170. Etappe: 16. Oktober 2013

Bad Reichenhall – Inzell
Distanz: 16,0 km; Aufstiege: 350 m; Abstiege: 218 m

Gemeinsam mit Christa und Jürgen frühstücke ich. Bis zu meinem Start können sie jedoch nicht warten und so verabschieden wir uns schon vorher.

Leider stimmte die Wettervorhersage und so muss ich wieder einmal mit meinem Poncho starten. Noch im Stadtgebiet wird der Regen heftiger und Besserung ist nicht in Sicht. Die nahen Berge sind fast völlig in Nebel gehüllt. Mein Weg verläuft zunächst auf dem Gehweg neben der Staatsstraße entlang. Immer wieder werde ich von Fahrzeugen leicht abgeduscht. Dann endlich sehe ich den ersehnten Wegweiser „Soleleitungsweg“.

Seit keltischer Zeit wurden bereits die natürlichen Solequellen bei Reichenhall genutzt. Um 700 n. Chr. wurden sie erstmals schriftlich erwähnt. Eine 1613 neu entdeckte Solequelle bei Reichenhall konnte mangels Brennstoff dort nicht mehr versottet werden. So entschloss man sich die Sole in die holzreichen Gegenden des Trauntals zu leiten und in Traunstein eine neue Saline zu gründen.

Mit der Verlegung einer 31 Kilometer langen Soleleitung von Reichenhall zur Saline nach Traunstein gelang innerhalb von zwei Jahren eine technische Pioniertat. Erstmals wurden mittels Pumpenvorrichtung auch Höhenunterschiede überwunden. Die Fernleitung bestand aus ca. 9000 Deicheln, ca. 4 Meter langen Holzrohren. Diese wurden von Hand durchbohrt, im Wasser gelagert um Rissbildung zu vermeiden und später in der Erde verlegt. Der Soleleitungsweg führt entlang dieser Fernleitung. Immer wieder sieht man Depots mit alten Holzrohren.

Nun geht es erst einmal steil über Treppenstufen am Hang hinauf. Überall nasses Herbstlaub und so bewege ich mich vorsichtig nach oben. Schließlich erreiche ich einen Hangweg mit splittähnlichem Belag. Durch den Dauerregen haben sich etliche Pfützen gebildet, doch diese kann ich problemlos umgehen. Auf dem Weg läuft es sich trotz Nässe hervorragend. Zeitweise sehe ich seitlich unter mir die Bundesstraße. Und überquere schließlich diese beim Thumsee. Ich folge dem Wegweiser nach Weißbach und laufe am Ufer des Sees entlang. Bei meinem Eintreffen an einem Rastplatz am See nehmen sofort drei Enten Kurs auf mich. Sie erwarten wohl eine Fütterung. Leider habe ich nichts dabei.

Schließlich erreiche ich wieder die Bundesstraße und überquere diese erneut in Richtung „Weißbachschlucht“. Diese kleine Straße mündet bei einem Bundeswehrschießplatz. Kurz davor zweigt ein kleiner Pfad links ab. Doch ein Hinweisschild weißt auf Wegeschäden hin. Ich bin unentschlossen und halte ein gerade vom Schießplatz kommendes Bundeswehrfahrzeug an. Es ist ein Zivilist und er kennt diesen Pfad. Er ist begehbar, versichert er mir.

