Hinweis für meinen weiteren Weg

Bericht 151 bis 153 folgen. Ich bin bei der Aufarbeitung.

Es ist noch ordentlich windig und über eine Webseite für den Bayerischen Wald gibt es weiterhin für heute eine Sturmwarnung oberhalb 1100 Meter.

Der Lusen, eigentlich ein “Muss” auf dem Goldsteig und der dritthöchste Berg dort, liegt über 1300 Meter. Ich habe auf meiner Wanderschaft schon zweimal die unangenehme Bekanntschaft mit Sturm und Sturmböen gemacht. Dort war es aber ein leichter Weg auf dem Deich. Nochmals bei deutlich schwierigeren Wegen und der gestrigen Bekanntschaft mit umstürzenden Baumleichen möchte ich nicht machen.

Ich disponiere daher um und werde irgendwie mit dem Bus nach Mauth oder Philippsreut fahren. Telefonieren ist wieder einmal mit dem Telekomnetz nicht möglich!

157. Etappe: 29. September 2013

Frauenau – Waldhäuser
Distanz: 24,7 km; Aufstiege: 585 m; Abstiege: 344 m

Schon zu Beginn meiner heutigen Etappe treffen mich die ersten Sonnenstrahlen. Noch ist es überwiegend bewölkt, aber es verspricht ein gutes Wanderwetter zu werden. Bereits am Ortsende stehe ich vor einem Schild: „Privatstraße“. Nur kurz zögere ich, schaue auf mein Navi und das zeigt mir nur einen größeren Umweg als Alternative an, dann gehe ich kurz entschlossen weiter. Erreiche wenig später ein Haus und sehe sofort das Schild: „Vorsicht frei laufender Hund“. Schnell hole ich das Pfefferspray heraus, sicher ist sicher. Doch der freilaufende Hund hat wohl Ausgangssperre. Und dann stehe ich auch schon auf einem Wirtschaftsweg und nun müsste es nur ein paar Meter weiter einen Weg hoch in den Wald geben. Der Weg kommt auch, doch schon nach wenigen Metern ist er verschwunden. Wenn überhaupt, ist es sehr lange her, dass es hier einmal weiterging. Hier jedoch hat mein Navi eine akzeptable Alternative und die führt mit einem Bogen auch in den Wald und später zu einem Kreuzungspunkt mit meiner geplanten Route.

Gleich geht es für längere Zeit wieder aufwärts. Bei Altposchingerhütte ist der als Radweg Nationalpark ausgewiesene Weg nun mit einer noch nicht verfestigten Schicht Steine aufgefüllt. Für einen Radfahrer eine ernste Herausforderung mit seinen Reifen. Auch ich muss nun wieder sehr konzentriert laufen.

Es erstaunt mich immer wieder, wie sich der Körper anpassen kann. Anfangs brannten mir die Füße nach längerer Zeit auf Asphalt und jetzt habe ich kein Problem mehr damit. Mit diesen Steinen hätte ich zu Beginn meiner Wanderung ernste Probleme bekommen. Dieses ständige Kippeln hätte mir arg zugesetzt. Doch jetzt nehmen es meine Bänder und Sehnen gelassen hin.

Diese Steinschicht muss ich noch etwa zwei Kilometer bis Klingenbrunn-Bahnhof ertragen. Unterwegs ein kurzer Plausch mit einem Radler über diese Bodenschicht. Er meint, dies ist ein Privatweg und der Belag bleibt wohl so ohne Verfestigung. Das Geld wird fehlen. In Klingenbrunn-Bahnhof mache ich eine Pause, dann geht es weiter auf einem Wirtschaftsweg unmittelbar neben einem Bach entlang. Mich trennt nur ein schmaler Grünstreifen mit Bäumen und Büschen von dem munter dahinfließenden Bach. Bei einem Rastplatz dann die nächste Pause direkt neben dem Bach. Der Wirtschaftsweg oder die kleine Straße ist vollkommen Auto- und Menschenfrei. Ich genieße die Ruhe und das herrlich dazu passende Plätschern.

Ab Spiegelau laufe ich zunächst wieder durch den Wald. Im Bereich des Ortes komme ich an einigen Spielplätzen vorbei. Hier schallen mir Lachen und Schreien der Kinder entgegen. Hier würde ich auch gerne mit meiner kleinen Enkelin sein. Der Wald ist bald zu Ende und ich erreiche wieder die Straße. Für den Nationalpark-Radweg gibt es eine unbefestigte Spur etwas abseits der Straße. Nach einiger Zeit kommt wieder einmal eine Bank und die nutze ich. Es ist windig geworden und immer wieder gibt es Windböen. Im Telefonat mit einem Studienfreund höre ich es plötzlich laut bersten und einen Moment später laut krachen. Erschrocken springe ich auf. Hinter mir, die Straße ist noch dazwischen, ist auf einer größeren Fläche mit vielen großen alten und kahlen Baumleichen wohl gerade ein nackter Riese umgestürzt. Nun werde ich unruhig, ich habe noch etwa 8 bis 9 Kilometer durch bzw. am Wald entlang bis zum Ziel zu laufen. Wir beenden das Gespräch und noch beim Aufschnallen meines Rucksacks höre ich es wieder krachen, jetzt ist wohl was Kleines runtergekommen. Als ich starten will, mein Blick ist gerade in Richtung dieser Baumleichen, kommt wieder eine Böe und nun kann ich das Bersten eines Riesen fast sehen. Zunächst fällt er fast in Zeitlupe zur Seite, dann krachend schnell zu Boden.

Nun habe ich es eilig. Der Wind hat auch weiter zugenommen. Mit diesem Erlebnis sehe ich natürlich nur noch umgefallene Bäume abseits des Weges. Normalerweise wäre ich ohne Beachtung daran vorbei gelaufen, doch jetzt springen sie förmlich in mein Blickfeld. Mein Schritt ist sehr zügig, biege dann bei einem Hinweisschild nach Waldhäuser ab. Hier geht es nun direkt an der Straße entlang. Im Ort Guglöd weist wieder ein Schild nach Waldhäuser, nur dieser Weg führt durch den Wald. Der Sinn steht mir gerade nicht nach Wald und so laufe ich weiter an der Straße entlang.

Der Wind hat weiter zugenommen und die langen Fichten biegen sich recht ordentlich zur Seite. Jetzt sind es noch etwa zwei Kilometer bis zum Ziel. Da sehe ich plötzlich einen Bus kommen und ein Stück weiter vorne auch eine Haltestelle. Die Busfahrerin hat mich wahrgenommen und zeigt auch mit der Hand zur Bushaltestelle. Dort wartet sie, bis ich diese keuchend erreiche. Erleichtert steige ich ein und nun bin ich wenige Minuten später am Ziel.

156. Etappe: 28. September 2013

Zwieslerwaldhaus – Frauenau
Distanz: 21,1 km; Aufstiege: 457 m; Abstiege: 499 m

Als ich 9:45 Uhr das historische Gasthaus verlasse, scheint bereits die Sonne und ein tiefblauer Himmel empfängt mich. Zwar ist es noch etwas frisch, aber wenn die Sonne bleibt, wird es ein Traumwetter zum Wandern.

