95. Etappe: 23. Juli 2013

Campingplatz nach Barth – Stralsund  20 km

Ich werde erst gegen 6:30 Uhr wach. Diesmal hat mich kein Möwengeschrei vorher geweckt. Schon kurz nach 7 Uhr sitze ich im geöffneten Aufenthaltsraum der Jugendherberge und versuche ins Internet zu kommen. Wieder ist die Verbindung viel zu schlecht, es kommt mehrfach zu Zeitabbrüchen. Damit habe ich nun ein Problem, denn ohne Internet ist keine Suche nach einer Unterkunft in Stralsund möglich. Jetzt muss ich auf die wenigen bereits in Rostock notierten Telefonnummern von Pensionen zurückgreifen.

Dann um 7:30 Uhr Frühstück. Auch in dieser Jugendherberge und auf dem Zeltplatz sind nun überwiegend Familien mit Kindern. Es ist ein munteres Treiben im Speisesaal oder bei den Tischen im Freien. Diese Jugendherberge ist ideal für Familien. Hier gibt es reichlich Spielmöglichkeiten, ein Gehege mit kleinen Ziegen und Ponys ist vorhanden und auch ein Reiterhof gehört noch dazu.

Nach dem Frühstück behandele ich noch meine Blase unter dem kleinen linken Zeh, dann geht es ans Packen und ans Zelt abbauen. Danach starte ich heute wieder einmal zu einer Arbeitstour mit viel Straße. Diesen Weg habe ich ausgesucht, um innerhalb einer Etappe nach Stralsund zu gelangen.

Zunächst führt mich meine heutige Route weiter auf dem mit Betonplatten ausgelegten Weg. Nach einiger Zeit kommen mir die ersten landwirtschaftlichen Fahrzeuge entgegen. Bei zwei riesigen Mähdreschern muss ich aufs Feld ausweichen, denn diese Fahrzeuge sind deutlich breiter als der Weg. Es ist jetzt die Zeit der Ernte eingetreten. Damit haben sich auch die Farben in der Landschaft deutlich verändert. Jetzt überwiegen die Braun- und Gelbtöne. Bei Sonneneinstrahlung kommt noch das herrliche Goldgelb hinzu. Auch die nun etwas weniger vorhandenen Grüntöne haben sich hin zum dunkleren Grün entwickelt. Das helle leuchtende Grün ist nun weitgehend verschwunden.

Es wird immer wärmer und nur ein laues Lüftchen weht. Der Schweiß fließt bei mir in Strömen. Mein kleines Schweißtuch ist inzwischen zum Auswringen nass. Dieses kleine Schweißtuch stammt aus Japan und ist eigentlich ein kleines Handtuch, dass in den japanischen Bädern genutzt wird. Von meinen Reisen nach Japan habe ich auch die Nutzung dieser Handtücher als Schweißtuch gelernt. Dort feuchtet man das Tuch immer wieder mit kaltem Wasser an. Habe ich heute leider vergessen und so ist die Feuchtigkeit nur vom Schweiß!

Vom Plattenweg wechsel ich auf eine kleine Kreisstraße. Vor mir kommen ein kleiner Junge, ein etwas größeres Mädchen und die Mutter mit Rädern aus einem Hof gefahren. Plötzlich der Ruf der Mutter zu ihrem Sohn: „Du hast ja keinen Helm auf, sollen wir ihn noch holen?“ Wie selbstverständlich lehnt der Junge ab. Für mich aber nachvollziehbar, denn die Mutter trägt selbst auch keinen Helm. Eine tolle Vorbildfunktion für die eigenen Kinder!

Schon nach kurzer Zeit biege ich auf eine Landstraße ohne Radweg ab. Und sofort ist der Autoverkehr wieder da. Wieder beginnt eine unangenehme Phase mit meistens vernünftigen, aber auch einigen rücksichtlosen, Fahrern und Fahrerinnen. Zudem macht sich meine Blase immer deutlicher bemerkbar. Bei einem Parkplatz mit Kranichaussichtsplattform kurz vor Flemendorf, mache ich eine Rast und verarzte meine Blase. Hier bekomme ich dann beim dritten Versuch ein günstiges Zimmer in einer Pension in Stralsund.