Ich folge also diesem Pfad zur Weißbachschlucht und werde nun von ohrenbetäubendem Lärm der Schießübungen begleitet. Nach einiger Zeit erreiche ich einen Wasserfall, der Lärm hat jetzt deutlich nachgelassen. Bei einem weiteren Wegweiser muss ich mich für eine Richtung zur Weißbachschlucht entscheiden. Eine Stunde über den Soleleitungsberg oder 30 Minuten über Wegscheid, was auch immer damit gemeint ist. Bei diesem Dauerregen sind mir die 30 Minuten lieber. Schnell wird klar, Wegscheid heißt erst einmal auf einem sehr schmalen Pfad dicht an der Bundesstraße entlang zu laufen. Wieder erhalte ich ein paar unfreiwillige Autoduschen. Dann bei einem Straßendreieck überquere ich die Straße und nun geht es auf einem schmalen Pfad mit Treppen steil nach unten. Wieder überall nasses Laub und wieder bewege ich mich vorsichtig nach unten. Dann geht es zunächst in völlig falsche Richtung weiter. Fast unten angekommen macht der Weg endlich einen scharfen Bogen und verläuft nun in richtiger Richtung. Jetzt geht es am Weißbach entlang. Ich bin enttäuscht, es ist ein Bach in schmaler Schlucht und nichts Besonderes. Doch das ändert sich nach einigen Hundert Metern. Zunächst erreiche ich ein Schild: „Nur für Geübte. Benutzung auf eigene Gefahr.“ Was erwartet mich nun mit meinem schweren Rucksack, Poncho und bei Dauerregen? Ein bisschen mulmig wird es mir, doch nun bin ich einmal hier und zurück möchte ich nicht.

Wenig später erreiche ich eine malerische Schlucht mit einem laut tosenden Bach, der sich über natürliche Felsstufen immer wieder nach unten ergießt. Ein wahrhaft grandioses Schauspiel. Trotz starkem Regen wurschtel ich immer wieder meine Kamera unter dem Poncho hervor und fotografiere. Doch dieses grandiose Schauspiel hat seine zwei Seiten. Jetzt verstehe ich warum nur für Geübte. Der sehr schmale Pfad schlängelt mal auf der Höhe des Baches, mal ein paar Meter höher durch die Schlucht. Von Felsüberhängen werde ich durch kleine Wasserfälle geduscht. Schmale und glitschige Holzstege mit und ohne Geländer oder Betonplatten überbrücken kleine Bachläufe. Immer wieder schräger Fels, über den ich mich vorwärts bewege. An einigen Stellen gibt es ein Drahtseil zum Festhalten, doch das ist nicht immer vorhanden. Ein Ständiges rauf und runter. Bei schönem und trockenem Wetter und ohne großen Rucksack ein Traumpfad, nur jetzt für mich alles andere als traumhaft zu laufen. In meinen Schuhen steht das Wasser und ich bin ziemlich aufgeweicht.

Dann auf einem Holzsteg mache ich eine leichte Grätsche, kann mich aber gerade noch am Geländer festhalten. Ab jetzt laufe ich über die vielen noch folgenden Holzstege wie eine Schnecke und mein Blick ist mehr auf den Weg als auf diese tolle Landschaft gerichtet. Die Schlucht nimmt kein Ende. Dann eine Treppe nach oben zu einem Hotel. Doch ich entschließe mich, weiter in dieser Schlucht zu laufen. Jetzt möchte ich sie komplett sehen. Dann nach etwa einem Kilometer erreiche ich das Ende der grandiosen Schlucht. Irgendwie bin ich froh, dass es zu Ende ist und ich wieder deutlich entspannter laufen kann und doch bin ich auch froh diese Schlucht durchlaufen zu haben.

Weiter geht es durch den Wald und danach erreiche ich Weißbach. Vor mir Souvenirgeschäfte und Restaurants. Im Eingangsbereich eines geschlossenen Restaurants mache ich eine Pause. Ab jetzt kenne ich nur noch den Weg über die Bundesstraße nach Inzell. Es ist immer noch Dauerregen und einiges los auf der Straße und so entschließe ich mich in der Pension anzurufen. Vielleicht kann man mich abholen. Ich habe Glück und die Zimmerwirtin kommt.

In der Pension erhalte ich ein schönes Zimmer und auch einige Zeitungen. Aus meinen Schuhen kann ich nach dem Ausziehen, das Wasser ausschütten! Die mit Zeitung ausgestopften Schuhe und auch andere Kleidungsstücke kann ich im Heizungskeller zum Trocknen abstellen bzw. aufhängen. Am Abend muss ich das völlig aufgeweichte Papier durch neues Zeitungspapier tauschen. Erst am Abend hört es zu regnen auf. 

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