212. Etappe: 28. November 2013

Völklingen – Dillingen  21,8 km

Vom Vorort Heidstock laufe ich Richtung Völklingen Zentrum. Schon bald sehe ich zwischen den Büschen weiter unten liegend das Steinkohlekraftwerk Fenne und auch die ersten rauchenden Industrieschornsteine. Die Saar liegt ebenfalls links unter mir. Es ist wie tagszuvor kalt. Je näher ich Völklingen komme, um so mehr erinnert mich die Stadt an das Ruhrgebiet der 60er und 70er Jahre. Der Putz der alten Mehrfamilienhäuser ist schmutzig grau. Es überdeckt die Ursprungsfarben Beige oder Weiß. Bei einem Ziegelsteingebäude sind nur noch wenige rotbraune Ziegel erkennbar. Die meisten Ziegel sind inzwischen in Schwarz getaucht.

Schon von Weitem sehe ich die Türme des alten Rathauses und einer Kirche. Meine Route führt mich nicht zum Zentrum, sondern mehr zu einem ehemaligen Arbeiterviertel. Vorbei laufe ich an Woolworth und vielen kleinen Läden. Es ist ein normaler Werktag und doch sehe ich nur wenige Berufstätige, es sind mehr älter Menschen unterwegs.

Ich erreiche das imposante alte Rathaus, durchlaufe eine Unterführung und stehe vor dem alten Bahnhof. Schon ab hier ist der Hintergrund geprägt von Industrieschornsteinen und Rohren. Dann wieder eine Unterführung und nun erreiche ich die Völklinger Hütte, heute stillgelegt und inzwischen Weltkulturerbe. Ein europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur. Eine Straße mitten durch Industrieanlagen mit viel Rohren, Schornsteinen und Hallen, das meiste belegt mit rotbraunem Rost und alten Gebäuden führt mich schließlich wieder zur Saar. Die Natur mit Bäumen und Büschen, hier noch mit gelbem Herbstlaub, beginnt sich wieder Stück für Stück Land zurückzuholen.

Dann die Brücke und sofort fällt mir die Moschee auf der linken Saarseite auf. Das ehemalige Arbeiterviertel wird heute wohl auch von ausländischen Mitbewohnern besiedelt. Ich steige an der Brücke runter zum Saar-Radweg und die Industrieanlagen auf der gegenüberliegenden Seite begleiten mich. Eine Holzbank mit Rückenlehne und geschwungenem Abschussholz fällt mir sofort ins Auge. Genau hinter der Bank ein kleines Holzlager mit Holzscheiten für den Kamin. Es ist wohl mehr das Schild: „Holzdieb ich kriege Dich!“ was mich aufmerksam machte. Der Platz ist ausgesprochen interessant und trotz Kälte muss ich hier eine Pause machen. An einem Holzpfosten eine Parkuhr, ich hoffe, ich muss nicht für das Sitzparken 🙂 bezahlen!? Darüber ein Schild mit „Shitverbot“ für Hunde und noch einige rote Rosen komplettieren diesen interessanten Platz. Doch erst jetzt bemerke ich das Ausgefallenste, hinter mir ein ausgewachsener Kiwibaum. In Griffhöhe kleiner Früchte, doch etwas höher noch viele normal große Kiwi. Ich bin versucht zu naschen, doch das Schild mit dem Holzdieb hält mich irgendwie davon ab. Schade, dass niemand zu sehen ist, um zu fragen, ich hätte gerne eine Frucht probiert.

Es geht linksseitig an alten Gebäuden, einem Biergarten, Schrebergärten und viel Natur und rechtsseitig mit viel Industrieanlagen vorbei. Auch den Kontrast alte halb verfallene Gebäude und dahinter moderne blockförmige Industriehallen, noch mit frischen Farben, nehme ich wahr. Dann nimmt die Natur Zusehens Raum ein. Man hat vor einiger Zeit mächtig ausgeholzt, ich kann mir noch gut das Dickicht aus Büschen und Pflanzen vorstellen. Es folgt eine Pipeline und große Strommasten, die mich an der Saar nun begleiten. Dann auf der anderen Seite ein Hallenkomplex fast einem Kilometer lang mit braunen Hallen und blauen Zwischenwänden. Von einer Frau mit Hund erfahre ich, dass hier früher das Walzwerk untergebracht war, heute nur zum Teil von verschiedenen Firmen sehr individuell genutzt wird.

Es folgt eine lange Strecke an der Saar, mal mit Tümpel, zum Teil mit dünnem Eis bedeckt, mal nur reines Feuchtgebiet. Leider erstrahlt die Landschaft nicht mehr mit leuchtenden Herbstfarben. Jetzt herrscht das Braun vor. Öfters sehe ich den Grau- und Silberreiher, zum Fotoschuss komme ich aber nicht. Die Kormorane sehe ich ebenfalls und hier kann ich ein „tête-à-tête“ zweier Kormorane im Baum fotografieren. Kurz vor Saarlouis komme ich an einem weiteren Steinkohlekraftwerk auf der anderen Saarseite vorbei.

Genau zum richtigen Zeitpunkt mache ich eine Pause und gebe die Adresse in mein Smartphone-Navi ein. Es spuckt mir nur ein paar Hundert Meter weiter eine Abkürzung, ohne die weitläufige Saarscheife laufen zu müssen, über Saarlouis aus. Dieser neuen Route folge ich. Mein Bedarf nach Wärme und Kaffee ist groß und so nutze ich ein Wettbüro, nur Kaffee nicht mehr(!), für eine Aufwärmung von innen und außen. Kurz danach erreiche ich den ersten und bereits geöffneten Weihnachtsmarkt auf meiner Wanderung im Herzen von Saarlouis. Doch ich lasse ihn links liegen, komme an einem schönen Park vorbei, überquere die Saar und laufe ziemlich geradlinig in Richtung meiner heutigen Bleibe. Doch bevor ich diese erreiche, komme ich an der Dillinger Hütte vorbei und es folgt ein Krankenhaus und erst dann habe ich die kleine Pension erreicht. Der Sohn des Hoteliers gibt mir zum Aufwärmen einen Kaffee aus. Als ich schließlich mein Zimmer betrete, erstarre ich vor Kälte. Das Fenster ist auf, wohl schon länger, und die Heizung fast aus.

