174. Etappe: 20. Oktober 2013

Rosenheim – Netterndorf
Distanz: 29,1 km; Aufstiege: 406 m; Abstiege: 256 m

Nach dem Frühstück gestaltete sich die Festlegung des heutigen Etappenziels zunächst schwierig. Von meinem geplanten Etappenziel Feldkirchen im Landkreis Rosenheim rücke ich schnell ab. Nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten und zu teuer. Dann versuche ich es in der Gegend um Glonn. Diesen Tipp hatte ich gestern von der Fotografin und ihrem Mann als Alternative mit schönerer Gegend erhalten. Doch auch hier ist die Auswahl nicht groß und wieder teuer. Je näher ich München komme scheinen die Preise für eine Übernachtung zu steigen. Schließlich finde ich einen Gasthof in Netterndorf und dort buche ich.

Danach plane ich meine heutige Etappe und um 10 Uhr verlasse ich endlich den Gasthof. Die Strecke ist lang und viele Pausen und ein gemütliches Laufen geht heute nicht. Ich muss mich langsam umstellen, bereits um 19 Uhr ist es dunkel. Ab nächste Woche nochmals früher.

 Lange brauche ich, die Stadt Rosenheim zu verlassen. Auf Kreisstraßen, Wirtschaftswegen und Feld- und Waldwegen durchlaufe ich wieder eine traumhafte Landschaft häufig mit den Bergen im Hintergrund. Dazu passend der blaue Himmel und eine strahlende Sonne. Ich ziehe schon am Vormittag meine Jacke aus und laufe im T-Shirt. Autos begegnen mir nur wenige, schon öfters sind heute Radfahrer unterwegs.

Gegen 14:30 Uhr erreiche ich einen Golfplatz und suche verzweifelt den mir im Navi angezeigten Weg zu finden. Den gibt es aber nicht, ich stehe im Hof eines Golfrestaurants. Kurz entschlossen steuere ich den Golfplatz an und dort den einzigen Weg, den ich dort finde. Doch mein Durchmarsch wird von Golfern gestoppt. Sie fragen nach meinem Ansinnen und empfehlen mir lieber hier nicht weiterzulaufen. Viel zu gefährlich meinen sie und zeige mir einen Weg etwas oberhalb des Platzes. Als ich den Weg erreiche, ist es genau mein gesuchter Weg, jetzt nur hinter dem Restaurant. Nur wenige Meter später laufe ich am Schloss Maxlrain vorbei und erreiche wieder nur wenig später die Schlossbrauerei Maxlrain und einen gut besuchten Biergarten. Für Momente werde ich schwach, jetzt ein gutes Bier könnte mir gefallen. Doch ich habe mich im Griff und gehe an der Versuchung vorbei. Bis zum Zielgasthof ist es noch weit und ich möchte ihn bei Tageslicht erreichen.

Für etwa einen Kilometer begegnen mir jetzt Spaziergänger und dann tauche ich ich wieder in ein Waldgebiet ein und schlagartig wird es ruhig. Lediglich ein Jogger begegnet mir noch. Nach dem Wald überquere ich einen Bach und laufe entsprechend meiner Planung einen Wirtschaftsweg entlang, um bis zur Kreisstraße abzukürzen. Vom nahen Bauernhof kommt mir der Bauer entgegen. Statt mich zu fragen, wohin ich will, lässt er mich einfach weiterlaufen. Am Bauernhof ist dann Schluss. Hier gibt es kein Weiterkommen und so muss ich umkehren und der Straße folgen. Aus der Abkürzung wurde ein Umweg.

Weiter geht es wenig später auf einer Kreisstraße ohne Radweg und nun habe ich zum nahenden Abschluss doch noch Verkehr. Den Blick bereits auf Netterndorf gerichtet mache ich bei einem Wegekreuz mit Bank eine Pause. Schon von der Ferne fallen mir eine Gruppe junger Männer in Trachten auf. Sie kommen lärmend an der Kreisstraße nach Netterndorf und in Richtung meines Weges entlang. Neugierig geworden beende ich die Pause und schließe wenig später zu ihnen auf. Ich frage sie, was sie feiern. Sofort schallt es mir vielstimmig entgegen: „Kirta. Kirta-Schar auf da Roas.“ Ich verstehe nur Bahnhof und frage nochmals. Nun sind sie bemüht, einem Preußen es verständlich zu erklären.

Sie feiern Kirchweih. Am Kirchweihsonntag ziehen hier die Burschen aber auch die Madln durch die Gemeinde und versuchen kostenlos Bier zu bekommen.

Meine Schar Burschen sind schon deutlich angeheitert und inmitten der Schar laufe ich zu meinem Gasthof. Ich bitte sie um ein gemeinsames Foto. Schnell holt einer der Burschen die Wirtin und wir postieren uns vor dem Gasthof. Die Wirtin macht mehrere Fotos von uns. Herannahende Frauen eilen hinzu und so gibt es weiter Fotos von der nun vergrößerten Schar. Dann trennen sich unsere Wege, die Burschen ziehen weiter und ich kehre ein.  