Auf einer Informationstafel kann ich lesen, dass die Kraniche hier bei ihrem abendlichen Überflug zu den Schlafplätzen zu beobachten sind. Aber auch hier auf den abgeernteten Getreide- und Maisfeldern bei der Nahrungssuche zu beobachten sind.

Im nächsten Ort kann ich endlich auf einen separaten Radweg ausweichen und in Gross Kordshagen schließlich verlasse die Landstraße und biege in einen Feldweg ab. Nun bin ich für längere Zeit ohne Begegnung mit Menschen oder Fahrzeugen. Vor mir nur noch große Getreide-, Mais- und Rapsfelder und zwischendrin kleine Buschgruppen und Wäldchen.

Bei einem weiteren Stopp wird es wieder Zeit meine Blase zu behandeln. Sie ist an einer unangenehmen Stelle. Bei jedem Schritt trete ich unwillkürlich auf diese Blase. Mein Laufen ist nun in ein leichtes Humpeln gewechselt. Es ist inzwischen heiß und schwül und mit Freude sehe ich vor mir einen Wald. Mit Eintritt in diesen Wald empfängt mich eine angenehme Kühle. Doch meine Freude währt nicht lange, denn wie aus heiterem Himmel bin ich einer Attacke von Bremsen ausgesetzt. Sie fallen förmlich über mich her und setzten sich auf meine Arme, ins Gesicht oder in meinen Nacken. Innerhalb weniger Momente töte ich weit über zehn Bremsen und muss mit meinem Schweißtuch zur Abwehr ständig wedeln. Den Blasenschmerz ignorierend, werde ich immer schneller und versuche diesen Bremsen zu entfliehen. Erst als ich den Wald verlasse, lässt auch die Plage weitgehend nach.

Um auf die Bundesstraße zu gelangen, muss ich nun eine ausholende Schleife auf meinem Weg nehmen. Ich entschließe mich für einen kleinen Weg, der parallel zur Bundesstraße verläuft und dann darauf mündet. Mein Navi zeigt mir diesen kleinen Weg an. Doch nach etwa 800 Metern staubendem und steinigem Weg endet dieser vor einem Grundstück mit zwei Häusern. Links vor den Gebäuden biegt ein Feldweg ab. Nach meinem Navi gibt es den Weg nicht, ich aber folge ihn in der Hoffnung an den Gebäuden vorbei zu kommen. Vor mir jetzt in einiger Entfernung ein riesiges Solarzellenfeld. Schon nach kurzer Zeit geht der Feldweg in einen fast zugewucherten Pfad entlang eines Feldes über. Außerdem erkenne ich jetzt, dass vor mir auch noch eine Bahntrasse zu überwinden ist, um auf meine geplante Route zu gelangen.

Immer näher komme ich der Straße und der Bahntrasse und der schmale Pfad ist inzwischen nicht mehr zu erkennen. Ich durchlaufe eine Wiese mit hohen Gräsern, Wildpflanzen und vielen hohen Disteln. Egal, jetzt bin ich schon so weit gelaufen, jetzt muss ich mich bis zur Straße durchschlagen. Dann stehe ich vor einem Graben und dahinter erhöht ein Bahngleis. Beides überwinde ich und nach einer weiteren kurzen Durchquerung einer schmalen Wiese, stehe ich jetzt vor einem breiteren, tieferen und feuchten Graben. Dahinter die Leitplanke mit viel und schnellem Verkehr. Auch gibt es keinen Randstreifen zwischen Fahrbahn und Leitplanke. Selbst bei Überwindung des Grabens ist mir der Weg auf dieser Bundesstraße zu gefährlich. Es bleibt mir nichts anders übrig, ich muss zurück über das Bahngleis, den Graben und wieder auf dem schmalen Pfad zu den Gebäuden laufen. Als ich den Gebäuden näherkomme, richtet sich überrascht eine Frau auf einer Liege liegende durch mein plötzliches Erscheinen auf. Es ist eine Asiatin, leider kann ich mich nicht wirklich mit ihr verständigen. Doch dann kommt ein Fahrzeug angefahren. Von dem Fahrer erfahre ich, dass ich nicht die ausholende Straße nehmen muss, sondern dass es eine Unterführung und einen separaten Weg zum naheliegenden Bahnhof gibt.

