226. Etappe: 14. Dezember 2013

Kaub – Lorch
Distanz: 15,1 km; Aufstiege: 542 m; Abstiege: 550 m

Das Frühstück gibt es ab 8 Uhr. Als ich kurz nach 8 Uhr zum Frühstück gehe, stehe ich vor einer verschlossenen Restauranttür. Also nochmals ins Zimmer und von dort ein Anruf zum Hotel. Der Wirt ist auch gleich am Apparat und entschuldigt sich. Doch wenig später wieder finde ich die Tür immer noch verschlossen vor. Nochmals ein Anruf, jetzt vor der Tür. Der Wirt eilt mit dem Telefon am Ohr herbei und öffnet. Er hat wohl verschlafen und bereitet nun alles etwas hektisch zu. Einen Moment später betritt eine Frau mit einer großen Tüte Brötchen das Restaurant. Bei ihrem Eintritt nehme ich den Regen wahr.

Gleich mit Poncho starte ich auf meiner heutigen Etappe. Der Regen hält sich in Grenzen. Doch wenn er länger anhält, kann ich mich unterwegs auf Rutschpartien gefast machen. Gleich neben dem Eingang hängt das Schild: „Freistaat Flaschenhals.“

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges riefen die Gemeinden Kaub und Lorch kurzerhand ihren Freistaat Flaschenhals aus. Die selbstbestimmte Freiheit endete 1923 jäh mit dem Einmarsch der Franzosen. Heute halten Winzer die Erinnerung an diese turbulente Periode wach.

Zunächst geht es auf einer kleinen Straße hinter den Bahngleisen entlang. Dann beginnt bereits im Ort der Aufstieg in die Weinberge. Auf meinem Weg laufe ich direkt auf die Burg Gutenfels zu und habe einen guten Blick unten auf die mitten im Rhein liegende Burg Pfalzgrafenstein. Je höher ich komme, um so mehr tauche ich in Nebelschwaden ein. Bei einem kleinen Pavillon mit eigentlich gutem Ausblick auf das zurückliegende Kaub sehe ich jedoch nichts mehr. Dicke Nebelwolken liegen über dem Rhein und umschließen auch den unteren Teil der Berge. Nur für Momente blitzen manchmal ein kleiner Ort und ein Stück Rhein auf, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden.

Der Weg führt an den am Rhein liegenden Bergen entlang und quert dabei die dazwischen liegenden Täler. Ein Blick in das Rheintal ist immer wieder möglich, doch der Nebel bleibt mir die ganze Zeit erhalten. Bei einem Halt, ich hatte kurz zuvor fotografiert, höre ich plötzlich einen Gruß. Erschreckt drehe ich mich um und ein Wanderer steht hinter mir. „Ich wollte sie nicht erschrecken“, entschuldigt er sich.

Es stellt sich heraus, dass er mich gestern Abend im Gasthof gesehen hat. Jetzt mit Rucksack erinnert er sich auch an mein Bild in der Zeitung. Und so fragt er mich: „Sind sie der Wanderer, von dem gestern in der Rhein-Lahn-Zeitung berichtet wurde?“ Ich bejahe seine Frage. Wir unterhalten uns eine Weile. Dabei erklärt er mir, dass der Rheinsteig in diesem Abschnitt schon seit seiner Jugend seine Trainingsstätte ist. Damals allerdings noch nicht als Rheinsteig ausgewiesen.

In einem Tal überschreite ich die Grenze zu Hessen. Ich bin jetzt im Rheingau angelangt. Nur noch auf einer Etappe werde ich mit Mainz kurz Hessen verlassen. Vorbei geht es an einem Rastplatz mit einer verschlossenen Bude. Letztes Jahr habe ich hier noch Rast gemacht. Jetzt ist alles im Winterschlaf.

Hoch oben auf einem Berg habe ich einen schönen Überblick ins Rheintal. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins bis in das dahinterliegende Tal erstreckt sich Bacharach. Teilweise in leichtem Nebel gehüllt. Über dem Weinort erhebt sich die Burg Stahleck. Heute beherbergt die Burg eine Jugendherberge.

Als ich mich Lorch nähere, bin ich wieder in den Weinbergen. Vor mir dann die Burgruine Waldeck. Wenig später führt der Weg mit einem Abstieg in den Ort. Ein Schild weist daraufhin, das bei schlechtem Wetter Rutschgefahr auf diesem Weg besteht, und empfiehlt eine Alternativroute. Ich riskiere es jedoch und muss mich immer wieder an dem gespannten Stahlseil festhalten. Ja, es ist rutschig auf den nassen Blättern und doch komme ich unbeschadet schließlich in Lorch an.

Zur heutigen Bleibe muss ich ein Stück weiter ins Tal hinein und schließlich endet meine Naviroute. Das Hotel finde ich jedoch nicht. Ich gehe ein Stück die Straße zurück, als mir ein Mann entgegen kommt. Kurzerhand frage ich ihn nach dem Hotel. Er antwortet: „Sie wollen zu mir.“ Es ist der Hotelier und Winzer und ist gerade auf dem Weg zu seinem Weinberg. Doch nun begleitet er mich bis zum Hotel. Das Hotel ist erst vor zwei Monaten eröffnet worden. Für das Frühstück darf ich Wünsche äußern und so bestelle ich nach langer Zeit wieder einmal Spiegeleier.  

 

2 Gedanken zu „226. Etappe: 14. Dezember 2013

  1. Hallo Werner,

    nun kommst du ja der Heimat immer näher!
    Deine Nebelbilder sind wieder wunderschön. Auch Nebel hat seinen Reiz!
    Ich drück dir die Daumen, dass der Schnee noch etwas auf sich warten lässt und dass du auf dem Rest des Weges gut voran kommst.

    Liebe Grüße
    Renate

  2. Hallo Werner,

    Nebelbilder (Saarschleife und Rhein) gut und schön, aber noch schöner sind die knorrigen Bäume vor Rüdesheim im späten Sonnenlicht. Knorrig und mit Bodenhaftung wie unsere Generation. Nach 227 Tagen alleine unterwegs muss man sich wohl erst wieder an Menschen gewöhnen. Fast kannst Du Dein Ziel, die Ausläufer des nahen Odenwalds, schon sehen. Bald bist Du zuhause. Fast ist es (für uns Leser) schade, dass es dann vorbei ist.

    Grüße von Werner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert