76. Etappe: 01. Juli 2013

Schleswig – Eckernförde  26,3 km

Ich hatte die Nacht das Mehrbettzimmer für mich alleine. Meistens klappt es, aber es kann auch noch bis 21 Uhr jemand anreisen. Als ich die Jugendherberge verlasse, ist es kühl aber trocken. Die dichte Wolkendecke verspricht nichts Gutes. Über einen kleinen Trampelpfad laufe ich in Richtung Ostsee.

Schnell bin ich im Grünen und laufe zum Teil durch hohes Gras mit Blick auf die Bucht. Mir gegenüber sehe ich mit einem leichten Dunstschleier umgeben die Stadt Schleswig mit ihrem Dom. Mein Weg führt mich in Richtung eines Jachthafens. Kurz hinter dem Hafen erreiche ich wieder die Bundesstraße B76. Heute habe ich eine Arbeitsetappe der härteren Art vor mir. Den größten Teil werde ich auf dem Radweg neben der B76 verbringen. Meine „geliebte Gerade“ ist wieder dabei.

Zunächst ist reger Verkehr auf der Straße, dann kündigen Hinweisschilder auf eine Vollsperrung hin. Ich hoffe es, trifft nicht auch die Fußgänger. Als ich die Baustelle bei Fahrdorf erreiche, ist nur die Straße gesperrt. Der Radweg ist bereits mit einer neuen Asphaltschicht bedeckt.

Drei große Fräsen arbeiten seitlich versetzt mit einigem Abstand zueinander. Sie fräsen den Asphaltbelag in einer Tiefe von etwa 10 cm ab. Der Schutt wird sofort auf den vorausfahrenden Lkws mit einem Förderband transportiert. Viel Lärm, Staub und Gestank nach Teer liegt in der Luft. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen der Lkws. Die Fräsen entfernen den Belag mit 20 Meter pro Minute. Damit schaffen sie 1,2 Kilometer Straße in einer Stunde. Glücklicherweise bewegen sich die Fräsen in entgegengesetzter Richtung und so habe ich nach einiger Zeit nur noch die vorbei donnernden und Staub aufwirbelnden Lkws. Aber auch das hört mit der Zeit auf.

In einem Wartehäuschen vor dem Ort Güby mache ich Rast und sehe mit gemischten Gefühlen die dicken grauen Wolken über mir. Hoffentlich nicht schon wieder Regen. Es muss doch endlich mal damit zu Ende sein!

Auch meine endlose Gerade endet dann doch nach etwa 6 Kilometern und auch die Baustelle endet kurz vorher. Noch ist nicht viel Verkehr hier unterwegs, wahrscheinlich gibt es eine Umleitung.

Zwei Jungen überholen mich mit ihren Rädern. Der Eine hat einen Anhänger, der normalerweise für Kleinkinder gedacht ist, hinten dran. Nach etwa 500 Metern hole ich beide wieder ein. Sie haben ein Problem und versuchen das Navi in der Halterung zu befestigen. So komme ich mit ihnen ins Gespräch.

Beide Jungen sind 14 Jahre alt und gehen in Husum in verschiedene Gymnasien. Gestartet sind sie in Fresendelft bei Husum, ihren Heimatort, und wollen bis nach Schwerin fahren. Im Anhänger sind ein Wurfzelt und ihre Sachen. Sie wechseln sich mit den Rädern ab. Einer der beiden erzählt mir, dass er als Hobby programmiert und bereits eine Licht- und Musiksteuerung für Veranstaltungen programmiert hat. Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, auch einen Blog betreibt. Sie wollen heute noch bis nach Kiel fahren.

Dann trennen sich unsere Wege und sie enteilen mir. Doch im nächsten Ort sehe ich sie aus einem Supermarkt kommend kurz wieder. Weiter geht es auf der nun wieder befahrenen B76. Glücklicherweise reihen sich nun einige Dörfer aneinander und so ist der Weg nicht ganz so eintönig.

Dann endlich erreiche ich Eckernförde, mein Navi zeigt mir aber noch ca. 6 – 7 Kilometer bis zur Jugendherberge. Bei einer kirchlichen Einrichtung mache ich auf dem Hof eine Pause. Eine Gärtnerin kommt an mir vorbei und wir kommen ins Gespräch. Ihr Wunsch ist es, den Fernwanderweg E1 mit einer Gruppe zu laufen. Ich erzähle ihr von meinen Pilgerreisen und zum Schluss gibt sie mir noch einen guten Tipp. Nicht weit von meinem Rastplatz, soll ich einen kleinen Pfad Richtung See nehmen und anschließend dicht am Wasser durchs Grüne weiterlaufen. Die Straße, die ich für meinen Weg vorgesehen habe, hat eine Totalsperrung auch für Fußgänger. Die dortige Umleitung würde für mich einen längeren Weg bedeuten.