Der Umweg hat mir etwa vier Kilometer Umweg beschert und um diese Bundesstraße zu umgehen, muss ich etliche Kilometer zusätzlich in Kauf nehmen. Außerdem rät mir meine Blase, zu fahren und nicht zu laufen! Also weiter zum Bahnhof. Der Bahnhof entpuppt sich als Haltestelle und der nächste Zug fährt erst in zwei Stunden. Das ist zu lange und so entschließe ich mich zum Trampen. Gleich hinter der Bahnhaltestelle gibt es an der Bundesstraße eine Parkbucht, also ideal zum Stehen.

Ich habe Glück und schon nach wenigen Minuten hält ein Transporter mit zwei Frauen an. Sie nehmen mich mit und setzen mich, mit einem kleinen Umweg für sie, bei einer Bushaltestelle am Rande von Stralsund ab. Dort fahre ich nach etwa 15 Minuten Wartezeit bereits mit dem Bus zum Busbahnhof in Stralsund. Der Fahrer erkundigt sich freundlicherweise bei der Zentrale nach meiner, ihm unbekannten, Zielstraße. Vom Busbahnhof sind es dann nur noch 400 Meter bis zu meiner Pension. Hier genehmige ich mir erst einmal ein großes Alsterwasser (= Radler = Bier mit Limo) und komme mit dem Wirt ins Gespräch.

Vor seiner Gaststätte und Anglerpension steht ein gut erhaltener roter VW-Käfer. Er gehört ihm und er erklärt mir stolz, dass er noch einen älteren Käfer hat. Dieser aber noch hergerichtet werden muss. Er ist Mitglied im örtlichen Oldtimer Club.

Dann erzählt er mir, dass er Lkw-Fahrer gewesen ist und bis zur Wende hier einen Altstoffhandel hatte. Danach habe er diesen Gasthof mit Pension aufgebaut. Er wurde zur Volksarmee als Lkw-Fahrer eingezogen. Im Bataillon stellt er dann fest, dass alle als Fahrer eingezogen wurden und das es überhaupt nicht so viele Fahrzeuge hier gab. Schließlich hatte er doch Glück und wurde mit weiteren 12 Kameraden tatsächlich als Lkw-Fahrer ausgewählt.

Irgendwie ergab es sich dann, dass einer der Kameraden ihn beiseite nahm und ansprach: „Gehste mit rüber, wenn wir später zur Grenze fahren?“ und er antwortete ohne zu viel zu überlegen und um ihn loszuwerden, mit: „Ja, ja.“ Später bei den Fahrteneinteilungen erhielt er nie eine Fahrt zur Grenze, sondern musste immer die unangenehmen und häufig frühen Fahrten absolvieren. Da wurde ihm klar, dass dieser Kamerad ein Stasispitzel gewesen war. Später wollte er seinen Traum verwirklichen und Seemann werden, das wurde ihm aber verwehrt. Glück hatte er dann doch noch durch einen guten Bekannten, der ihm schließlich die Zulassung zum Altstoffhandel ermöglichte. Damit hat er viel Geld für DDR-Verhältnisse verdient.

Fazit des Tages: „Erst bremst mich meine Blase aus, dann eine Bremsenattacke und schließlich bremst mich Graben und Gefährlichkeit der Bundesstraße aus. Zuviel Bremsen und doch ein guter Etappenausgang.“  

94. Etappe: 22. Juli 2013

Campingplatz bei Prerow – Campingplatz nach Barth  27,1 km

Wieder war die Nacht kurz. Bis Mitternacht gab es am Strand eine Beach Party, dann erfreuten sich die Möwen mit ihrem Geschrei mich zu wecken. Trotzdem bin ich froh, dass meine vier längeren Aluheringe tatsächlich im weichen Sand gehalten. Die Bedenken, irgendwann in der Nacht unter dem zusammengebrochenen Zelt aufzuwachen, waren unbegründet gewesen. Ich hatte aber sicherlich auch Glück, dass es fast windstill war! Das Außenzelt ist innen wie außen noch feucht und ich lasse es gemächlich angehen. Die schon wieder starke Sonne muss erst die Feuchtigkeit vertreiben.

Da mein Zeltplatz im tiefen weichen Sand steht, bin ich unentwegt dem Sand ausgesetzt. Überall Sand beim Packen und Zusammenbauen. Schließlich ist alles im Rucksack verstaut und vermutlich mit Sandzusatzgewicht. Bei meinem Weg Richtung Rezeption komme ich auch am Zelt von dem jungen Paar von gestern vorbei. Beide stehen schon draußen und so komme ich nochmals mit Ihnen ins Gespräch.