Schnell geduscht, umgezogen und sofort runter in das noch von außen geschlossene Restaurant. Auch da bläst erst gerade ein Heizlüfter. Doch es ist wärmer als in meinem Zimmer.

Die Kälte ist auch am Abend trotz voller Pulle Heizung nicht vertrieben. Ich hole zusätzlich meinen Schlafsack raus und nutze ihn für die Nacht. 

211. Etappe: 27. November 2013

Saarbrücken – Völklingen  12,0 km

Nach Völklingen steht heute nur eine Kurzetappe an und so nutze ich zunächst die in der Nähe befindliche Brücke und laufe Richtung Zentrum. Ein Haar- und Bartschnitt ist wieder einmal fällig. Schon kurz nach Überquerung der Brücke finde ich einen türkischen Friseur ohne Terminabsprache. Ich habe sogar das Glück und komme sofort dran. Zum Verständnis zeige ich ihm ein Foto von mir. Die Aufnahme stammt aus Passau und wurde am Tag des Friseurbesuchs aufgenommen. Als er die Maschine seitlich durch meine Haare fährt, wird mir ganz mulmig. Hoffentlich bleiben noch ein paar Haare übrig. Doch es sieht zunächst schlimmer aus, als es tatsächlich ist. Nach Haar- und Bartschnitt zündet er einen Stab mit Watte, vorher in eine Flüssigkeit getaucht, an. Was geht jetzt ab, mir wird wieder mulmig. Mit dem brennenden Stab fährt er an meinen Ohren entlang. Die Kopf- und Barthaare fangen kein Feuer, das beruhigt mich wieder. Als er fertig ist, bin ich rundum zufrieden.

Jetzt beginnt die Suche nach einem Abstieg zur linken Flussseite, denn dort verläuft der Saar-Radweg. Erst die dritte Brücke zurück, bietet mir diesen Abstieg. Auf dem Radweg angekommen, geht es nun für längere Zeit ohne Begegnung mit Spaziergänger und Radfahrer weiter. Links über mir donnert der Autobahnverkehr vorbei und rechts habe ich die Saar. Dann eine besondere Attraktion, ich reibe mir die Augen. Hier in Saarbrücken gibt es tatsächlich ein „Schwimmschiff“ :-). Momentan liegt es jedoch vor Anker.

Wuchtige und knorrige Ahornbäume säumen eine Zeit lang meinen Weg. Das Laub ist auch noch am Vormittag mit Raureif bedeckt. Als ich mich Burbach nähere, beginnt der Industriebereich mit Hallen der Saarstahl.

Gegen Mittag erreicht mich der Anruf des Hotels und damit die Absage. Ich bitte darum, wie abends vereinbart, mir bei der Suche eines anderen Hotels behilflich zu sein. Das klappt auch sehr schnell. Das Hotel liegt rechtsseitig und noch vor dem Zentrum von Völklingen. Jetzt muss ich nur noch die richtige Brücke finden. Ich habe Glück und bereits wenig später überquere ich die Saar und nun geht es rechtsseitig an der Saar weiter. Bei einer Sportanlage verlasse ich die Saar und laufe an der Bundesstraße B51 mit Gehweg weiter.

Das Hotel entpuppt sich als Kneippe mit Pension. Im Zimmer muss ich erst einmal den Heizkörper aufdrehen. Da es noch zu kühl ist, wechsel ich in die gut besuchte Gaststube. Der Tresen ist fast komplett belegt. Zwei größere Tische gibt es. Ich setze mich an einem der beiden Tische mit Eckbank. Der andere Tisch ist wenig später mit Skatspielern belegt. Ein ordentlicher Lärmpegel erfüllt den Gastraum.

Draußen hängt ein Schild mit „Gut bürgerlicher Küche“. Als ich nach einer Speisekarte frage, habe ich die Auswahl zwischen Bratkartoffel mit Frikadelle oder Nudelgericht. Ich entscheide mich für das Nudelgericht. Gebracht wird mir von der Chefin in einer Auflaufschüssel ein mit Käse überbackenes Nudelgericht. Groß genug für einen großen Hunger! 

210. Etappe: 26. November 2013

Herbitzheim – Saarbrücken
Distanz: 26,1 km; Aufstiege: 668 m; Abstiege: 547 m

Als ich das Hotel kurz vor 9 Uhr verlasse, liegt noch überall der Raureif. Es ist empfindlich kalt geworden. Der Himmel ist nur leicht bewölkt. Es verspricht, ein guter Wandertag zu werden. Auf meinem Weg zum Nachbarort Rubenheim umrunde ich einige gefrorene Pfützen und glatte Flächen.

Nach Rubenheim geht es recht ordentlich aufwärts. Meistens ist mir der Blick in die Landschaft durch Büsche versperrt. Dann zwischen den Büschen ein bisschen versteckt, eine Betonplatte, schon vom Zahn der Zeit angeknabbert und mit einem Vers versehen. Ich halte inne und der Vers stimmt mich für einen Moment nachdenklich.

Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit.
Ein bisschen Wahrheit immerdar
und vielmehr Hilfe in Gefahr.
Ein bisschen mehr Wir und weniger Ich!
Ein bisschen mehr Kraft nicht so zimperlich.
Und vielmehr Blumen während des Lebens
denn auf den Gräbern blühen sie vergebens.

Weiter geht es aufwärts und auch hier gibt es immer wieder vereiste Stellen auf dem Asphalt. Ich erreiche den höchsten Punkt dieser Anhöhe und stoße dabei auf die „Kleine Tiroler Hütte“. Die Holzläden sind geschlossen. Hütte und der seitlich gelegene Spielplatz warten bereits auf den nächsten Sommer.

