119. Etappe: 20. August 2013

Bad Muskau – Podrosche  23,3 km

Nach der gestrigen langen Etappe lasse ich es heute etwas geruhsamer angehen. Gegen 9:30 Uhr verlasse ich die Pension und orientiere mich nach meinem Navi in Richtung des Oder-Neiße-Radweges. Von der Bautzener Straße geht eine kleine Straße seitlich ab und führt nach meinem Navi direkt zu dem Radweg. Doch das ist alles graue Theorie. Ein Privatgrundstück versperrt mir den Durchgang. Neben mir eine hohe Böschung und eine kleine Treppe führt hinauf. Zurück möchte ich nicht, also gehe ich hinauf und erreiche einen Kopfstein gepflasterten Weg. Diesen Weg folge ich, da er parallel zu meinem versperrten Weg verläuft. Doch dann in einem kleinen Wäldchen stehe ich vor einem versperrten Tor. Ich bin aber richtig, denn ein Stück weiter erkenne ich eine Unterführung unter einer Bahntrasse. Nur noch wenige Meter trennen mich davon, also klettere ich über Schutt und Erdhügel auf die andere Seite. Als ich mich umdrehe, stehe ich vor einem Schild mit: „Privatgrundstück. Betreten verboten. Zuwiderhandlungen werden zur Anzeige gebracht.“

Schon nach wenigen Metern befinde ich mich wieder auf dem Radweg. Für kurze Zeit laufe ich neben einer mäßig befahrenen Bundesstraße entlang, bevor ich in einen Wald abbiege und schließlich wieder in der Nähe der Neiße bin. Die Neiße sehe ich nur gelegentlich, meist ist sie durch Bäume verdeckt. Kurz vor Sagar fängt es wieder an zu regnen, nicht heftig, doch genug um den Poncho anzuziehen. Eine Radlerklause kommt mir da gerade recht und ich kehre für eine längere Pause dort ein. Nach mir kommen noch Radler, die ich schon gestern unterwegs gesehen habe. Wir unterhalten uns kurze Zeit, dann brechen sie auf und auch ich beende meine Pause. Rechte Lust bei diesem Schmuddelwetter habe ich nicht.

Mit Poncho verlasse ich die Radlerklause. Zunächst laufe ich am Waldrand entlang oder auch durch Wald. Die Neiße sehe ich nur gelegentlich. Meistens ist sie einige Hundert Meter entfernt oder durch Baumreihen und Büsche verdeckt. Doch regelmäßig ist ein Schwarz-Rot-Gelber Grenzpfosten sichtbar. An vielen abgeernteten Feldern und Weiden komme ich vorbei. Nur noch Maisfelder und auch einmal ein Sonnenblumenfeld stehen noch. Es ist eine schöne Landschaft und herrlich ruhig. Wie schon gestern komme ich an einer Staustufe (zumindest sieht sie so aus) vorbei. Der Sinn dieser Anlagen erschließt sich mir nicht. Vorbei geht es an Skerbersdorf und Pechern. Kurz vor Werdeck versuche ich erneut bei meiner heutigen Unterkunft anzurufen. Mehrere Versuche scheitern. Das deutsche Telekom-Mobilfunknetz ist wieder einmal grottenschlecht. Mehre polnische Netze wären verfügbar. Doch schließlich erreiche ich die Pension und teile mit, dass ich auf jedem Fall noch komme.

Vielleicht ist es für die Leser(innen) ungewöhnlich, dass ich nach einer Buchung unterwegs nochmals anrufe. Wie ich schon mehrfach erfahren habe, herrscht leider die Unsitte vor, zwar zu buchen, doch dann nicht aufzutauchen. Da es oft nur wenige Zimmer gibt, möchte ich nicht ankommen und das Zimmer ist anderweitig vergeben worden. Schon einige Male habe ich trotz vorherigem Telefonat in überraschte Gesichter geblickt. Man hatte nicht mehr mit mir gerechnet. So auch gestern Abend um 20:45 Uhr bei meiner Ankunft.

Von meinem letzten Rastplatz ist es dann nicht mehr weit und ich erreiche den kleinen Gasthof. Fast gegenüber führt eine Brücke zur polnischen Seite. Es sind wieder einmal nur wenige Meter bis nach Polen.

Zunächst trinke und esse ich etwas und werde danach über eine Außenwendeltreppe zu meinem Zimmer geführt. Schon auf dem Flur laufe ich auf knarrendem Boden. Das setzt sich auch im Zimmer fort. Jede Bewegung, selbst auf dem Stuhl verursacht ein Knarren. Später kommt noch ein Radwanderer an. Auch dessen Bewegungen im Zimmer oder auf dem Flur sind deutlich vernehmbar. 