Danach geht es zur Rezeption und zur Abgabe der Duschkarte. Anschließend durchlaufe ich den riesigen Zeltplatz. Er war mir zu groß und auch viel zu teuer, doch die einzige Übernachtungsmöglichkeit. Weiter geht es ein Stück durch den Wald und dann in der Ort Prerow. Hier mache ich in einem Café meine heutige Frühstücksrast.

Nach einer längeren Zeit durch den Ort erreiche ich schließlich den Deichweg. Auf ihm geht es dann weiter. Inzwischen begegnen mir schon Heerscharen von Radfahrergruppen. Alle strömen zu den Badestellen am Strand. Schließlich kann ich auf einem kleinen Weg zwischen Düne und Wald, hinter dem Strand und weg vom Deichweg laufen. Hier ist es auch etwas kühler. Leider gibt es diesen schön zu laufenden Pfad nur für kurze Zeit und der Deichweg hat ich wieder. Hier bin ich wieder der Sonne und den vielen Radfahrern ausgesetzt. Doch alle fahren entspannt und langsam zum Strand.

Bei dem Ort Zingst muss ich im großen Bogen den Deichweg verlassen. Immer wieder sehe ich Plakate unserer Bundeskanzlerin, die heute Mittag hier einen Wahlkampfauftritt hat. Unter dem linken kleinen Zeh macht sich eine Blase bemerkbar. Nach der Überquerung einer Brücke, im Schatten eines Baumes, halte ich zur Behandlung dieser Blase an. Doch kaum habe ich meine Schuhe und Strümpfe ausgezogen, bin ich einer Mückeninvasion ausgesetzt. Unglaublich, wie schnell die Mücken mich entdeckt haben. Ohne Behandlung der Blase ziehe ich schnell wieder Strümpfe und Schuhe an. Eile dann humpelnd weiter. Ich hätte es besser wissen müssen, denn hier ist um mich herum Sumpfgebiet. Erst als ich durch abgeerntete Felder komme, hört auch die Mückenplage auf.

Vor mir ein Rastplatz mit einer reetgedeckten Hinweistafel zum Kranichdorf Bresewitz und mit Informationen zu der zuvor überquerten Brücke, dem historischen Ort und den Kranichen. Ebenfalls vor mir ein ehemaliger Bahnhof mit alten Waggons, ausgebaut zu einer Kunstgalerie. Ein Werbeschild zeigt zu einem Eiscafé mit Sanddorneis in etwa 300 Metern. Ich misstraue diesen Angaben, immer wenn Werbung im Spiel war, stimmten die Entfernungsangaben nicht! Jedenfalls halte ich hier am Rastplatz zur Blasenbehandlung an.

Diese Blase hindert mich beim zügigen Laufen, erst nach einiger Zeit komme ich wieder in Tritt. Für längere Zeit geht es an Wiesen, Sträuchern und kleinen Siedlungen vorbei, bis ich auf eine Landstraße nach Barth abbiege.

Es ist gegen 16:45 Uhr, ich habe schon das Ortsschild von Barth im Blick, als plötzlich hinter mir die Sirenen eingeschaltet werden. Ein Konvoi mit Blaulicht, vorneweg zwei Polizeifahrzeuge, denen folgend zwei schwarze A8 Audi-Limosinen und hintendran nochmals zwei Polizeifahrzeuge, fahren an mir vorbei. In einem der beiden Audis sitzt mit größter Wahrscheinlichkeit unsere Bundeskanzlerin Merkel. Sie hatte in Ostseebad Zwingst um 15 Uhr einen Auftritt. Der Ort ist nicht weit entfernt und ich habe ihn bereits am Rande durchquert. Ich armer Wanderer werde nicht beachtet 🙂 und mit Sirenengeheul erschreckt und überholt.

Ich folge der Beschreibung der netten Frau von der Jugendherberge und laufe nach Erreichen von Barth in Richtung des Hafens. Dort weist mir auch schon ein Hinweisschild zur Jugendherberge den Weg. Es folgen nun etwa 2,5 Kilometer auf einem mit Betonplatten ausgelegten schmalen Weg, bevor ich die Jugendherberge erreiche. Gegenüberliegend der Barther Bodden, ein See mit direkter Verbindung zur Ostsee.