Wenig später öffnen sich die Buschreihen und geben mir den Blick auf einen Golfplatz frei. Die kurz geschnittene Rasenfläche schimmert weiß und ist mit Raureif bedeckt. Nach einem kurzem Intermezzo Wald erreiche ich eine vor mir liegende Streuobstwiese. Im Tal ein Ort und unmittelbar dahinter wieder ein Berg, zum Teil bewaldet. Ein Passagierflugzeug fliegt seitlich am Berg vorbei und verschwindet dahinter. Jetzt weiß ich, diesen Berg muss ich auch noch überwinden. Meine Route führt mich unterhalb des Saarbrücker Flughafens entlang.

Ich steige hinab in den Ort. Als ich den unscheinbaren Dorfbäckerladen sehe, steuere ich zielstrebig darauf zu. Ich brauche einen Aufwärmer und so betrete ich den Laden. Zunächst sehe ich zwei wunderschöne und sehr alte mit Schnitzereien versehene Schränke. Im Raum steht ein großer alter Tisch. Nur die modernen Stühle passen nicht dazu. Doch ich bin froh, nicht auf vielleicht einem unbequemen alten Stuhlen Platz nehmen zu müssen.

Hinter der Theke eine junge Frau mit einem Kleinkind im Laufwagen. Nachdem sie mir den Kaffee gebracht hat, kommen wir schnell ins Gespräch und sie blättert mir ein Teil ihres Lebens auf.

Das kleine Mädchen im Laufwagen ist 9 Monate alt und es ist bereits ihr viertes Kind. Mit 17 Jahren bekam sie ihr erstes Kind. Ihr erster Mann war 17 Jahre älter und übernahm die Vaterrolle für dieses erste Kind, obwohl es nicht von ihm war. Es folgten zwei Kinder von ihrem Mann. Mit der Heirat erhoffte sie, dem Kind eine geborgene Familie bieten zu können. Doch es kam ganz anders. Mehr und mehr arbeitete er nur noch sporadisch und fing auch noch zu Trinken an. Er war zudem extrem eifersüchtig und schließlich erfolgte die Trennung durch sie. Nun ist sie in einer neuen Beziehung und das kleine Mädchen ist von ihrem jetzigen Lebensgefährten. Sie hat keinen Berufsabschluss, dazu fehlte einfach die Zeit. Viel zu sehr musste sie sich um den Lebensunterhalt kümmern. Was sie mir erzählt, klingt alles sehr vernünftig und verantwortungsbewusst ihren Kindern gegenüber. Auch macht sie einen zufriedenen und ausgeglichenen Eindruck auf mich.

Immer wieder erlebe ich es, dass mir fremde Menschen Einblick in ihre Vergangenheit oder ihrer Schicksale geben. Ich wirke wohl vertrauenswürdig auf sie und es ist wohl leichter einem Fremden etwas zu offenbaren, als Personen im eigenen Umfeld. Aus einem Kaffee werden zwei, doch dann muss ich weiter.

Am Ende des Ortes führt meine Route bergauf. Die schmale Straße wird durch ein Heizölfahrzeug blockiert. Die Beifahrertür ist auf und dahinter stehen Fahrer und Kunde. Man lässt mich vorbei, doch es folgt interessiert die Frage nach dem Woher und Wohin. Aus der Beantwortung der Frage wird ein Gespräch und der Hausbesitzer, ein junger Mann, bietet mir einen Kaffee bei sich an. Normalerweise würde ich zusagen. Doch ich bin bereits mit zwei Kaffee abgefüllt und habe noch einige Kilometer vor mir. Daher lehne ich dankend ab.

Die kurze Gesprächspause war gut, denn nun folgt ein extrem steiler Anstieg. Nur mit langsamen Schritten komme ich vorwärts und muss unterwegs zweimal zum Verschnaufen anhalten. Der asphaltierte Wirtschaftsweg geht über in einen Wald- bzw. Feldweg. Es folgt der Vorstadtbereich von Saarbrücken und schließlich laufe ich an einer Landstraße mit Radweg weiter in Richtung Innenstadt.

Es folgt eine Unterquerung der Autobahn und schließlich eine kleine Seitenstraße. Hier wechsel ich gedankenlos plötzlich die Fahrbahn und werde dabei fast von einem Radfahrer angefahren. Aus dieser Situation entwickelt sich ein Gespräch und die Frage, ob ich auf dem Jakobsweg unterwegs bin. Vom Radfahrer erfahre ich, dass ich mich momentan auf einem Jakobsweg nach Metz befinde. Auch fragt er mich, ob ich für heute Nacht eine Bleibe habe. Er betreibt eine Pilgerherberge hier in der Nähe. Ich erkläre ihm, dass ich ein Hotelzimmer gebucht habe und mit einer Absage Stornogebühren anfallen. Dann trennen wir uns. Ich überquere mit Wartezeit Bahngleise, laufe auf einem schmalen Pfad Richtung Saar. Mein Radfahrer kommt mir wieder entgegen. Er bietet mir einen Kaffee an und die Möglichkeit Adressen von Pilgerherbergen, auch vom Moselcamino, aufzuschreiben. Ich willige ein und so folge ich ihm zu seiner Herberge. Dort führt er mich in den Aufenthaltsraum und beginnt mit dem Kaffeekochen. Das, was ich von der Herberge sehe, ist schlicht und mit vielen Details versehen. Die Übernachtung wird für einen sehr fairen Preis angeboten. Zum Kaffee bekomme ich noch Kuchen und wir unterhalten uns eine Weile. Dann muss ich wieder los. Die in unmittelbarer Nähe befindliche Kirche muss ich unbedingt besichtigen, rät er mir. Der Seiteneingang ist offen und ich schau auch rein. Leider ist es dort viel zu dunkel, um noch etwas richtig zu erkennen, geschweige denn zu fotografieren.