Nachdem ich das Ortsende erreiche, biege ich gleich in einen Laubwald ein. Sofort geht es aufwärts und schon nach kurzer Zeit erreiche ich die ersten Wanderer und ziehe vorbei. Dann bin ich alleine unterwegs. In lichten Bereichen des Waldes blendet mich öfters die Sonne, ich bleibe auch stehen und genieße für einen Moment die warmen Strahlen. Auch meine Jacke verschwindet schnell wieder im Rucksack. Es ist inzwischen so warm, dass ich nur im T-Shirt laufen kann. Mitten im Wald durchschreite ich eine Lichtschranke. Der Sinn dieser Einrichtung erschließt sich mir nicht. Sollen hier Wanderer und Spaziergänger gezählt werden oder Wildtiere?

Später erfahre ich, es handelt sich um Wildkameras für Forschungszwecke. Man möchte dem Luchs auf die Spur kommen.

Das Thema „Nicht gesehene Schachten“ und „Innere Ruhe“ beschäftigt mich immer noch. Noch kann ich nicht davon loslassen. In jedem Fall werde ich nicht noch einmal einem „Muss ich gesehen haben“ erliegen. Ich will mit Spaß und Freude weiterhin unterwegs sein und das sich plötzlich Ergebende einfach genießen.

So in Gedanken erreiche ich eine Kreisstraße. Diese verkehrsarme Straße verlasse ich nach meiner geplanten Route schon wenig später wieder. Doch als ich die Abzweigung erreiche, ist der eingezeichnete Wirtschaftsweg fast nicht mehr zu erkennen. Ich gehe trotzdem hinein und stapfe durch hohes Gras, hier ist eindeutig schon lange niemand mehr unterwegs gewesen. Mein Weg wird durch einen munter vor sich hin plätschernden Bach versperrt. Hier hat die Natur gesiegt. Da ich kein Bedarf auf nasse Füße habe, kehre ich um und laufe weiter auf der Kreisstraße entlang.

Ab Spiegelhütte gibt es einen separaten, parallel zur Straße, verlaufenden Fuß- und Radweg. Ich durchschreite den Weiler Jungmaierhütte und erreiche schließlich Buchenau. Bei einem Brunnen mit frischem Quellwasser mache ich eine Pause. Ein Anwohner erzählt mir stolz, dass diese Quelle den ganzen Ort mit Trinkwasser versorgt. Weiter im Ort erreiche ich ein schönes weißes Gebäude. Ein geschmückter alter Mercedes-Caprio und zwei Personen stehen wartend vor dem Metalltor. Ich frage, ob dieses Gebäude das Rathaus des Ortes ist. Als Antwort erhalte ich: „Dies ist das Schloss und einmal im Monat finden hier auch Trauungen statt.“

Den Ort verlasse ich auf einem schmalen Pfad und erreiche eine alte mächtige Hainbuche. Mit meinem NW-Stock messe ich den Durchmesser und der ist etwa 1,80 Meter. Wieder nur kurze Zeit später stehe ich vor einem Hinweisschild. Dieses weist aus, dass hier bis 1970 die Buchenauer Totenbretter standen. Zur Demonstration hängen beiderseits der Tafel zwei größere Bretter am Baum.

Von hier habe ich immer wieder einen herrlichen Blick in die Ferne. Im Vordergrund bereits die herbstlich gefärbten Laubbäume und im Hintergrund schieben sich die Berge Konturenhaft hintereinander. Der Pfad mündet in eine Lichtung mit rot und gelb gefärbten Bäumen. Danach geht es wieder ansteigend weiter. Am Wegesrand sehe ich wie schon unterwegs zum Großen Arber wieder das Wollgras mit seinem weißen, wie Flaum wirkenden Blüten.

Schließlich erreiche ich die Trinkwassertalsperre Frauenau und mache meine Mittagspause bei einem Rastplatz. Mit einem ebenfalls eintreffenden Paar bin ich schnell im Gespräch. Danach folge ich nach der Staumauer einer sich nach unten schlängelnden Fahrstraße. Es läuft sich gut abwärts und mein Kopf ist wieder frei. Erst kurz vor Erreichen einer Schranke schaue ich auf mein Navi. Ich habe wieder einmal die Abzweigung verpasst. Also wieder hoch bis zur Abzweigung, dann weiter nach Oberfrauenau und Frauenau. Bei Oberfrauenau komme ich an einem alten Gutshof und an dem Gutsgasthof vorbei. Nun ist es nicht mehr weit bis nach Frauenau. Dort im Zentrum auf einer Bank versuche ich mein Glück mit dem Mobilfunk. Tatsächlich klappt es wieder, sogar mit guter Geschwindigkeit. Schnell finde ich eine Pension in der Nähe der Badeanstalt.

Den Nachmittag und den Abend verbringe ich nun mit Berichten schreiben und Bilder bearbeiten. Es ist viel nachzuholen. Mein Kopf ist aber wieder frei. 

155. Etappe: 27. September 2013

Großer Arber – Zwieslerwaldhaus
Distanz: 14,4 km; Aufstiege: 285 m; Abstiege: 948 m

In Fortsetzung des gestrigen Abends, versuche ich noch in der Frühe meine Routen anzupassen. Beim Versuch ins Internet zu kommen, erhalte nach einer Ewigkeit die Meldung „Zeitüberschreitung“ und es folgt der Abbruch. Telefonieren geht und geht mal nicht. Ich versuche eine Alternativlösung ohne Großen Falkenstein und Großen Rachel, aber die Schachten dazwischen, auf Empfehlung von Werner, in eine neue Route einzubauen. Sehr schwierig ohne Internet, Karten und Detailinformationen, wo genau die interessantesten Schachten liegen.

In jedem Fall folge ich für heute der Empfehlung und werde nur bis Zwieslwaldhaus laufen, dort versuche ich dann im ältesten Gasthof des Bayerischen Waldes zu übernachten.

Gegen 6:30 Uhr beginnt langsam der Sonnenaufgang, doch die Sonne zeigt sich nicht, nur der Himmel verfärbt sich. Nach und nach wird es heller, doch die Nebelschwaden verhindern eine Fernsicht. Schade, ich hätte gerne mehr von meinem Fenster aus gesehen.

Als ich loslaufe, finde ich nicht den Einstieg in den Goldsteig zur Seebadschleife. Da ich an der Sesselliftkasse nach einer Karte fragen möchte, gehe ich dorthin und erhalte auch eine Richtungsauskunft. Auf dem Weg abwärts genieße ich den Blick in die Ferne und ins Tal. Vereinzelte kleine Wolken schweben unter mir und über dem Tal. Ich schau wieder einmal zu spät auf mein Navi und erkenne dieser Weg führt in die falsche Richtung. Wieder zurück und kurz vor der Arber-Schutzhütte treffe ich auf drei Personen, die ich schon in Eck gesehen haben. Im Gespräch mit ihnen erfahre ich, dass einer der Drei schon die ehemalige Deutsch-Deutsche-Grenze abgelaufen ist. Beim Erzählen kommt er richtig ins Schwärmen. Ich werde mich nach meiner Rückkehr mit ihm in Verbindung setzten und mehr über diesen Weg in Erfahrung bringen. Denn wenn ich das Drumherum geschafft haben sollte, darf das Mittendurch nicht fehlen.