Bei der Anmeldung entschließe ich mich für ein Abendessen und so muss ich mich mit dem Zeltaufbau sputen. Bis zum Schließen der Essensausgabe sind es nur noch 30 Minuten. Da die Zeltwiese abschüssig zu einem Feld liegt und die besten Plätze unten schon vergeben sind, baue ich mein Zelt vor einer Reihe kleinerer Hütten auf. Der Boden ist knochenhart und ich muss mir bei Zeltnachbarn einen Hammer ausleihen. Schließlich ist doch alles zügig fertig. Verschwitzt bekomme ich noch meine warmen Nudeln mit Soße und Nachtisch.

Nach dem Abendessen ist ein munteres Treiben von Jugendlichen vor den Hütten. Mir schwant Fürchterliches, sollte es heute wieder eine unruhige Nacht geben? Nach einigen Versuchen im Aufenthaltsraum ins Internet zu kommen, schreibe ich einen Bericht und begebe mich kurz vor der eintretenden Dunkelheit zurück zum Zelt. Mit Freude registriere ich die gedämpfte Unterhaltung der Jugendlichen vor den Hütten. Irgendwann schlafe ich ohne große Störung ein. 

93. Etappe: 21. Juli 2013

Strand (nach Ahrenshoop) – Campingplatz bei Prerow  17,3 km

Etwa um 4:30 Uhr werde ich wach und erlebe einen schönen Sonnenaufgang mit. Dann holt mich aber der Schlaf nochmals ein. Gegen 7:30 Uhr werde ich durch die starken Sonnenstrahlen endgültig wach. Das Möwengeschrei habe ich heute Morgen nicht mitbekommen. Es war eine herrliche Nacht gewesen und ich bin vollkommen ausgeschlafen. Zunächst lege ich meinen feuchten Daunenschlafsack und meine leicht klammen Sachen in den Gräsern um mich rum zum Trocknen aus. Dann geht es zum menschenleeren Strand und in die Ostsee. Im ersten Moment etwas kühl, doch dann ist es sehr angenehm. Ich habe den Strand alleine für mich. Wäre ich nicht alleine unterwegs, hätte ich sicher schon öfters, auch ohne Badehose, ein Bad genommen. Doch alles alleine am Strand zurückzulassen traue ich mich nicht. Ein Diebstahl meiner Sachen könnte schnell meine Wanderschaft beenden. Dieses Risiko gehe ich lieber nicht ein. Um so mehr genieße ich dieses Bad.

Schließlich breite ich das Zelt zum Trocknen aus und lege mich nochmals auf meine Luftmatratze im Sand. Nun müssen nur noch die Sachen trocknen. Gegen 9:30 Uhr starte ich dann mit komplett trockenem Schlafsack und trockenem Zelt. Schon nach etwa 200 Metern kann ich wieder hoch in den Wald.

Wieder ein lichtdurchfluteter Wald mit sich ständig wechselnden Bereichen. Mal gibt es kurze Gräser, mal lange Schilfgräser zwischen den Bäumen. Dann wieder sind die Bäume umgeben von Feuchtgebieten. Durch das Blätterwerk fallen Sonnenstrahlen und leuchten die Grünen der algenüberzogenen Tümpel herrlich aus. Zwischendrin umgestürzte und abgestorbene Baumstämme. Eine traumhafte Waldlandschaft!

Der Wald ist sehr groß und ich bin lange in ihm unterwegs. Die Waldwege führen schließlich zu einem großen Stern zusammen. Immer mehr Radfahrer sind inzwischen unterwegs, ich bin wie immer ein Exot unter diesen Urlaubern. Vom Wegestern aus entscheide ich mich für den Weg zunächst zum Leuchtturm. Dort angekommen finde ich Massen von abgestellten Fahrrädern vor. Das letzte Stück des Weges zum Leuchtturm und zum Wasser ist nur noch loser Sand. Auf den Leuchtturm steige ich mit meinem Rucksack nicht. Wahrscheinlich hat man von oben einen herrlichen Überblick, für mich aber deutlich zu anstrengend.