173. Etappe: 19. Oktober 2013

Bernau – Rosenheim
Distanz: 27,3 km; Aufstiege: 449 m; Abstiege: 575 m

Kaum habe ich Bernau verlassen, muss ich den ersten Hügel hinauf. Es ist noch kühl und bewölkt. Von der angekündigten Sonne noch keine Spur. Fast oben auf dem Hügel angekommen, lädt mich eine Bank unter einer mächtigen Eiche zum Verweilen ein. Die Wiese ist noch vom Raureif nass und der Wald vor mir scheint zu dampfen. Nebelschwaden ziehen hoch. Die nahe Autobahn ist zwar nicht zu sehen, doch der laute Verkehrslärm übertönt jedes andere Geräusch und so bleibe ich nicht lange an diesem Platz.

Auf dem Hügel angekommen und an einigen Bauernhöfen vorbei, präsentiert sich die andere Seite plötzlich im hellen Licht. Die Sonne erstrahlt an einem blauen Himmel. Noch vor wenigen Minuten war alles Trübe und trist. Jetzt erstrahlt das Herbstlaub des Waldes und die ersten Blicke auf die nahen Berge werden vom Nebel freigegeben. So schön das auch ist, gleichzeitig höre ich nun nicht nur die Autobahn, ich sehe sie auch noch.

Ich unterquere die Autobahn und durchlaufe die erwachende Landschaft mit ihren sanften Hügeln und den schroffen Bergen als Hintergrundkulisse. Mit der Zeit lässt auch der Lärm nach und die Autobahn verschwindet aus meinem Blickfeld. Dann noch nebelverhangen vor mir der Chiemsee. Wieder mache ich auf einer Bank mit direktem Blick auf den See eine Pause. Dabei kann ich miterleben, wie sich die Nebelschwaden auflösen und den Blick freigeben. Ein paar Segelboote sind bereits unterwegs.

Der triste Morgen verwandelt sich zu einem traumhaft schönen Herbsttag. Schroffe Berge, sanfte Hügel, saftig grüne Wiesen, die Farbenpracht des Laubwaldes gepaart mit Sonne und blauem Himmel, ich genieße diese atemberaubende Landschaft in vollen Zügen.

Meine Route verläuft auf einsamen kleinen Straßen und Wirtschaftswegen. Ich nähere mich einer kleinen Bahnstation und beobachte schon von Weitem eine Frau beim Fotografieren. Natürlich bin ich neugierig und suche das Gespräch. Sie ist Fotografin und jetzt mit ihrem Mann rein privat unterwegs. Als sie erfährt, dass ich auf großer Wanderschaft bin, erwecke ich ihr fotografisches Interesse. Gerne lasse ich mich von Ihr fotografieren. Sie will mir die Fotos zur Verfügung stellen und ich darf sie auch auf meinem Blog nutzen. Abweichend von meiner geplanten Route begleite ich das Paar bis Wildenwart. Hier wollen beide zu Mittag essen. Das kann ich leider nicht, ich habe noch eine lange Strecke vor mir.

Auf einem Wirtschaftsweg bei Wurmsdorf kommt mir eine junge Reiterin entgegen. Neben ihr führt sie ein kleines Pony an der Leine. Der erste Gedanke, der mir bei diesem Bild einfällt, ist: „Hier wird ein Pony zum Gassi ausgeführt.“ Ich frage sie, ob ich von ihnen ein Foto machen darf und sie willigt ein. Von der jungen Reiterin erfahre ich, dass das Pony bereits 30 Jahre alt ist und der Hengst erst 10 Jahre und noch im Flegelalter. Sie führt das Pony aus, damit es noch etwas Bewegung hat. Nicht weit davon kehre ich in einen Hofladen mit Café ein. Dort genieße ich zwei köstliche Zitronenstücke.

Danach mache ch mich gestärkt wieder auf den Weg. Nach Wolferkam sehe ich rechter Hand den Simssee und habe auf der anderen Seite einen herrlichen Blick auf einen einsam auf dem Feld stehenden Baum mit den Bergen als Hintergrund. Der Baum, mehr nur als Kontur erkennbar, erweckt mein Interesse. Auch eine Weide, gerade angestrahlt von der Sonne, fasziniert mich. Der weite Weg ist kurzweilig, immer wieder herrliche Motive. Leider muss ich mich sputen, wenn ich rechtzeitig ankommen will.

Gegen 17 Uhr rufe ich zur Sicherheit im Gasthof an und erkläre, dass es auch später werden kann. Die Bedienung beruhigt mich. „Ich bin noch einige Zeit da“, erklärt sie mir. Plötzlich bremst ein BMW und einer der Bedienungen des Hofladens steigt aus. Sie bietet mir an, mich mitzunehmen. Ich bin erfreut über dieses Angebot, doch ich lehne dankend ab.

Der Weg zieht sich und ich laufe bereits bei Dämmerung an dem Inn auf einem Radweg neben einer stark befahrenen Staatsstraße entlang. Endlich erreiche ich die Brücke über den Inn. Danach dauert es noch, bis ich den Gasthof in Rosenheim im Dunklen erreiche.