergeschoss, in der Blockstube, war der Wohnbereich.
Ich bin bereits bei der Besichtigung des Umgebindehauses am Rande von Großschönau. Noch geht es weiter an der Mandau entlang. Und hier komme ich an einer größeren Flussbaustelle vorbei. Wie schon an der Neiße ist hier die Mandau vom Schlamm der Baustelle getrübt. Daher vermute ich, dass die Trübung der Neiße während der Flussbettänderung verursacht wurde. Die Mandau fließt bei Zittau in die Neiße, die wiederum in die Oder und ich sah die Trübung auf dem Weg nach Zittau.
Der Weg weiter zum Ort ist geprägt von vielen schönen Umgebindehäusern. Sie stehen beiderseits der Mandau. Auf den letzten zwei Kilometern zum Gasthof verlasse ich leider den schönen Teil von Großschönau. Meine Pflaumen vom Mittag machen sich immer mehr bemerkbar und mein Schritt wird deutlich schneller. Schließlich erreiche ich den Gasthof, meine heutige Unterkunft.