Diesmal gehe ich in das Arber-Schutzhaus, wenn auch mit wenig Hoffnung, und frage dort nach dem Goldsteigeinstieg. Tatsächlich kann man mir den Weg zum Goldsteig zeigen. Nun beginnt ein steiniger Abstieg. Mit meiner Bänderrissvergangenheit gehe ich langsam und mit höchster Konzentration abwärts. Neben den vielen kleinen und großen Steinen tauchen auch immer öfters Wurzeln auf. Zwei Wanderer mit kleinem Gepäck holen mich ein und kurze Zeit laufen wir zusammen.

Sie sind mit dem Sessellift hoch auf den Großen Arber gefahren und starten heute die erste Etappe, einer einwöchigen Goldsteigwanderung. Über einen Reiseveranstalter haben sie Übernachtungen und Gepäckservice gebucht. Erst mit den zugeschickten Unterlagen erfuhren sie, dass sie zum Teil auch mit dem Bus am Ende einzelner Etappen zu den Unterkünften fahren müssen. Einige Unterkünfte auf der Strecke waren bereits ausgebucht. Ich erzähle ihnen lieber nicht, dass nach dem anstrengenden Aufstieg zum Rachel auch noch ein längerer Abstieg zur Bushaltestelle folgen wird.

 Glücklicherweise endet nach einiger Zeit der anstrengende und steinige Abschnitt. Danach geht es auf einem breiten Weg zum Großen Arbersee. Ein kurzes Stück Straße folgt und dann bin ich wieder auf einem Waldweg abwärts. Gedankenverloren übersehe ich wieder einmal die Beschilderung und stelle erst mit dem Navi fest, das ich zu weit gelaufen bin. Doch mein Navi zeigt mir einen Alternativweg und so erreiche ich dann ohne Umkehr den Weiler Seebadschleife. Hier verlasse ich den Goldsteig und laufe nun nach dem nächsten Weiler Schwellhäusl. Hier ist es ein Muss im dortigen Gasthof einzukehren, wie mir eindringlich Werner rät.

Der Weg zum Schwellhäusl führt erst einmal wieder hoch. Ein junges Paar holt mich bei einer Verschnaufpause ein. Sie schauen bei ihrem Spaziergang nach Pilzen. Eine fette Ausbeute von drei Pilzen J ist bereits in ihrer Stofftasche. Wir gehen erzählend und dabei schnaufend zusammen weiter und erreichen schließlich den Gasthof. Er liegt idyllisch an einem Teich. Wir finden draußen im gut besuchten Biergarten einen Platz.

Das Paar stammt aus dem Saarland und macht hier in der Gegend einen Kurzurlaub. Sie übernachten in einer der Familie gehörenden Eigentumswohnung. Die junge Frau kommt schon seit ihrer Kindheit regelmäßig hierhin. Sie war auch schon einmal in Darmstadt bei „Jugend musiziert“ gewesen.

Der nun folgende Weg führt durch einen Mischwald, genau neben einen kleinen Bach entlang. Immer wieder komme ich an Totholz vorbei. Im Nationalpark gibt es keine Holzwirtschaft. Umgestürzte Bäume werden, soweit sie nicht die Wege blockieren, einfach liegen gelassen. Es ist ein schöner Weg, und wenn einmal die Sonne es durch die Wolken schafft, ist der Wald wunderbar lichtdurchflutet.

Nach diesem herrlichen Waldweg stoße ich schließlich auf eine Straße und erreich nach ca. 800 Metern den Ort Zwieslwaldhaus und meine heutige Unterkunft. Hier kann ich wieder einen Waschtag mit Waschmaschinenwäsche einlegen. Als ich später ins Internet will, geht dies hier leider wieder nicht. Auch der WLAN-Zugang klappt nicht. Die Wände des alten Gebäudes sind sehr dick, doch auch der Versuch draußen über das Mobilfunknetz ins Internet zu kommen, schlägt fehl.

Lange Zeit versuche ich für die morgige Etappe einen Weg über die Schachten zu finden. Ich probiere bestimmt zehn Varianten aus und jedes Mal liegen die Längen der Etappe über 28 bis zu 34 Kilometern. Damit verbunden sind auch einigen Höhenmeter zu überwinden, das ist mir zu viel. Ich gebe schließlich gegen 21 Uhr auf und nehme morgen eine leichte schnell zusammengestellte Alternativroute. Die Schachten auf dieser Wanderschaft sind aus meinem Programm gestrichen.

Die letzten Tage mit den ständigen Umänderungen der Streckenführung und nun der verzweifelte Versuch doch noch eine machbare Strecke zu finden, haben mich total aus meinem gewohnten Rhythmus gebracht. Bildbearbeitung und Berichte schreiben habe ich sträflichst vernachlässigt. Das nur, um unbedingt etwas Sehenswertes zu sehen. Die heutige leichte Etappe war definitiv zu kurz, ansonsten hätte es mit den Schachten wohl geklappt. Und doch hat sie auch etwas Gutes, ich konnte einen Waschtag einlegen. Am 5. Oktober will ich unbeschwert und entspannt in Passau sein und meine Familie begrüßen. Darauf freue ich mich sehr.

Meine Deutschlandumrundung mache ich nicht um bestimmte Sehenswürdigkeiten und bestimme Landschaften abzuarbeiten. Die meiste Zeit weiß ich vorher nicht, was mich unterwegs erwartet. Um so mehr freue ich mich dann, Schönes zu entdecken und zu sehen und es ausgiebig, wenn möglich, zu genießen. Das Tun um Bestimmtes sehen zu wollen, war eine gefährliche Gratwanderung, denn meine inzwischen gewonnene innere Ruhe und Ausgeglichenheit ist stark ins Wanken geraten. Doch genau diese Ruhe und Ausgeglichenheit und die Freude etwas Neues zu entdecken, ist mir wichtiger, als unbedingt etwas abzuhaken.

Ich lerne immer noch dazu und aus dem Gewesenen habe ich zumindest für Zukunft gelernt, nichts mehr sehen zu müssen. Keine Hetze mehr! Natürlich freue ich mich weiterhin auf Tipps und Infos, doch es muss in meine Streckenführung und Planung passen. Denn immer noch ist viel Spaß dabei, unterwegs zu sein und das soll so bleiben. Wenn es sich ergibt, genieße ich. Auch das gedankenverlorene Traben auf einer Asphaltpiste hat sein Gutes, ich kann inzwischen dabei total entspannen.

154. Etappe: 26. September 2013

Eck – Großer Arber
Distanz: 16,4 km; Aufstiege: 1100 m; Abstiege: 574 m

Als ich den Gasthof verlasse, nieselt es bereits. Der Aufstieg fängt gut an. Schnell bin ich auf einem schmalen Waldpfad steil nach oben unterwegs. Der Weg ist zwar auch voller Steinen und Wurzeln, doch es läuft sich weniger kräftezehrend als gestern. Trotzdem muss ich auch hier öfters eine Verschnaufpause einlegen.