Es geht unter der Autobahn hindurch und dann bin ich wieder auf dem Saar-Radweg. Jetzt heißt es, einen Zahn zuzulegen. Im Zentrumsbereich angekommen, der Höllenlärm der Autobahn begleitete mich die ganze Zeit, nehme ich aus einem Bauchgefühl heraus früher als geplant die richtige Brücke, um über den tosenden Verkehr zu gelangen. Es ist inzwischen dunkel geworden, die Straßenbeleuchtung weist mir den Weg. Das kleine Hotel neben der Saarbrücker Zeitung erreiche ich danach recht bald. 

Mich gibt es noch unterwegs.

Werde heute in Völklingen einlaufen. Bin noch immer mit Freude unterwegs. War nur etwas schreibmüde. Berichte folgen, jetzt muss ich schnellstens auschecken und das Hotel verlassen.

Bis in Kürze, vermutlich heute Abend, wieder mit Berichten vom Weg. Treffe auch einen ehemaligen Deutschlandumrunder. Wir laufen zusammen ein Stück. Freu mich darauf.

205. Etappe: 21. November 2013

Wissembourg – Bad Bergzabern  12,3 km

Heute habe ich wieder eine kurze Etappe vor mir. Bevor ich in Richtung Bad Bergzabern aufbreche, möchte ich noch das Städtchen Wissembourg besichtigen. Mein heutiges Zimmer kann ich erst ab 14 Uhr beziehen, daher habe ich viel Zeit für die Besichtigung. Völlig entspannt verlasse ich gegen 11 Uhr das Hotel.

Schnell erreiche ich die Altstadt von Wissembourg und durchstreife über eine Stunde die kleinen Gassen und Straßen. Viele restaurierte Fachwerkhäuser und auch die vielen kleinen Geschäfte beleben das nette Städtchen. Doch in den abseits gelegenen Gassen befinden sich noch etliche Gebäude in schlechtem Zustand. Der Ort gefällt mir, nur das passende Wetter mit Wärme und Sonne fehlt jetzt noch.

Auf dem Weg Richtung Bad Bergzabern heißt es nun wieder aufwärts streben. Zunächst erreiche ich den südpfälzischen Weinort Schweigen-Rechtenbach. Im Restaurant am Deutschen Weintor mache ich eine Kaffeepause. Von dort geht es abwärts in den Ortsteil Rechtenbach und anschließend hoch durch die Weinberge des Weinanbaugebietes Südliche Weinstraße.

Ab dem Weinort Oberottenbach folge ich der Bundesstraße B38. Auch diese Bundesstraße führt mitten durch das Weinanbaugebiet. Nach etwa drei Kilometern erreiche ich Bad Bergzabern und wenig später meine heutige Bleibe.

Für den heutigen Abend haben sich Bettina und Thomas zu einem Treffen angekündigt. Es freut mich sehr, das sich beide noch nach der Arbeit die Zeit nehmen und mich besuchen. Wir kehren in der Nähe meiner Pension in ein Restaurant mit pfälzischer Küche ein. Hier lerne ich den gebratenen Saumagen kennen. Wir haben uns viel zu erzählen. Erfahrungen werden ausgetauscht und dabei stellt sich heraus, dass auch sie die plötzlichen Bekanntschaften auf der Reise mögen. Der gemeinsame Abend wird lang. Danke ihr beiden für den netten Abend.

Bettina und Thomas sind begeisterte Motorrad-Tourenfahrer und haben in diesem Jahr mit der Umrundung Deutschlands begonnen. Ihr diesjähriger Start war ganz in der Nähe von hier. Es war das Deutschen Weintor, durch das ich heute Mittag ebenfalls gekommen bin. Bei ihren Vorbereitungen sind sie beim Stöbern im Internet auf mein Internettagebuch gestoßen und verfolgen meine Wanderung seit einiger Zeit. Seit ihrem Kontaktmail sind wir in Verbindung. Da sie in diesem Jahr nur noch eine Woche Zeit hatten, begann ihre erste Etappe im Juli am Deutschen Weintor und endete nach Furth im Wald. Für das nächste Jahr sind zwei weitere Wochen geplant. 

202. Etappe: 18. November 2013

Scherzheim – Hügelsheim  15,5 km

Noch abends hatte mich die Zimmerwirtin des heutigen Tages angerufen und mit mir eine Schlüsselübergabe unterwegs auf Bundesstraße B36 vereinbart. Sie muss einiges erledigen und ich kann unabhängig von ihr beliebig früh ins Zimmer.

Die Nacht habe ich schlecht geschlafen, Kopfschmerzen plagten mich bis spät in die Nacht und auch noch am Morgen. Von der Wirtin lasse ich mir eine Schmerztablette geben. Ungewöhnlich früh schaffe ich es, meine heutige Etappe zu beginnen. Im Ort durchlaufe ich eine Straße mit vielen Fachwerkhäusern. Die meisten davon sind bereits schön restauriert, nur bei einigen nagt noch der Zahn der Zeit.

Es ist kühl und nebelig. Die Sonnenstrahlen durchbrechen aber bereits die Wolkendecke. Bei einem Senftpflanzenfeld schafft die tief liegende Sonne es, die gelben Blüten zum Leuchten zu bringen. Trotzdem nimmt der Nebel deutlich zu. In einiger Entfernung sehe ich undeutlich große Tiere, ich vermute zunächst Kühe, über die Straße laufen. Doch beim Näherkommen erkenne ich sehr große Hunde. Es sind russische Windhunde, wie mir die Besitzer erzählen.

Von der kleinen Kreisstraße biege ich schließlich auf die Bundesstraße ab. Der Radweg verläuft etwas abgesetzt von der Straße. Diese in Nebel gehüllte Landschaft mit den immer wieder auftauchenden Fahrzeuglichtern gefällt mir. Ohne Nebel wäre es langweilig, doch so bin ich immer wieder abgelenkt.