Ich entscheide mich nun vom Turm beginnend für den Rundwanderweg, der nach meinem Navi auch zum Zeltplatz führen muss. Der Rundweg beginnt ab hier mit einem Holzsteg, auf dem das Fahren mit Rädern untersagt ist. Daher auch die vielen abgestellten Räder. Vorbei geht es an wunderschönen Blumen und Pflanzen. Zwischendrin muss ich immer wieder durch losen Sand stapfen. Es umgibt mich eine schöne Dünenlandschaft. Dann endlich zeigt mir ein Schild den Weg zum Campingplatz. Doch bis dahin dauert es noch. Selbst als ich den Zeltplatz erreiche, habe ich noch einen langen Weg zur Rezeption vor mir. Der Platz ist riesig und unübersichtlich! In der Rezeption erhalte ich einen der wenigen freien Plätze in den Dünen. Was ich noch nicht weiß, es ist ein Platz nahe zum Strand und im hohen losen Sand.

Nach längerem Suchen und Durchfragen erreiche ich schließlich den Platz. Nun muss ich erstmals meine längeren Aluheringe einsetzten. Ein Unbehagen beschleicht mich bei dem Gedanken, dass mir der Wind die Heringe heute Nacht rausziehen könnte. Nach dem Aufbau suche ich mir einen Arbeitsplatz mit Strom. Mein Smartphoneakku ist fast leer und der Akku des Notebooks hat auch schon seit gestern seinen Geist aufgegeben. Schließlich muss auch der Ersatzakku meiner Kamera geladen werden. Ich habe Glück, in der nahe gelegenen Pizzeria finde ich im Inneren einen Stromanschluss und das Wohlwollen der Chefin.

Kurz vor Sonnenuntergang begebe ich mich wieder zu Zelt und komme mit einem jungen Paar ins Gespräch. Nach Rückkehr zum Zelt ertönt mit deutlicher Lautstärke Musik und Gesang zu mir. Es ist eine Strandparty im Gange. Doch irgendwie schlafe ich trotz Musik ein.

 

92. Etappe: 20. Juli 2013

Graal-Müritz – Strand (nach Ahrenshoop)  29 km

Das Schreien der Möwen beendet meinen Schlaf sehr früh und so begebe ich mich noch vor dem Ansturm der Massen zu den sanitären Anlagen in der Nähe. Da ich meinen Weg am Strand fortsetzen werde, begebe ich mich schon früh zur Rezeption. Ich muss mich bereits in einer kleinen Schlange Wartender einreihen. Doch es geht noch einigermaßen zügig. Als ich die Rezeption jedoch verlasse, hat sich die Schlange deutlich vergrößert. Wieder bei meinem Zelt angekommen, sind auch Markus und Silke auf.

Nun geht es wieder ans Packen und schließlich ans Verabschieden. Ob wir uns nochmals sehen, ist fraglich. Wir befinden uns im Fischland Darß und sie wollen am Bodden vorbei und ich oberhalb an der Küste entlang.

Nach einem Stück am Strand entlang erreiche ich einen Wald und laufe an wunderschönen reetgedeckten Häusern einer Ferienanlage vorbei. Einmal endet mein Weg vor einem privaten Grundstück, dann aber bin ich wieder hinter dem Deich. Immer wieder komme ich an kleinen reetgedeckten Häusern vorbei. Gut finde ich es, dass hier an der Ostsee keine Hotelklötze gebaut werden. Wenn gebaut wird, dann nur in normaler Höhe von Einfamilienhäusern.

Schließlich verlasse ich den Pfad hinter dem Deich und muss nun auf dem Deichweg entlang laufen. Es wird zunehmend heißer, der Schweiß läuft in Strömen. Dann kommt eine Radfahrerin auf mich zu.

Schon bevor sie mich erreicht, ruft sie mir freudig zu: „Das werde ich auch tun!“ Sie fährt an mir vorbei, ich drehe mich zu ihr um und sie stoppt auch schon. So kommen wir ins Gespräch und sie erzählt sie mir, dass sie hier aus der Gegend stammt. Ihre Eltern haben hier in der Nähe ein Häuschen und sie kommt immer wieder hierher. Mit dem Rad ist sie dann viel unterwegs hier. Leben und Arbeiten tut sie aber in Wiesbaden. Ich erwidere, dass ich in Darmstadt lebe und von dort zu meiner jetzigen Wanderschaft gestartet bin.