Bei einem Schlachtfeld voller umgestürzter und zum Teil zersägter Bäume suche ich das erste Mal das Goldsteig-Wegezeichen. Auf meinem Weg komme ich oft an Totholz oder an abgestorbenen Fichten, deren kahlen Stämme immer noch stehen, vorbei. Auch sehe ich viele Vogelbeerbüsche, junge Birken und jungen nachwachsende Fichten. Der leichte Nieselregen hält sich weiterhin. Trotz des wenigen Baumbestandes ist die Fernsicht durch Nebelschleier getrübt.

Immer wieder sind kleine Klettereinlagen über Felsen und Steine notwendig. An manchen Stellen wünschte ich mir mehr Wegezeichen, wie es sie auf den leichteren Etappen zuvor gab. Öfters mal kommt leichte Unsicherheit auf, bin ich noch richtig unterwegs. Dann ein Fels vor mir und ich weiß für einen Moment nicht, wie ich da mit meinem Rucksack rüber kommen soll. Etwas seitlich ein kleiner Vorsprung, ausreichend für die Schuhspitze und in Griffnähe eine feste Wurzel. Ich setze die linke Fußspitze darauf und ziehe mich an der Wurzel hoch. Dann kann ich hochdrücken. Ich habe es mit dem Rucksack und den Stöcken geschafft. Bei solchen Momenten ist der Rucksack ein echtes Problem. Ich sehe kein Zeichen mehr und weiß nicht, ob ich noch richtig bin. Doch wieder zurück geht nicht. Wenig später befinde ich mich auf einem schmalen Pfad an einem Steilhang. Weit über mir ein metallenes Kreuz. Der feuchte Untergrund ist unangenehm zu laufend und meine Anspannung groß. Ein Ausrutschen auf den glitschigen Wurzeln wären nicht gut. Dann ein etwa 80 Zentimeter tiefe Stufe und in der Trittstelle Matsch. Ein Abstützen mit den Stöcken ist hier nicht möglich. Ich muss einfach diese Stufe nehmen und hoffen, nicht bei Auftreffen auszurutschen. Ich rutsche nicht, versinke aber mehrere Zentimeter im Schlamm. Danach noch einen steinigen Pfad weiter aufwärts und schließlich komme ich erleichtert unmittelbar unterhalb des Kreuzes an. Hier stelle ich fest, mein Weg am Steilhang war nicht der offizielle Goldsteigweg, denn der kommt seitlich vor mir rechts vor dem Kreuz. Lag es an einer schlechten Beschilderung oder einfach nur an meiner Unachtsamkeit bei dieser Extraeinlage. Doch so viel steht fest, ich bin nicht der Erste auf diesem Weg gewesen.

Nach vielem Auf und Ab über Steine, Felsen und auch vielen kahlen Flächen, erreiche ich ein Plateau mit jungen Nadelhölzern und Vogelbeerbüschen und inmitten eines Meers aus Heidelbeersträuchern und hellgelbem Gras. Viele Blätter der Heidelbeersträucher sind bereits herbstlich rot gefärbt und voller Heidelbeeren. Ich nasche ausgiebig und an meinen Finger sind die Spuren deutlich sichtbar. Ein junges Paar ohne Gepäck hetzt an mir vorbei und hat kein Auge für diese atemberaubend schöne Landschaft. Auch verschwenden sie keinen Moment für die vielen Heidelbeeren. Sie wollen nicht oben auf dem Großen Arber übernachten, sondern gleich wieder runter, wie sie mir kurz zurufen.

Wieder geht es einem kahlen Berg entgegen und auf dem Plateau ist der Pfad mit Holzbohlen ausgelegt. Seitlich schimmert zwischen den Gräsern Wasser durch. Ich durchschreite ein Hochmoorgebiet. Wieder fesselt mich diese Landschaft aus einem Farbenmeer von Grün-, Gelb- und Brauntönen, durchsetzt mit weißen Farbtupfern des Wollgrases.

Schließlich erreiche ich den Kleinen Arber und die dortige Schutzhütte. Einsam auf einer Bank im verlassenen Biergarten lege ich eine Pause ein. Der nun folgende Weg zum Großen Arber ist wieder vorbildlich ausgeschildert. Ich habe den Eindruck, dort wo es anstrengend wird, lässt die Beschilderung etwas nach.

Der weitere Aufstieg mündet auf einem breiten Fahrweg. Dieser schlängelt sich ordentlich ansteigend nach oben. Bei einer Kurve verlässt der Goldsteig wieder diesen Fahrweg. Doch ich bin froh nun unbeschwert laufen zu können und nehme den vielleicht etwas längeren Fahrweg nach oben in Kauf. Nur aus Gewohnheit schaue ich nach einiger Zeit auf mein Navi und zoome dabei den Fahrweg näher ran. Jetzt erkenne ich, dieser Weg führt zumindest auf meinem Navi nicht zum Ende der dargestellten Goldsteigetappe. Zweifel nagen an mir, ob ich hier überhaupt das Schutzhaus erreichen werde. Da das Mobilfunknetz wieder mal hier vorhanden ist, rufe ich zur Sicherheit im Schutzhaus an. Ein junger Mann meldet sich. Ich erkläre ihm, dass ich mich etwa einen Kilometer weit von ihm entfernt auf einem Fahrweg nach oben zum Arber befinde. Ob dieser Weg auch zum Arber-Schutzhaus führt. Der junge Mann hat keine Ahnung und erklärt mir lediglich: „Ich kenne diesen Weg und auch den Goldsteig nicht. Ist aber nicht schlimm, wenn sie nicht kommen.“ Ich bin perplex und irritiert, was soll das, wo soll ich denn hier übernachten. In meinem aufkommenden Ärger möchte ich den jungen Mann am liebsten zum Mond schießen. Ich verabschiede mich mit Mühen ruhig von ihm und laufe zurück zur Abzeigung.

Der junge Mann ist, wie ich später erlebe, ein ganz Netter und um seine Gäste bemüht und sehr hilfsbereit.

Wieder an der Abzweigung angekommen, sehe ich beim Studieren der Wegweiser den Hinweis, nur noch 800 Meter bis zum Ziel. Doch diese letzten 800 Meter haben es in sich. Über immer wieder hohen hölzernen Trittstufen klettere ich keuchend nach oben. Die gestrige Etappe ist sofort wieder in meinen Gedanken. Diese hohen Trittstufen sind sehr anstrengend. Jedes Mal wuchte ich mein Körpergewicht, noch mit zu viel Fett und meinen schweren Rucksack nur auf einem Bein nach oben. Das wiederholt sich einige Zeit und ich muss wieder einige Verschnaufpausen einlegen. Schließlich, wenn auch zum Teil in Nebel gehüllt, erkenne ich Antennenanlagen und ein nicht weit davon stehendes Gebäude. Das Gebäude mobilisiert noch einmal meine Reserven. Doch dieses Gebäude ist nicht das Arber-Schutzhaus, wie ich beim Erreichen feststelle. Dieses ist wenig später dann neben der Bergstation der Sesselliftanlage erreicht. Als ich das Schutzhaus betrete, kommt mir ehrlich erfreut der junge Mann entgegen.