So langsam sehne ich mich nach einer Sitzgelegenheit, doch die finde ich erst vor Stollhofen, unmittelbar nach der Bahnüberführung. Ich telefoniere kurz mit meiner Zimmerwirtin. Sie ist noch nicht unterwegs. Nach Stollhofen höre ich deutlich ein startendes Flugzeug, doch durch den dichten Nebel ist es nicht sichtbar. Auch den Badener Flughafen sehe ich nicht, nur eine davor liegende Golfanlage.

Im deutlicher verschwinden die Nebelschwaden und bei einem großen Bogen hinter dem Flughafen erreicht mich der Anruf der Zimmerwirtin. Sie ist jetzt gestartet und hat zuvor noch etwas im Ort zu erledigen. Als ich bereits das Ortsschild von Hügelsheim im Blick habe, sehe ich ein Fahrzeug kommen und anhalten. Es ist meine Zimmerwirtin und ich bekomme meinen Schlüssel. Sie erklärt mir den schnellsten Weg zur Pension und dann trennen wir uns. Meine Unterkunft erreiche ich wenig später und heute werde ich faulenzen. Keinen Bericht schreiben, nur abends in das empfohlene Restaurant gehen. Das Telefonieren und der Internetzugang sind wieder einmal miserabel. Nur mit Mühe schaffe ich es für Morgen eine Unterkunft im Elsass zu finden und zu buchen.

Nach 17 Uhr kommt meine Zimmerwirtin zurück und ich gebe ich meine Kleidung zum Waschen. Das hatte ich bereits mit ihr vereinbart. Danach geht es ins nahe gelegene Restaurant und heute genieße ich ein Wildgericht und einen Roten aus Sasbach. Den Wein kenne ich bereits und er schmeckt mir.

204. Etappe: 20. November 2013

Beinheim – Wissembourg (Frankreich)  25 km

Schon beim Gang über den Hof zum Frühstück regnet es leicht. Das Frühstück diesmal ohne Wurst und Käse, jedoch mit verschiedenen selbst gemachten Marmeladen. Dazu gibt es Baguette und Croissant. Der Wirtin fällt auf, dass mir die Bananen-Schoko-Mischung besonders gut geschmeckt hat, und schenkt mir beim Bezahlen ein Glas dieser selbst gemachten Marmelade.

Bei leichtem Regen starte ich wieder einmal mit Poncho. Der Weg durch Beinheim ist kurz. Wieder laufe ich an schönen alten Fachwerkhäusern vorbei. Außerhalb des Ortes geht es nun auf verschiedenen Departementsstraßen mit mäßigem Verkehr weiter. Wie schon 2009 auf meiner Pilgerreise durch Frankreich springt mir der Hinweis „Sauf“ unter einem Verkehrsschild ins Auge. Dürfen hier die Radfahrer auf der Strecke saufen? Natürlich nicht, nur die Aussage „Durchfahrverbot, mit Ausnahme der Radfahrer oder gilt nicht für Radfahrer“.

Ich durchlaufe eine leicht hügelige und wellige Landschaft. Viele der Felder wurden erst vor Kurzem gepflügt oder mit der Kreiselegge bearbeitet. Auch stehen noch einige Maisfelder und warten auf ihre Ernte. Es liegt leichter Nebel über der Landschaft. Der Regen hat schnell wieder nachgelassen und es nieselt nur noch leicht vor sich hin.

Mangels Sitzmöglichkeiten nutze ich in Niederroeden bei einer Gärtnerei einen leeren Betonständer für Pflanzen als Sitzplatz. Schnell hat mich eine junge Bedienung entdeckt und zu meiner Überraschung spricht sie mich in Deutsch an. Sieht man mir das Deutsch an meiner Nasenspitze an? Ich spreche sie darauf an. Dass sie mich einen Augenblick zuvor auf Französisch angesprochen hatte, hatte ich nicht mitbekommen. Daher folgte Deutsch, denn nur das kann sie als Fremdsprache. Als ich weiter den Ort durchquere, laufe ich wieder an schönen alten Fachwerkhäusern vorbei.

Direkt am Ortseingang von Croettwiller steht ein Seitenradar mit Geschwindigkeitsanzeige. Eigentlich uninteressant für mich als Wanderer. Doch ich traue meinen Augen nicht, da wird tatsächlich meine Geschwindigkeit von 6 km/h auf der Anzeigentafel angezeigt. Das muss ich unbedingt festhalten. Also nochmals zurück und diesmal nähere ich mich erneut der Anzeige mit eingeschalteter Kamera. Ein Autofahrer überholt mich und die Anzeige springt auf 41 km/h. Nicht meine Geschwindigkeit, also nochmals zurück und wieder nähere ich mich der Anzeige. Diesmal zeigt sie 5 km/h an. Zum Fotografieren bleibe ich dämlicherweise einen kurzen Moment stehen und schwupps die Anzeige ist weg. Also nochmals auf ein Neues. Nun nähere ich mich dem Seitenradar und wieder springt die Anzeige auf 5 km/h. Diesmal kann ich meine Geschwindigkeit im Bild festhalten. Es ist nun amtlich dokumentiert, ich bin noch in der erlaubten Geschwindigkeit im Ort unterwegs :-).

Vor Trimbach steht eine große Richtungstafel mit vielen vertrauten deutschen Ortsbezeichnungen. In Trimbach in einer Boulangerie und Pâtisserie mache ich eine längere Kaffeepause.

