128. Etappe: 30. August 2013

Neustadt in Sachsen – Weißig
Distanz: 28 km; Aufstiege: 621 m; Abstiege 708 m

Nach dem Frühstück versuche ich verzweifelt eine Unterkunft in Rathen zu bekommen. Es ist Wochenende und zusätzlich gibt es eine Aufführung in der Felsenbühne Rathen. Ein Zimmer für 150 € kann ich sofort buchen. Ich verlagere meine Suche auf die linkselbische Seite. Auch hier in Oberrathen ist alles ausgebucht. Schließlich finde ich in einem Hotel im nächsten Ort Weißig ein Zimmer. Normalerweise zeigt das Hotelpersonal erst das Zimmer. Es hat kein Fön und keine Minibar, aber das Bad wäre groß. Auf Fön und Minibar kann ich problemlos verzichten, brauche ich nicht! Und so buche ich blind dieses Notzimmer im Dachgeschoss, auch wenn es nicht ganz billig ist.

Mein Weg führt quer durch Neustadt auf kleinen Straßen und teilweise an der Spree entlang. Immer noch ist die Spree mehr Bach als Fluss. Bis nach Polenz bewege ich mich in einem Tal. Im Ort komme ich mit einem älteren Mann ins Gespräch. Er mäht gerade mit einer Sense einen Randstreifen seines Grundstücks. Früher habe er das gesamte Gelände mit der Sense gemäht, heute schafft er das nicht mehr, berichtet er mir. Wir unterhalten uns noch eine Weile und dann verabschiede ich mich und es geht weiter. Ab Ortsrand von Polenz beginnt die erste heftige Steigung. Die Sonne scheint kräftig und ich komme heftig ins Schwitzen. Um mich herum eine sanft hügelige Landschaft, meistens abgeerntete Getreidefelder oder Weiden, aber auch Maisfelder beiderseits des Weges. Ich bin völlig alleine unterwegs, wieder ist es himmlisch ruhig. In der Ferne erkenne ich eine Straße und Autos erscheinen mir wie Spielzeuge.

In Cunnersdorf wechsele ich auf eine wenig befahrene Kreisstraße und kurz vor Hohnstein kehre ich in einen Gasthof mit Pension ein. Komme schnell mit dem Wirt über Wanderwege in der Sächsischen Schweiz ins Gespräch. Meinen heutigen Weg beschreibt er als schwierig und teilweise steil, aber schön. Da er wenig später schließen möchte, darf ich mich auf der Terrasse noch hinsetzen. Dabei rät er mir, über sein Grundstück hoch zu einem kleinen Pfad zu steigen und von dort nach Hohnstein zu laufen. Ich hätte dort einen grandiosen Ausblick auf die Burg und den Ort.

Nach dem Übertragen einer fehlenden GPS-Route auf mein Navi steige ich über das Gasthausgrundstück einige Meter hoch auf einen schmalen Waldpfad. Diesem folge ich in Richtung Hohnstein und tatsächlich hoch über den Ort habe ich schließlich einen grandiosen Ausblick. Am Ende des Pfades steige ich über eine Treppe runter in den Ort. Durchquere den Ort, bin noch eine Weile auf einem Wirtschaftsweg unterwegs und erreiche schließlich den Malerweg.

Der Malerweg ist ein 112 Kilometer langer Wanderweg durch das rechts- und linkselbische Sandsteingebirge der Sächsischen Schweiz. Der Weg ist mit Namen wie Adrian Zingg, Anton Graff oder Caspar David Friedrich verbunden. Er gehört zu den schönsten Wanderwegen Deutschlands. Die Beschilderung ist ausgezeichnet und man kann die schönsten Plätze der Sächsischen Schweiz darauf erwandern.

Kaum tauche ich ein in die Waldlandschaft des Malerweges, bin ich schon mittendrin im Elbsandsteingebirge. Vorbei geht es an Sandsteinblöcken, rundgeschliffen und häufig bemoost oder durchlöchert wie ein Sieb. Sie liegen am Wegesrand, am Steilhang oder in der Schlucht und sind von von beeindruckender Größe. Zwar kreuzen häufig Wurzeln und Steine meinen Weg, doch gibt es auch freie Stellen mit schwingendem Waldboden. Hier zu Laufen ist herrlich. Der Weg schlängelt sich am Berghang entlang und auf der anderen Seite an tiefe Schluchten vorbei.

Unterwegs sehe ich gegenüber der Schlucht gewaltige Felsentürme und die werde ich wahrscheinlich noch passieren. Dann der große Halben, ein bedeutender Klettergipfel mit schwierigen Aufstiegsmöglichkeiten. Wenig später ein Hinweisschild zur Gautschgrotte. Der dorthin führende Weg ist unscheinbar und nicht sofort erkennbar. Ich gehe zu dieser Grotte. Im Zentrum dieser Grotte ist bereits eine Gruppe. Über der Gruppe bilden gewaltige überhängende Felsmassive die Grotte.