Wir sprechen über die Ostsee, von dieser wundervollen Landschaft am Darß. Dann empfiehlt sie mir, in den Dünen noch vor Ahrenshoop oder auch danach vor dem Darß Wald am Strand zu übernachten. Ihre Begeisterung steckt mich an. Der Weg nach Prerow ist noch weit und bei diesem Traumwetter ist eine Übernachtung im Freien sehr interessant.

Sie will auch eine Wanderung hier an der Ostsee unternehmen, um noch intensiver ihre Heimat kennenzulernen. Zuvor aber will sie mit einer Freundin Mexiko bereisen. Diese Freundin hatte dort mal für einige Zeit gelebt. Sie ist von meiner Wanderschaft begeistert und so ich gebe ihr meine Visitenkarte mit der Blogadresse. Sie wird nochmals Kontakt aufnehmen, verspricht sie mir. Dann verabschieden wir uns.

Der Weg durch den Darß, auf diesem asphaltierten Belag, nehme ich nicht wirklich wahr. Beiderseits des Weges Wildblumen und –pflanzen, so weit das Auge reicht, lenken mich total ab. Das Farbenspiel der verschiedenen Farben und Farbtupfer ist einmalig, ich bin wieder völlig fasziniert und fotografiere unentwegt diese Eindrücke. Natürlich können meine Bilder nicht vollständig diese eindrückliche Landschaft wiedergeben. Doch hoffentlich ein bisschen davon aber zeigen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge, ich bewege mich inzwischen auf einer Steilküste mit herrlichem Blick auf das blaue Meer und den tiefblauen Himmel, entlang. Dann erreiche ich einen traumhaften Platz noch oben auf der Steilküste. Hier könnte ich meine Nacht im Freien verbringen. Abgelegene Plätze gibt es hier genug. Doch ein Blick auf mein Navi sagt mir, ich muss noch durch Ahrenshoop und erst dann einen Schlafplatz finden. Es ist noch zu früh für ein Etappenende.

Weiter geht es an der Steilküste entlang. Unter mir am Strand viele Badegäste und doch ist der Strand nicht wirklich überlaufen. Dann erreiche ich schließlich Ahrenshoop. Der Ort ist nett und ich mache bei einer Eisdiele eine Rast. Das Eis hier schmeckt köstlich, ist etwas cremiger als das italienische Eis. Mir schmeckt es jedenfalls deutlich besser. Wieder nehme ich Sanddorn und Holunder. Nach der Pause geht es weiter durch den lang gezogenen Badeort. Schließlich erreiche ich den Darßwald und biege runter zum Strand ab.

Der Darßwald oder Darßer Wald ist ein Nationalpark mit naturbelassenem Wald. Er erstreckt sich über große Teile der Halbinsel Darß. Es gibt hier eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Morgen werde ich diesen Wald durchschreiten!

Einige Zeit laufe ich am Strand entlang, es sind nur noch wenige Badegäste anwesend und so suche ich mir einen Schlafplatz in den Dünen oberhalb des Strandes. Den finde ich recht schnell, er ist einigermaßen versteckt hinter einem Sandwall und nur 20 bis 30 Meter vom Strand entfernt.

Zur Sicherheit lege ich meine Zeltunterlage aus und darüber das Zelt, ohne es jedoch aufzubauen. An den äußeren Seiten verankere ich es mit mehreren Heringen. Unter dem Außenzelt lege ich meinen Rucksack, meine Sachen und schließlich zum Teil auch meine Luftmatratze und den Schlafsack. Nun lasse ich den warmen Abend einsam in den Dünen ausklingen. Erlebe noch einen herrlichen Sonnenuntergang und schließlich schlüpfe ich müde in meinen Schlafsack. Ziehe noch das Außenzelt über den Schlafsack, sodass nur noch mein Kopf hervorschaut. Der anstrengende aber wunderschöne Tag mit den vielen Eindrücken lässt mich schnell einschlafen.

Irgendwie werde ich nachts wach. Es ist eine sternklare Nacht und Vollmond. Leicht erschrocken stelle ich fest, die Oberfläche des Zeltes feucht ist. Doch morgen ist ein neuer Tag und wieder Sonnenschein zum Trocknen. Noch eine Zeit lang schaue ich in den klaren Himmel, um mich herum Stille, nur die Wellen des Meeres vernehme ich. Es wirkt so beruhigend und dabei schlafe ich wieder ein.