Auf dem weiteren Weg habe ich links und auch vor mir ein Mittelgebirge. Ich bin zunächst verunsichert, sind es noch die Vogesen oder bereits der Pfälzer Wald. Dann erreiche ich die viel befahrene Departementsstraße D263. Mit leichtem mulmigen Gefühl nähere ich mich der Straße. Es gibt keinen Radweg, dafür einen breiten Randstreifen und auf dem kann ich gelassen in Richtung Altenstadt und Wissembourg laufen. Je näher ich Wissembourg komme, um so deutlicher zeichnet sich das Mittelgebirge des Pfälzer Waldes vor mir ab. Der breite Randstreifen bleibt bis zu einem Kreisverkehr in Altenstadt und dort biege ich links nach Wissembourg ab. Bereits jetzt sehe ich das erste Hinweisschild zu meinem Hotel. Von der Hauptstraße muss ich noch einmal abbiegen und mein Hotel ist schnell erreicht.

Das Zimmer ist ok, nur eine Heizung fehlt und wird durch eine sehr laute Klimaanlage ersetzt. Ich heize einmal auf 23 Grad auf und schalte dann die nervige Anlage komplett ab.

203. Etappe: 19. November 2013

Hügelsheim – Beinheim (Frankreich)  10,8 km

Es war eine sehr gute Nacht, ohne Probleme bin ich entspannt und ausgeschlafen erwacht. Mein Wecker hatte keine Zeit mich aus dem Schlaf zu holen. Noch in der Nacht zuvor hatte ich Kopfschmerzen und konnte kaum schlafen. Ich genieße das üppige Frühstück und werde heute die kurze Etappe in den Elsass beschwingt angehen.

Hügelsheim habe ich schnell verlassen und bin bei leichtem Nebel in Richtung Hochwasserdamm unterwegs. Komme an Pferdekoppeln und an einem Gehege mit Rehen vorbei. Dann überquere ich den Rheinniederungskanal, ein unscheinbares Gewässer.

Schließlich erreiche ich den Damm und laufe auf ihm für kurze Zeit bis zur Rheinbrücke mit der Bundesstraße B500. Zunächst gibt es einen abgesetzten schmalen Betonrandstreifen, es folgt ein etwas breiterer Randstreifen nur durch Markierung von der Fahrbahn getrennt und der wird schließlich wieder zu einem recht schmalen Streifen. Der entgegenkommende Verkehr fährt hier recht langsam. Dabei überquere ich den Rheinkanal, einen See und komme dann an einem Kraftwerk vorbei. Als Erstes sehe ich das Hinweisschild, das in etwas einem Kilometer die Straße zu einer Schnellstraße wird, also für Fußgänger und Radfahrer gesperrt ist. Dann erreiche ich den Rhein und nun versperrt mir ein Fußgängerverbotsschild den Weg. Das kann nicht sein! Für mich als Wanderer mal eben umdrehen und die nächste in einigen Kilometern entfernte Brücke nehmen, ist mit einem riesigen Umweg verbunden und nicht denkbar für mich. Ich beachte das Schild nicht und gehe weiter. Nur die Polizei kann mich jetzt noch stoppen.

Auf der anderen Straßenseite sehe ich eine Abfahrt, doch mein Navi signalisiert mir, dass hier ist noch nicht die richtige Abfahrt! Und richtig, ich muss noch einen Kanal überqueren und dann erst kann ich runter von dieser Bundesstraße bzw. Nationalstraße. Die Überquerung dauerte etwa einen Kilometer. Dann wechsele ich die Fahrbahn und überklettere die Leitplanke. Nun bin ich auf einer kleinen Straße in Richtung des Ortes Beinheim unterwegs.

Bei einer Kontrolle meines Navis hält ein Autofahrer an und erkundigt sich nach meinem Ziel. Ich bin richtig unterwegs, und wenn ich gewollt hätte, er hätte mich sogar mitgenommen. Weiter geht es auf der wenig befahrenen Straße. Dabei komme ich an einem See vorbei und unterquere eine Brücke, dann habe ich Beinheim erreicht. Kurze Zeit durchlaufe ich den Ort und erreiche das Zentrum und schon von Weitem sehe ich das rot gestrichene Gebäude, meine heutige Unterkunft.

Die Zimmerwirtin führt mich über einen Hof zu einem Nebengebäude. Im ersten Stock befindet sich mein Zimmer. Alles ist neu umgebaut und erst seit einem Monat gibt es bei diesem Restaurant ein Chambres D’Hotes. Mein Zimmer ist sehr modern gestaltet. Mir gefällt es gut. Da ich noch Kaffeedurst habe und es in unmittelbarer Nähe eine Boulangerie und Pâtisserie gibt, stelle ich meinen Rucksack ab und begebe mich dorthin. 

198. Etappe: 14. November 2013

Sasbach – Rheinhausen  16,9 km

Wieder ist nicht leicht ein Einzelzimmer zu buchen. Ich bin in der Nähe des Europaparks in Rust. Es werden fast nur Ferienwohnungen angeboten und bei den Pensionen und Gästehäusern nur Doppel- und Mehrbettzimmer, genau passend für die Besucher des Parks. Wanderer sind hier hoffnungslos in der Minderheit und das bringt wohl auch kein Geld. In einem Internetportal stoße ich auf ein Appartement. Hier ist der Preis für das Appartement fest und akzeptabel. Lediglich das Frühstück fehlt, dafür gibt es ein Thairestaurant.