Weiter geht es und ich komme an eine Abzweigung nach Hohnstein vorbei. Dort will ich nicht wieder hin und so bleibe ich auf dem Malerweg. Schließlich erreiche ich die zuvor schon gesehenen Felsmassive. Doch ein Blick auf mein Navi, eher nur ein Kontrollblick, verrät mir, ich bin schon einige Zeit nicht mehr auf meiner Route. Verstehen tute ich es nicht, denn eine Abzweigung habe ich nicht gesehen. Eine Alternative habe ich allerdings hier auch nicht, also zurück. Unterwegs kommt mir die Gruppe von der Grotte entgegen. Ich frage den jungen Führer und erfahre dabei, dass ich wohl eine Treppe abwärts übersehen habe. Schließlich erreiche ich diesen Treppenabgang zum Schindergraben. Es geht über Holz- und Steinstufen oder Felsensteine und Schrägen runter in den Graben. Einmal überquere ich auch den dahin fließenden Bach mit einer kleinen Holzbrücke. Die Landschaft ist hier atemberaubend und wildromantisch! Am Ende des Abstiegs überquere ich nochmals einen nun breiteren Bach und erreiche das Polenztal mit einem Ausflugslokal.

Schon kurz danach erreiche ich eine Lichtung und vor mir ein Buffet, hergerichtet auf Baumstämmen, darauf ausgebreitet eine weiße Tischdecke mit Obst, Gemüse, Wurst und Käse. Daneben ein kleiner Tisch und eine Frau gerade beim Zusammenräumen. Ich kann es mir nicht verkneifen und spreche sie an: „Oh wie schön, dass sie für mich einen Imbiss zubereitet haben.“ Und tatsächlich, die Frau lädt mich ein, davon zu essen. Bietet mir auch Rotwein an. Doch den lehne ich schweren Herzens ab und trinke lieber das vorhandene Mineralwasser.

Das Buffet war natürlich nicht für mich aufgebaut, sondern bildete den Abschluss des heutigen Tages für eine Seminargruppe, die ein Teamfähigkeitstraining absolvieren. Auch ist das Buffet bereits ordentlich abgeräumt, doch für mich gibt es noch genug zum Essen. Die nette Frau ist die Organisatorin für dieses Training und kennt sich hier in der Sächsischen Schweiz exzellent aus. Und so erfahre ich, dass ich mich in unmittelbarer Nähe, ich sehe, bereits die ersten Treppenstufen, vor dem Aufstieg zum Aussichtsplateau über der Wolfsschlucht befinde. Erreichbar ist das Plateau über etwa 380 Treppenstufen.

Zusammen mit einer Mutter und deren Sohn starte ich den Aufstieg. Zunächst sind es noch Holzstufen und es wird zunehmend steiler. Dann stehen wir vor einer steilen Metalltreppe nach oben. Einige Meter oberhalb befindet sich eine enge Felsspalte und da muss ich mit Rucksack durch. Mir kommen Zweifel, doch ich wage es mit aufgeschnalltem Rucksack. Die Frau nimmt meine Stöcke und ich zwänge mich schließlich auf allen Vieren durch dieses enge Loch. Es klappt gerade so. Weitere Metallleitern führen hinauf und ich komme ordentlich ins Schnaufen. Dann endlich ist es geschafft und eine toller Ausblick entschädigt für die Mühen.

Auch dem weiteren Weg nach Rathen ist ist unverändert schön. Meistens durchlaufe ich Mischwald, aber auch Buchenwald und erreiche dann einen breiten Fluss, eher doch ein See. Zunächst bin ich irritiert, ist das die Elbe? Ich frage zwei Männer und erhalte von ihnen die Antwort: „Das ist der Amselsee, die Elbe ist noch ein Stück weiter.“ Auf einer Kopfsteinpflasterstraße geht es weiter Richtung Niederrathen und Elbe. Plötzlich kommen mir Massen von Menschen entgegen. Ich sehe dann den Eingang zur Felsenbühne Rathen. Schließlich erreiche ich die Elbe und gerade legt auch die Gierseilfähre an. Auf der Fähre habe ich einen tollen Ausblick zu dem gewaltigen Sandsteingebirgszug an der Elbe.

Diese historische Fähre überquert die Elbe ganz ohne Motorkraft und nutzt die Strömung des Flusses aus. Sie hängt an einem sehr langen Längsseil. Man nennt diesen Fährtyp auch „Fliegende Brücke“.

Die Fahrt auf die andere Elbseite ist schnell vollbracht und ich laufe zunächst auf einer schmalen Straße Richtung Weißig. Dann erreiche ich die mir genannte Abzweigung und Abkürzung über einen Wirtschaftsweg. Der hat es in sich, schnell bin ich wieder am Keuchen und der Schweiß fließt in Strömen. Auf etwa einem Kilometer steige ich über 100 Höhenmeter hoch. Ich bin froh das Hotel zu erreichen.

Das Notzimmer liegt im Dachgeschoss und hat eine Metalltür. Stände nicht daneben die Zimmernummer, ich hätte nicht dahinter das Zimmer vermutet. Im Inneren verbirgt sich ein schmaler länglicher Raum mit zwei Betten hintereinander unter der Schräge stehend. Das Bad ist tatsächlich groß, dahinter das WC. Im Bad steht ein Sofa.  

Ein Gedanke zu „128. Etappe: 30. August 2013

  1. Hallo Werner,
    jetzt gehts wieder auf- und abwärts. die Landschaften und Görlitz haben mir sehr gut gefallen. Schöne Gegenden.
    Bis denne
    Traudl

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