Nun im Gespräch mit ihm erfahre ich, dass er immer den Sessellift nutzt. Er darf nicht mit seinem Auto hier hoch. Die Straße führt wahrscheinlich nur zu den Antennenanlagen der Bundeswehr. Von dort wäre ein Durchkommen nach hier nicht möglich.

Nach dem Duschen und dem Abendessen sitze ich in der Gaststube und bearbeite gerade meine Bilder, als mich Werner, ein Leser meines Blogs über das Schutzhaustelefon anruft. Internet und Mobilfunk klappen hier oben momentan nicht. Werner hat mir weitere Informationen über Mail geschickt. Er empfiehlt mir eindringlich die Schachten zu besichtigen. Morgen nur eine kurze Etappe bis nach Wieslwaldhaus über Schwellhäusl einzuplanen und am folgenden Tag die Schachten dann in Angriff zu nehmen.

Die Schachten sind ähnlich den Almen in den Alpen baumfreie Waldwiesen. Diese Freiflächen wurden als Übernachtungsplätze genutzt. Einzelne Bäume dienten als Schatten spendende Ruheplätze für die Rinder. Heute werden sie nicht mehr genutzt und die einzelnen Bäume sind inzwischen sehr alt. Nur in der Gegend um den Gr. Falkenstein und den Gr. Rachel heißen diese Lichtungen „Schachten“.

Noch in der Gaststube versuche ich Alternativwege auf meiner topografischen Karte am Notebook zu finden. Nicht wirklich einfach, wenn man die örtlichen Gegebenheiten und die richtigen Wegstecken nicht kennt. Lange halte ich nicht durch, dann bin ich müde und gehe auf mein Zimmer.  

150. Etappe: 22. September 2013

Oberviechtach – Rötz (Bauhof)
Distanz: 21,3 km; Aufstiege: 720 m; Abstiege: 595 m

Als ich das Café zum Frühstück betrete, erkenne ich sofort drei Wanderer aus Marktredwitz wieder. Ich saß im Café in Marktredwitz in ihrer Nähe, sie jedoch beachteten mich zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie waren zu sehr in ihrer Unterhaltung vertieft. Ich spreche sie an, doch sie erinnern sich nicht mehr an mich. Von der Chefin des Hotels werde ich zu ihnen an den Tisch gebeten und so entsteht schnell eine muntere Unterhaltung. Für sie ist die Wanderung hier in Oberviechtach nach einer Woche Goldsteig zu Ende. Sie werden etwa 15 Minuten später vom Taxi abgeholt.

Die Wetterprognosen scheinen zu stimmen, es ist zwar noch etwas kühl, aber trocken. Ich entschließe mich spontan, Richtung Süden der Straße zu folgen und am Kreuzungspunkt mit dem Goldsteig, wieder einzusteigen. Es ist Sonntag und daher wird nicht viel los sein unterwegs, denke ich mir. Doch ich täusche mich, an die Wahlen am heutigen Sonntag habe ich nicht gedacht.

Kurz vor 12 Uhr hat mich der Goldsteig wieder. Im Wald an einer aufgeweichten Stelle sehe ich frische Fußspuren. Und diese passen zu meinem Weitwanderer Werner. Er ist vor mir und so habe ich wenig Chancen ihn nochmals zu sehen.

Nach einer längeren Phase im Wald erreiche ich das Dorf Neudeck. Ich habe wieder einmal einen herrlichen Blick in die Ferne. Abgelenkt von dieser grandiosen Landschaft beachte ich mal wieder nicht die Beschilderung und laufe ein Stück in falscher Richtung.

Noch vor Kulz auf einer Anhöhe treffe ich auf eine wuchtige Bank-Tisch-Kombination. Ein modernes aus dicken Balken gefertigtes Teil. Eine sicherlich recht teure Angelegenheit, wenn es nicht gespendet wurde.

Wieder denke ich sofort an die so seltenen Sitzgelegenheiten unterwegs. Und hier steht ein Exemplar, protzig und teuer. Dafür könnte man mehrere schlichte Bänke unterwegs aufstellen! Ein Wanderer hat nicht viel Ansprüche, nur sitzen und ausruhen. Vielleicht auch eine Wegzehrung zu sich nehmen und die Landschaft und Natur genießen.

Nach Kulz gehe ich nicht die ausladende Schleife des Goldsteigs mit, sondern folge der unbefahrenen Kreisstraße. Dort erreiche ich eine Moor- oder zumindest Tümpellandschaft, der Name „Kulzer Moos“, wie ein Hinweisschild mitteilt, ist für mich irreführend. Ich biege auf diesen merkwürdigen Platz ab. Hier ragen Hunderte Birkenstümpfen ohne Baumkronen aus dem Wasser. Was ist hier geschehen und warum fehlen überall die Baumkronen? Jetzt noch Nebel dazu und diese Landschaft wirkt vollkommen surreal.

Nach einem Anstieg kreuzt der Goldsteig die Straße und ich folge ihm wieder in den Wald. Diesen verlasse ich nun bis zum Ziel nicht mehr. Doch die letzten Kilometer haben es nochmals in sich. Zuletzt beginnt ein Kletterkurs. Über Felsentreppen und Steine geht es auf einem schmalen Pfad ordentlich aufwärts. Ich ziehe mich öfters am Handlauf hoch. Die natürlichen Stufen sind einige Male recht hoch und nach einem Tag Wanderung hat die Oberschenkelmuskulatur schon viel Arbeit verrichtet und ist etwas mürbe. Als ich den höchsten Punkt erreicht habe, bin ich froh, dass es nun endlich geschafft ist. Das allerletzte Stück ist nur noch ein kurzer Spaziergang zum Hotel.

Dank Markus, ein Leser meines Blogs, habe ich eine Alternativroute für drei Etappen statt 4 Goldsteigetappen erhalten. Er stammt aus dieser Gegend und hat sich unglaublich viel Mühe gegeben und alles sehr präzise beschrieben. Doch leider kann ich nichts ausdrucken. Da er aber auch noch auf einer Internetkarte die Routen eingezeichnet hat, plane ich diese Routen auf meiner topografischen Karte nach. Morgen werde ich diese Route in Angriff nehmen. Er würde gerne auf seinen Hausstrecken mitlaufen, ist aber verständlicherweise als frischer Papa anderweitig beschäftigt.

Ein herzliches Dankeschön an den „Bua vom Schwoaz Sepp“ :-). Schade das wir nicht zusammenlaufen können. Auch das hätte mich sehr gefreut. Vielleicht kann man das ja zu einem späteren Zeitpunkt auf anderen Strecken nachholen.

149. Etappe: 21. September 2013

Tännesberg – Oberviechtach
Distanz: 22,2 km; Aufstiege: 603 m; Abstiege: 602 m

Wie so oft, inzwischen schon fast die Regel, schaffe ich es nicht vor 10 Uhr die Unterkunft zu verlassen. Meine heutige Etappe ist gleichzeitig die 7. Goldsteigetappe. Endlich ist es wieder trocken und mein Poncho bleibt im Rucksack verstaut.