Auf dem Weg über den Hof zum Frühstück nieselt es leicht. Doch beim Verlassen des Gasthofes ist es wieder trocken. Ich folge heute einem Radwanderweg mit dem Namen „Veloroute Rhein“. Glücklicherweise schlängelt er sich abseits des zur Zeit langweiligen Rheins. Ich laufe mehr durch Obstplantagen als durch Weinfelder. Der Nebel bedeckt die Landschaft mit einem leichten Schleier. Nur die nähere Umgebung ist gut erkennbar. In der Ferne sehe ich die Berge nur in schwachen Umrissen. Es ist kalt und wieder bin ich mit Mütze und Handschuhe unterwegs. Auf den kleinen Straßen und Wirtschaftswegen begegnet mir niemand. Der eigentlich für gestern geplante Zielort Wyhl liegt nun vor mir, doch von seiner schlechtesten Seite. Ich nähere mich Kränen, Silos und Lagerhallen. Es ist das Gewerbe- und Industriegebiet von Wyhl. Als ich es erreiche, sind mehrere neue Hallengebäude darunter, dann aber folgen wieder ältere Bauwerke und bei einer Einfahrt zu einer Mechanischen Werkstatt mache ich eine Pause. Nun ist die Stunde meines neuen, alten Isomattenzuschnitts gekommen. Es ist ein Betonsockel, auf dem ich mich setzte. Mein Hintern bleibt warm, nur sonst ist es mir nach kurzer Zeit zu kühl. Ich muss wieder weiter und mich bewegen. Den Ortskern erreiche ich nicht, es geht am Ortsrand, an einer Neubausiedlung vorbei. Danach biege ich wieder einmal auf eine Landstraße ohne Radweg ab. Dies nur für eine kurze Zeit und dann hat mich die Einsamkeit eines Wirtschaftswegs wieder eingeholt.

Kurz vor Weisweil finde ich die erste Bank. Jetzt lässt sich, wenn auch nur immer wieder für einen kurzen Moment, die Sonne blicken. Ich telefoniere mit einem ehemaligen Arbeitskollegen, als vor mir ein Auto einbiegt und zwei Schäferhunde davor laufen. Ich werde Zeuge des modernen „Gassifahrens“. Mein Telefonat hindert mich, diese neue Variante des Gassigehens fotografisch festzuhalten. Wenn das in Zukunft um sich greift, oh arme bewegungslose Gesellschaft. Dann später stöhnen und sich über die vielen Pillen, fürs Herz, gegen den Bluthochdruck und gegen den Blutzucker, beschweren.

In diesem Zusammenhang fällt mir sofort wieder ein dicker Wirt ein, der zurückgelehnt im Stuhl saß, jedoch mehr lag als saß. Seinen Schmerbauch vor sich herstreckte, dabei die breiten Hosenträger verrutscht seitlich neben dem Bauch lagen und zu seinem Sitznachbarn sprach: „Kann man die vielen Pillen nicht durch homöopathische Mittel ersetzten?“ Mir kam dabei sofort in den Sinn: „Trink und esse nicht soviel!“ Dazu noch etwas Bewegung, das hilft auch!“ Ich drücke es hier etwas vornehmer aus, als es mir tatsächlich zu diesem Zeitpunkt in den Sinn kam :-).

Nur noch in Weisweil begegnen mir ein paar Mütter mit ihren Kindern, dann bin ich wieder alleine unterwegs. Noch vor Rheinhausen ziehen dunkle Regenwolken auf. Ich riskiere es und verzichte den Poncho rauszuholen. Oberhausen, ein Ortsteil von Rheinhausen, durchlaufe ich am Rand, dann erreiche ich endlich den Zielort Niederhausen. Als ich vor dem Thairestaurant stehe, ist es verschlossen. „Es fängt gut an,“ denke ich! Doch der Anruf sorgt schnell für Abhilfe und ich betrete ein geräumiges und modernes Appartement. Es gibt zwei Schlafzimmer, ein Bad und der Flur ist gleichzeitig auch Küche. Hier steht ein Kaffeeautomat. Kaffeebohnen sind drin und kostenlos zu nutzen.

Der einzige Wermutstropfen, dies merke ich erst zur Nachrichtenzeit, der SAT-Receiver ist total verstellt und zu keiner Anzeige bereit. Für mich nicht so schlimm, es geht auch ohne.

Heute genieße ich ein leckeres Thaigericht, dann geht es zurück ins Appartement. Ich plane für die nächsten zwei Tage und buche bereits auch. Am Samstag werde ich Kehl am Rhein erreichen. Strasbourg auf der anderen Rheinseite werde ich jedoch nicht besuchen. Dort war ich erst vor einem Jahr. 

197. Etappe: 13. November 2013

Breisach – Sasbach am Kaiserstuhl  18,8 km

Eigentlich hatte ich meine heutige Etappe bis Wyhl geplant, doch dort finde ich keine Unterkunft. Auch im Ort danach sieht es nicht besser aus. Erst in Rheinhausen gibt es wieder etwas. Das ist aber deutlich über 30 Kilometer und so konzentriere ich mich rückwärts. In Sasbach werde ich schließlich fündig.

Als ich die Pension verlasse, ist es kalt und bewölkt. Mein erster Weg, wenn schon in der Straße Rheinufer, gilt, natürlich dem Rhein. Dort ist noch nichts los. Am gegenüberliegenden Ufer gibt es eine Zusammenkunft der Schwäne. Vom Rhein muss ich zurück auf die Hafenstraße. Diese führt mich zunächst durch das Gewerbe- und Industriegebiet von Breisach. Vorbei geht es an große Speichersilos, Lagerhallen, Betonfabrik mit dem Namenszusatz „Beton & Design“. Ich sehe aber nur Betonklötze in einfachen Formen. Es folgen Autohändler und Baumarkt. Dann neben einer Großen und inzwischen in die Tage gekommenen Lagerhalle entsteht eine Eventhalle. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite wieder Silos irgendeiner Fabrik. Diese Eventhalle hat das ideale Umfeld zum Feiern :-). Wahrscheinlich kann man hier bis in die Nacht ohne Rücksichtnahme lärmen. Das ist aber auch das einige Schmankerl in dieser tristen Umgebung.

Danach biege ich Richtung Rhein ab, doch zunächst geht es noch an einem duftenden Klärwerk vorbei und durch den Wald, bis ich endlich den Rhein erreiche. Der Weg hinter dem Damm führt an einem kleinen Bachlauf mit Waldgebiet entlang. Wald habe ich schon genug gesehen und so steige ich hoch auf den Damm, um wenigstens den Rhein und die gegenüberliegende französische Uferseite zu sehen. Eine leichte Enttäuschung macht sich bei mir breit. Der Rhein ist hier noch recht schmal und noch wirkt alles auch hier oben ziemlich triste. Auf der französischen Seite nur Bäume und der Rheinverlauf wirken auf mich irgendwie begradigt. Dazu liegen noch in der Ferne leichte Nebelschwaden auf dem Rhein.