Ich befolge ihren Rat und komme am Geländer einer militärischen Einrichtung vorbei. Danach erreiche ich den See „Windebyer Noor“. Dort bin ich im Wald in unmittelbarer Nähe zum See. Viele Hinweisschilder zu Pflanzen und Vögel geben Auskunft von diesem Gebiet. Dieser schöne Weg mündet wieder auf meiner Route. Von dort sind es dann noch etwa zwei Kilometer und meine heutige Unterkunft ist erreicht. Um 20 Uhr bin ich dann endlich da und erfahre, dass Wanderer und Radfahrer hier bevorzugt untergebracht werden. Mein Zimmer liegt im Keller mit Blick auf eine Rasenfläche. Die Jugendherberge ist ausgebucht, nur in meinem Mehrbettzimmer sind noch drei Betten frei.

Ich komme zunächst nicht zum Duschen, hier im Keller tummeln sich viele Kinder und Jugendliche und belegen alle Duschen permanent. Nach 21 Uhr weiß ich, ich habe das Zimmer heute für mich alleine.  

75. Etappe: 30. Juni 2013

Süderschmedeby – Schleswig  19,9 km

Ich werde um 6 Uhr wach, das Licht brennt und mein Notebook liegt aufgeklappt neben mir im Bett. Bin gestern beim Bearbeiten der Bilder eingeschlafen.

Etwas früher als vereinbart komme ich zum Frühstück. Meine Zimmerwirtin hat schon alles fertig und sitzt bereits am Tisch. Wir unterhalten uns über meinen Weblog und vor allem aber über ihre bewegte Geschichte. Sie hat im Tschad und in Benin mit ihrer Tochter gelebt und hat dort unterrichtet. Mich fasziniert ihr interessantes und aufregendes Leben. Nun ist sie Rentnerin und genießt ihr Leben u. a. mit Schreiben. Unsere Unterhaltung zieht sich bis 10 Uhr. Als ich beim Packen bin, stelle ich fest, dass ich meine heutige Tour noch nicht fertig geplant habe. Und so komme ich erst um 11:15 Uhr los.

Es ist glücklicherweise trocken, aber noch kühl ist und so starte ich mit Jacke. Der Ort Süderschmedeby ist schnell durchquert und ich bin danach auf einer kleinen Kreisstraße fast ohne Verkehr unterwegs. Endlich sehe ich auch mal ein Haus, bei dem das Dach neu mit Schilf eingedeckt wird. Alle Stufen der Arbeiten sind hier gut sichtbar und ich mache einige Fotos davon.

Nach einiger Zeit führt die kleine Kreisstraße fast parallel neben einer viel befahrenen Straße entlang. Uns trennen stellenweise nur Büsche und Bäume. Der Zahn der Zeit nagt gewaltig am Belag der Straße, aber dafür begegnet mir weiterhin nur selten Fahrzeuge.

Wieder fängt es an zu regnen und ich ziehe meinen Poncho an. Der Regen, mal heftig und mal nieselnd, begleitet mich über lange Strecken. Gegen 14 Uhr erreiche ich ein Gelände mit Antiquariatsmarkt und Café. Hier kehre ich ein. Das Café empfängt mich als Kaffeekannenmuseum. Um mich herum reihen sich Kaffeekannen in den verschiedensten Farben und Formen. Draußen fängt es sich wieder heftig an zu regnen und ich lasse mir Zeit mit dem Aufbrechen. Leider wird es nicht besser und so breche ich ziemlich lustlos auf. Der Regen mein ständiger Begleiter.

Unterwegs komme ich an einem Haus mit einem Schild: „Wir gewähren Pilgern Herberge“ vorbei. Ich bin wieder auf einem Jakobsweg unterwegs. Es regnet inzwischen wieder Bindfäden. Erst als ich Schleswig erreiche, hört es auf. Heute übernachte ich in der Jugendherberge im Mehrbettzimmer. Ich bin gespannt, ob ich das Zimmer trotzdem für mich alleine habe.