Um den Goldsteig zu erreichen, muss ich gleich zu Beginn wieder ordentlich hinauf. Beim Einstieg finde ich eine Bank und mache eine Verschnaufpause und nutze die Zeit zum Telefonieren. Dabei kommt mir ein Wanderer entgegen. An seinem Schritt erkenne ich sofort, der hat auch einiges an Gewicht auf seinem Rücken. Wir grüßen uns kurz durch Nicken und dann ist er auch schon weitergezogen. Als ich dann endlich wieder starte, ist er nicht mehr zu sehen. Vielleicht erreiche ich ihn später bei einer seiner Pausen, denn ich bin neugierig und möchte mehr von ihm erfahren.

Hier ab Tännesberg führt der Goldsteig auf einem sehr interessanten geologischen Lehrpfad entlang. Ich komme dabei vorbei an den verschiedensten Felsböcken und Steinen beiderseits des Weges.

Hinweistafeln benennen das Material und geben Auskunft über die Entstehungszeit. Viele dieser Blöcke wurden aus der Umgebung der Oberpfalz hierher gebracht. Besonders interessant finde ich die Granitfelsblöcke. Hier steht nicht nur der Name des Granits dran, sondern eine kleine Stelle wurde geschliffen und poliert. Ich kenne Granit vor allem bei Treppen und Fensterbänken. Im Rohzustand des Felsblocks hätte ich nicht einmal an Granit gedacht. Erst die geschliffenen und polierten Stellen kommen mir durch Farbe und Struktur bekannt vor.

Noch am Morgen ist mein Schritt ausladen, doch mein Wanderer vor mir ist noch nicht in Sichtweite. Er muss auch einen strammen Schritt haben. Dann als ich mich einem Brunnen nähere, sehe ich ihn sofort. Er macht hier wohl eine Wasch- und Umziehpause. Als ich ihn erreiche, sind wir sofort im Gespräch. Ich nutze die Gelegenheit und trinke das kühle und frische Wasser am Einlauf des Brunnens. Ich freue mich, zumindest für einige Zeit, einen Mitwanderer zu haben. Unsere Geschwindigkeit ist ähnlich.

Werner ist sein Name und der Name scheint ein Synonym  🙂 für Weitwanderer zu sein. Über meinen Blog bin ich auch noch mit einem Weitwanderer Werner in Kontakt und vielleicht treffen wir uns auf dem Goldsteig.

Werner ist Berufsfeuerwehrmann und wie ich erfahre 51 Jahre alt. Er lebt in Ingolstadt. Er ist für mich der ausgesprochene Naturbursche und total durchtrainiert. Seine außergewöhnliche Fitness hat er nur durch die vielen Weitwanderungen, Kanufahrten auf vielen deutschen Flüssen und Fahrradtouren antrainiert. Er macht das schon sein halbes Leben, wie er mir erzählt. Nur um im Globetrotter in Köln sich Kleidung und Material anzuschauen, radelt er von Ingolstadt mal eben nach Köln und zurück. Er ist jetzt mit einem englischen Militärrucksack mit 20 kg unterwegs. Seine jetzige Tour ist der komplette Goldsteig von Marktredwitz bis nach Passau. Dabei übernachtet er nur in seinem Zelt. Hat Wasserfilter und Kochausrüstung dabei. Ich bin zutiefst beeindruckt und bewundere seine Einstellung zum Wandern und zur Natur. Wir haben uns viel zu erzählen und wie ich feststelle auch viele Gemeinsamkeiten in der Einstellung.

Die Wanderzeit mit ihm ist kurzweilig. Nur bei einem steilen kurzen Anstieg ist Sendepause in unserer Unterhaltung. Auch müssen wir höllisch aufpassen, nicht den Weg zu verlieren. So im Gespräch übersieht man schnell ein Wegezeichen. Unterwegs mit ihm mir die Landschaft nicht so wichtig. Ich bin froh mit so einem interessanten Wanderer unterwegs zu sein. Bei einer gemeinsamen Pause lasse ich durch eine gerade vorbei kommende Hundebesitzerin ein Foto von uns machen. In Oberviechtach trennen sich leider unsere Wege.

Die Unterkunft ist im Zentrum des Ortes und schnell erreicht. Zum Abendessen suche ich ein Restaurant am Markt. Die Gasthöfe sind nur dürftig besucht, nur eine Pizzeria ist ziemlich voll. Daher gehe ich in die Pizzeria und finde auch noch einen freien Tisch. Später wartet im Eingangsbereich eine Familie auf einen freien Platz. Ich informiere die Bedienung, dass man sich ruhig zu mir an den Tisch setzten kann.

Mit der Familie bin ich schnell in der Unterhaltung und später kommt auch noch die Wirtin dazu. Wir haben viel Spaß und zum Schluss sind wir natürlich beim bayrischen Dialekt. Hier kommt Stimmung auf und man ordnet mich aufgrund meiner Aussprache zu den Fischköppen ein. Dieser Ausdruck kommt nicht von mir (!), sondern ist die Bezeichnung der Oberpfälzer für die Menschen aus dem Norden. Aus dem eigentlich geplanten kurzen Essen wird doch ein längerer Aufenthalt. Meine Berichte müssen heute warten.  

148. Etappe: 20. September 2013

Leuchtenberg – Tännesberg
Distanz: 23,9 km; Aufstiege: 636 m; Abstiege: 618

Als ich um 9:45 Uhr zu meiner heutigen Etappe, der 6. Goldsteigetappe, starte, nieselt es schon. Eingehüllt in meinen Poncho, führt mich meine Route zunächst abwärts über eine Treppe und dann ein kurzes Stück auf der Straße entlang. Danach bin ich gleich im Wald. Es geht weiter abwärts und ich muss höllisch aufpassen, nicht auf eine der glitschig nassen Wurzeln auszurutschen. Immer wieder der traumhaft weiche Waldboden. Dann eine kleine Lichtung und hier geht es über die nasse Wiese.

Vorbei danach an einigen Teichen auf einem sehr steinigen Weg, der jedoch schnell wieder endet. Und schon bin ich wieder im Wald aufwärts unterwegs. Im Wald führt mich mein Weg am Hang entlang und unter mir plätschert munter ein kleiner Bach. Wenn ich ihn nicht sehe, ich höre ihn immer deutlich in meiner Nähe. Leider ist dieser schöne Waldpfad schnell zu Ende, weiter geht es danach an landwirtschaftlichen Nutzflächen vorbei. Die meisten Felder sind schon umgepflügt. Auf den Wiesen steht nun der Klee und der Mais wartet auf die Ernte.

Den Ort Wittschau durchquere ich und an dessen Ende unterschreite ich auch die Autobahn. Es folgt ein Kreisverkehr und dann laufe ich parallel zur Autobahn auf einem Wirtschaftsweg. Auf einer Anhöhe habe ich einen herrlichen Blick in die Ferne. Auf der einen Seite liegt mein Startort majestätisch auf dem Berg am Fuße der gleichnamigen Burg. In der anderen Richtung steigen in der Ebene noch die Nebelschwaden hoch. Ab hier biege ich ab in den Wald und der Lärm der Autobahn ist noch lange zu hören. Wieder laufe ich am Hang neben einen unter mir fließenden Bach entlang. Einmal muss ich ihn an einer schmalen Stelle überqueren und lande im Morast. Die zweite Überquerung geht trocken über eine Betonplatte.