Vor mir in einiger Entfernung zwei Gassigeher mit drei Hunden. Ansonsten ist hier nichts los. Nach einiger Zeit verschwinden auch die Gassigeher. Nun bin ich alleine. Lange Zeit begegnen mir weder Radfahrer noch Fußgänger. Zu allem Übel gibt es auch keine Bänke. Hier kommen wohl nur Radfahrer im Sommer vorbei und für die sind keine Bänke vorgesehen.

In der Ferne sehe ich ein den Damm überspannendes Transparent. Was es bedeutet, erkenne ich zunächst nicht. Als ich es erreiche, verweigert es mir den Durchgang mit Bußgeldandrohung. Hier erfolgen Baumfällarbeiten. Die Arbeiter waren wohl zu faul das Transparent etwa einen Kilometer weiter bei einer kleinen Brücke über den Bach aufzustellen. Dann hätte ich es wohl akzeptiert, so aber laufe ich weiter. Jetzt bin ich zu faul nochmals einen Kilometer zurückzulaufen! Ich nähere mich zwei Attrappen. Beim Näherkommen sind es jedoch Personen, sie bewegen sich für mich nicht erkennbar. Auf der anderen Bachseite versucht gerade ein Waldarbeiter die Kettensäge anzuschmeißen. Doch die streikt zumindest, bis ich an den Personen vorbei bin. Man beachte mich überhaupt nicht. Gut, dass ich nicht zurückgegangen bin. Alles wäre nur unnötige Latscherei gewesen. Dann erreiche ich das zweite Transparent und hier gibt es auch eine Brücke. Vermutlich haben die Aufsteller hier in der Nähe ihr Fahrzeug geparkt. Laufen st heute nicht mehr angesagt!

Dann nähere ich mich einem Teich und einer Kies- und Sandfabrik. Hier ziehe ich mein Smartphone-Navi zusätzlich zurate und sehe, hier kann ich schräg über Burkheim und Jechtlingen meinen Zielort erreichen. Vielleicht finde ich hier etwas Abwechslung. Der Rheinverlauf ist momentan nur langweilig und ohne Abwechselung.

Unterwegs auf dem Weg nach Burkheim, vorbei an einem Badebereich des Baggersees, begegne ich einer Spaziergängerin und unterhalte mich einige Zeit mit ihr. Sie unternimmt öfters Touren bis zu 15 Kilometer in der Umgebung, erzählt sie mir. Weiter geht es nach Burkheim. Bei einem Antiquariatsmarkt für alte Gartenmöbel stehen verführerisch zwei massive Holzbänke. Den Mann davor, es ist der Inhaber des Antiquariatsmarktes, frage ich, ob ich hier eine Pause machen darf. Ja, ich darf und bekomme als Sitzunterlage ein Lammfell angeboten. Nun sitze ich warm und bequem und wir sind schnell im Gespräch. Auch er macht ab und zu längere Wanderungen. Dazu gehört auch eine Alpenüberquerung bis nach Venedig und in der letzten Zeit öfters auch Wanderungen in den vor der Haustür liegenden Vogesen. Dann bietet er mir an eine Sitzunterlage zuzuschneiden. Er hat noch eine alte Isomatte. Natürlich nehme ich an. Wir schneiden sie gerade so groß, dass mein Allerwertester darauf Platz hat. Es folgt eine Einladung zu einer Tasse Tee und einer Apfelschorle im warmen Inneren. Neben mir ein alter eiserner Kohle- und Holzofen. Immer wieder befeuert er ihn mit Holzscheite. Es ist gemütlich warm. Aus einem Tee werden zwei Tassen und wir plaudern weit über eine Stunde miteinander. Es war angenehm und unterhaltsam. Bei so einer Plauderei vergesse ich gerne die Lauferei. So etwas ist das Salz in der Suppe bei meiner Umrundung.

Er empfiehlt mir unterhalb der Burg links wieder zum Rhein und von dort nach Sasbach zu laufen. Doch vom momentan tristen Rhein habe ich genug gesehen und werde in den nächsten Tage an ihm noch viele Kilometer weiterlaufen. Ich entschließe mich, weiter an der Straße entlang zu laufen. Zunächst geht es durch den netten kleinen Ort unterhalb der Burg, dann bin ich auf der Landstraße. Je weiter ich laufe, um so tiefer bin ich im Weinanbaugebiet des Kaiserstuhls. Um mich herum Weinfelder und –hänge. Alles überwiegend in gelben Farbtönen getaucht. Dabei etwas Grün und Braun. Das Gelb der Obstbäume erstrahlt im herrlichen Gelb, obwohl sich die Sonne überhaupt nicht blicken lässt. Ich bin froh diesen Weg gewählt zu haben.

Die Straße ist an einigen Stellen unangenehm zu laufen, doch inzwischen habe ich mir ein dickes Fell angeeignet und genügend Gottvertrauen. Auch die Passagen überstehe ich und erreiche schließlich Sasbach und den Gasthof mit Pension. Als ich den Gastraum betrete, empfängt mich eine Ausstattung der 60er Jahre, doch irgendwie gemütlich. Die meisten Tische sind belegt. Das Gästehaus ist über den Hof erreichbar und modern eingerichtet. Ebenso auch das Zimmer.

Nach dem Duschen begebe ich mich wieder in den Gastraum. Bestelle ein Gericht mit Spätzle und dazu einen Rote aus Sasbach. Das Essen ist gut und reichlich und der Wein schmeckt vorzüglich. Hier arbeite ich noch, bis mein Notebook-Akku streikt.