Dem Ort Dölnitz nähere ich mich dann auf einer kleinen Kreisstraße, mache am Ende des Ortes eine Pause und tauche danach sofort wieder in den Wald ein. Zunächst ist der Weg völlig unspektakulär, doch dann befinde ich mich auf einem schmalen Hangpfad und einige Meter unter mir fließt der Fluss Pfreimd. Ich bin im Pfreimdtal angekommen. Nach einigem aufwärts, geht es wieder runter ins Tal und in die Flussaue über eine Wiese. Es hat sich deutlich eingeregnet und der Wiesenweg ist nass und matschig. Schnell sind auch meine Schuhe und Strümpfe nass.

Am Ufer, aber auch zum Hangwald hin, steht überall das Springkraut. Es ist schön anzusehen mit seinen purpurroten, rosa oder weißen Blüten. Manchmal muss ich mich regelrecht durch die Pflanzen mühen, so dicht stehen sie am Pfad.

Ein Dankeschön an Binia, eine Leserin meines Blogs, denn durch sie weiß ich den Namen dieser Pflanze.

Hier beginnt das Flusstal wildromantisch zu werden. Der Fluss schlängelt sich dahin und ist mit Steinen durchzogen. Mein Weg geht glücklicherweise wieder im Wald am Hang entlang. Kurzzeitig entferne ich mich vom Fluss und durchschreite einen dichten Fichtenwald. Die hellbraunen dünnen Bäume wirken auf mich wie lange Streichhölzer. An einigen Stellen sind die ansonsten gesund aussehenden Bäume umgeknickt und liegen kreuz und quer auf dem Wanderpfad. Ob das ein Sturm verursacht hat? Schon Wanderer vor mir haben bereits einen neuen Pfad drum herum ausgetreten.

Dann hat mich das Flusstal wieder. Jetzt beginnt es, sehr steinig zu werden. Um mich herum überall Felsblöcke und Steine. Die Meisten überzogen mit Moos. Ich muss immer wieder Klettereinlagen einlegen. Die nassen Steine sind sehr glitschig und ich mit meinem Talent fürs Umknicken und für Bänderrisse schreite daher langsam und vorsichtig beim Auf und Ab über diese Hindernisse. Ohne Rucksack wäre es wenige schwierig. Doch nicht nur mein Weg ist mit Steinen übersät, auch der Fluss. Das Rauschen des schnell dahin fließenden Wassers passt so richtig zu dieser Landschaft. Jetzt möchte ich gerne eine Pause machen und diese wunderschöne, wildromantische Flusslandschaft genießen. Doch schon lange gibt es keine Bank mehr!

Der Goldsteig ist bisher ein landschaftlich schöner Wanderweg und ich genieße ihn auch. Seine Beschilderung ist vorbildlich, nur Bänke und Schutzhütten sind Mangelware. Lediglich in Ortsnähe für Spaziergänger gibt es sie. Das ist der einzige Negativposten. Doch er wiegt für mich als Wanderer schwer.

Erst nach einer längeren Phase erreiche ich dann doch noch eine Bank. Der Blick von hier zum Fluss ist auch schön, doch längst nicht mehr so einmalig wie zuvor. Diese Bank steht wieder in der Nähe eines Ortes und eines Hotels, unweit von Ödmühle. Ich entschließe mich ab hier nicht mehr dem Goldsteig zu folgen, sondern über Straßen mein Ziel anzusteuern. Mein Bedarf an nassen Wiesen und an Matsch mit meinen nassen Schuhen und Strümpfen ist gedeckt.

Ich laufe auf der anderen Seite des Stausees entlang. Um mir einen großen Bogen der Lauferei zu ersparen, verlasse ich mich mal wieder auf mein Navi. Es gibt eine Straße weg vom Stausee und von dort einen kleinen Querweg von nur wenigen Hundert Meter wieder zum Goldsteig. Schon während des strammen Marsches aufwärts höre ich überdeutlich einen Bach abwärtsfließen. Mir kommen die ersten Zweifel, denn eine Brücke ist nicht im Navi eingezeichnet. Prompt laufe ich an der Abzweigung vorbei und nach einigen Metern Suche kehre ich wieder um. Erst jetzt nehme ich zwischen Gestrüpp einen Betonplattenübergang über den wild dahin fließenden Bach, völlig verwuchert, wahr. Viele sind hier noch nicht gelaufen. Ich überschreite diese kleine Brücke und stehen in der tiefsten Wildnis. Ein Pfad ist nicht mehr erkennbar, nur sehr hohes Gras und viele Büsche. Einen Abenteuerweg und zudem wieder nass, mag ich jetzt nicht mehr. Ich kehre um und registriere diesen Umweg als Erfahrung.

Der weitere Weg, etwa fünf Kilometer auf einer wenig befahrenen Straße, hat es mal wieder in sich. Ich muss keuchend und heftig schwitzend einen Berg hoch. Nicht umsonst heißt der Ort Tännesberg.

In meiner Unterkunft erhalte ich ausreichend Zeitungspapier um meine Schuhe auszustopfen. Die Heizung funktioniert und so kann ich alles trocknen. Ich bin nach dieser schönen, aber auch anstrengenden, Tour einfach nur müde.  

147. Etappe: 19. September 2013

Neustadt – Leuchtenberg
Distanz: 26,1 km; Aufstiege: 828 m; Abstiege: 610 m

Schon nach dem Aufstehen werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Die Straße unter mir ist trocken. Doch während des Frühstücks muss es geregnet haben, denn als ich starte, ist die Straße wieder nass. Mit halb angezogenem Poncho beginne ich die zweite Hälfte der 4. Goldsteigetappe.

Neustadt habe ich schnell durchquert und über einige Anstiege am Stadtrand erreiche ich schließlich den Goldsteig. Es geht durch den Wald und dann längere Zeit am Waldrand entlang. Ich befinde mich auf einer Anhöhe und habe einen herrlichen Panoramablick in die schöne Landschaft des Oberpfälzer Waldes. Die grauen Regenwolken überwiegen noch, doch auch weiße Wolken und blauer Himmel sind vorhanden. Noch ist der Blick in die Ferne durch Nebel und Dunst getrübt, doch auch das hat seine Reize. Die Wege wechseln, mal ist es ein Feldweg, mal ein Wirtschaftsweg und mal ein Waldweg. Bei den Waldwegen laufe ich auf breiteren Wegen und dann wieder auf wurzelreichen Abschnitten. Bei den wurzelreichen Abschnitten gibt es immer wieder Stellen, auf denen es sich wie auf Watte geht. Hier liegt eine dicke Schicht Nadeln und der schwingende Boden macht das Laufen zu einem Traum. Leider werde ich immer wieder durch Wurzeln ins reale Leben zurückgeholt. Ich genieße heute das Unterwegssein. Es ist abwechslungsreich mit vielen herrlichen Momenten eines Panoramablickes.

Bei einem Weg abwärts Richtung eines kleinen Dorfes kommt die Sonne hinter den Wolken hervor und bescheint ein abgeerntetes Getreidefeld und die dahinter liegende Wiese. Das Getreidefeld erstrahlt zu einem Goldgelb und die Wiese dabei zu einem saftigen Hellgrün. Alles andere ist mehr oder weniger weiterhin im Schatten eingetaucht. Diese Momente sind sehr kurz und ich beobachte fasziniert dieses Licht – und Schattenspiel. Manchmal wechseln die Momente innerhalb einer Minute. Auf meinem weiteren Weg überrascht mich dann ein mitten in der Landschaft stehender Streifen Schilf, diesen habe ich hier nicht erwartet.

Schon von Weitem sehe ich zwei Kirchen, die eine eher unscheinbar und die andere protzig mit großem Zwiebelturm. Im Ort Wilchenreuth führt mich der Weg direkt zur großen Kirche. Zuvor versuche ich die kleine und ältere evangelische Kirche zu besuchen. Sie sollte laut Aushang offen sein, doch sie ist versperrt. In die größere katholische Kirche kann ich eintreten, doch dort versperrt mir ein Gittertor den Eintritt zu den Bänken und dem Altar. Kaum bin ich wieder draußen, fängt die kleine Kirche an zu läuten und wie im Wettstreit um die Gunst der Gläubigen, folgt dann die größere. Der Weg führt unmittelbar hinter der katholischen Kirche über eine Wiese zu einer Anhöhe. Ich blicke noch einmal zurück. Wuchtig steht der Zwiebelturm da und verschämt lugt klein dahinter der Kirchturm der evangelischen Kirche hervor.

Gegen Mittag erreiche ich den Ort Theisseil und mache in einem gut besuchten Landgasthaus meine Mittagsrast. Danach geht es wieder durch Wälder oder am Waldrand entlang. Immer wieder habe ich einen herrlichen Fernblick. Gegen 17 Uhr entscheide ich mich bei Roggenstein nicht mehr auf dem Goldsteig zu laufen, sondern für die kürzere Variante über die Straßen. Etwa drei Kilometer vor Leuchtenberg sehe ich den Ort hoch oben auf einem Berg thronen. Die letzten Kilometer bis zum Ziel sind nochmals anstrengend.  

146. Etappe: 18. September 2013

Friedenfels – Neustadt a.d. Waldnaab
Distanz: 14 km; Aufstiege: 350 m; Abstiege: 387 m

Schon beim Aufwachen höre ich den Regen niederprasseln. Daran ändert sich auch nichts, als ich später frühstücke. Der einzige Lichtblick, meine Zimmerwirtin serviert mir nach Rückfrage Spiegeleier. Als ich ihr erzähle, dass diese Spiegeleier seit Langem die Ersten sind, bekomme ich zwei weitere gebraten. Ich genieße ausgiebig das Frühstück, denn draußen erwartet mich kein schönes Wanderwetter.

Sehr spät starte ich, denn erst kurz vorher kann ich meine heutige Übernachtung buchen. Heute laufe ich nicht auf dem Goldsteig, dieser macht mir zu viele ausladende Bögen und ich kann durch das geradlinige Laufen bis nach Neustadt gleich zwei Goldsteigetappen überspringen. Ich muss mit den Tagen knausern, lediglich Pausentage werde ich zur Erholung immer wieder einlegen.

Nicht lange nach Verlassen des Ortes bin ich bei leichtem Regen auf einem unbefestigten Feldweg unterwegs. Trotz Regen ist der Weg gut passierbar. Bei einem Baum mit Bank steht ein Gedenkkreuz aus dem Jahre 1864. Dieses Kreuz wurde einer verstorbenen Bäuerin gewidmet. Der Feldweg führt durch Wiesen und an kleinen Wäldern vorbei. Ich bin alleine unterwegs, bei diesem Hundswetter begegnet mir niemand. Inzwischen hat der Regen zugenommen. Der Feldweg geht dann vor Kohlbühl in einen asphaltierten Wirtschaftsweg über. Schon von Weitem sehe ich ein Schloss und direkt daneben eine Kirche mit dem hier charakteristischen Zwiebelturm. Nicht weit von beiden Gebäuden eine weitere Kirche, jedoch mit schlichter Turmspitze.

Als ich mich einem Bauernhof nähere, kommt mir der Bauer aus einem Seitenweg entgegen. Wir grüßen uns und der Bauer spricht mich in einem mir schwer verständlichen Dialekt an: „Hast dir kein gutes Wetter ausgesucht.“ Ich zucke mit der Schulter und antworte: „Ja leider, aber da muss ich durch.“ Zum Abschied gibt mir der Bauer seine drei, in der Hand haltenden, Pflaumen und wir gehen unseres Weges. Am Bauernhof angekommen, schauen mich drei Kühe neugierig an. Klassisch neben dem Kuhstall der Misthaufen. Am Bauernhof vorbei, dann durch das Dorf und anschließend erreiche ich den nächsten Ort Thumsenreuth und dort direkt das Schloss. Obwohl der Hofbereich mehr einen privaten Eindruck auf mich macht, gehe ich neugierig hinein. Alles ist gut renoviert.

Weiter geht es wieder auf einem Wirtschaftsweg und wieder habe ich Glück, es läuft sich trotz stärkerem Regen gut auf dem Sand- und Splittbelag. Schließlich wechsel ich auf eine Kreisstraße und Allee, überquere eine größere Straße und erreiche einen kleinen Bahnhof. Hier kehre ich ein und mache endlich, alleine im Warteraum, meine Pause im Trockenen. Mein weiterer Weg geht an den Gleisen entlang und plötzlich biegt der Wirtschaftsweg links ab, doch ich muss weiter gerade aus. Erst mit dem zweiten Blick erkenne ich den Pfad zwischen den Büschen hindurch. Nun geht es ständig die Äste beiseite drücken, weiter auf diesem kaum erkennbaren Pfad. Mich trennen nur 2 – 3 Meter von den Gleisen und auf der anderen Seite fließt unmittelbar daneben ein kleiner Bach. Nach wenigen Hundert Metern erreiche ich schließlich wieder eine Kreisstraße. Der weitere Weg führt durch ein Gassendorf, über zwei kleine Brücken und dann auf einem Feldweg schließlich hoch zu einem Antennenturm. Auf diesem Plateau habe ich trotz Nebel und Dunst eine herrliche Weitsicht.

Danach geht es weiter durch Dauerregen auf einem Wirtschaftsweg, einer Kreisstraße und schließlich auf einem Radweg mit deutlichem Abstand zur Staatsstraße bis nach Neuhof. Inzwischen bin ich ziemlich mürbe von dem Dauerregen und so entschließe ich mich mit Bus oder Bahn bis nach Neustadt zu fahren. Doch die Verbindungen sind sehr schlecht und ich müsste zu lange warten. Und so nehme ich mir für die letzten 9 Kilometer ein Taxi.

Noch am Abend im Hotel beim Schreiben dieses Berichtes hat der Dauerregen nicht nachgelassen.