118. Etappe: 19. August 2013

Forst (Lausitz) – Bad Muskau  35,1 km

Im Frühstücksraum erfahre ich von der Zimmerwirtin, dass noch eine Radwanderin dazu kommen wird. Und wenig später erscheint sie dann auch.

Ich frage sie, ob sie auch auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs ist. Sie bejaht es, fügt aber hinzu: „Ich bin auf einer Deutschlandumrundung unterwegs.“ Ich bin total überrascht, aber auch erfreut, tatsächlich jemanden zu treffen, der ebenfalls auf einer Umrundung unterwegs ist.

Sie hat gerade die Freistellungsphase der Altersteilzeit begonnen und startete in Baden Württemberg zunächst auf einer Tour auch auf den Spuren ihrer Vergangenheit. Dann ab Donau wollte sie bis zur Mündung in Rumänien fahren. Das Hochwasser setzte aber in Budapest einen Schlusspunkt. Von dort ist sie mit dem Zug zurück. Schon unterwegs hatte sie die Idee, wenn die Fahrt an der Donau zu gefährlich werden würde, alternativ eine Deutschlandumrundung vorzunehmen.

Zu Hause angekommen hat sie sich einige Tage gesammelt, wie sie es formulierte, und ist dann wieder los. Unterwegs erfuhr sie bei einer Zimmerwirtin von mir, ich hatte dort bereits übernachtet. Da ich mein Stempelheft dabei hatte, stellten wir eine weitere Übernachtung bei gleicher Zimmervermietung fest.

Sie muss Anfang Oktober zu einem Familientreffen, sollte sie bis dahin nicht mit der Umrundung fertig sein, fährt sie den Rest im nächsten Jahr.

Auf dem Hof verabschieden wir uns und dann starte ich. Die Unterkunft liegt im Norden von Forst und so dauert es einige Zeit, bis ich in der Nähe des Radweges ankomme. Hier wird mir der Weg versperrt durch eine Rosengartenausstellung. Eintritt 11 € und durch komme ich nicht, muss in jedem Fall zurück. Da es nach Regen aussieht und ich eine lange Tour vor mir habe, streiche ich die Besichtigung. Der alternative Weg ist beschildert. Bei einem Rastplatz am Wald mache ich eine kurze Pause. Eine „Schnapsdrossel“ sitzt schon da und schnell zieht er mich in ein Gespräch, eher er spricht mit mir und erwartet auch keine Antwort.

Er sitzt bisher nur bei einer Flasche Bier seit heute Morgen um 7 Uhr  :-P. “Mehr habe ich nicht getrunken”, erklärt er mir. Eine leere Flasche steht aber in seinem Rolator. “Habe ich nicht getrunken, ist nur gefundenes Leergut”, versichert er mir. Zwischendrin holt er eine Weinbrandflasche aus einer Tasche und nimmt einen kräftigen Schluck. Die Flasche ist dreiviertel leer und wieder versucht er mir zu versichern: „Die Flasche habe ich schon drei Tage und sie wird noch länger halten.“ Wer’s glaubt, wird selig 😛 .

Plötzlich kommt meine Radfahrerin von heute Morgen vorbei. Sie hat sich die Ausstellung angeschaut. Wir begrüßen uns kurz und dann ist sie schon vorbei. Auch ich starte wieder und nicht lange, dann habe ich den Deich an der Neiße erreicht.

Heute wechselt mehrfach die Landschaft an der Neiße. Zunächst sind es landwirtschaftlich genutzte Wiesen und Weiden am Ufer, dann wird es ursprünglicher und Kräuterwiesen folgen. Mittendrin immer wieder Bäume und Büsche. Schließlich säumen Eichen und Weiden das Ufer.

Ich durchlaufe auch immer wieder Waldgebiete. Irgendwo zwischendrin mache ich eine Rast bei einem umgerüsteten Gartenhaus als Radlertreff. Nachdem ich von meiner Wolfsbegegnung erzähle, erfahre ich, dass es hier tatsächlich Wölfe gibt. Also traf gestern ein „einsamer Wolf einen einsamen Wolf“ :-P.

Weiter geht es unter einer Autobahn hindurch, auch einen Märchenwald (Naturgebiet „Schwarze Grube, auch Märchenwald genannt) durchquere ich. Hole mir bei einem Ziegenhof ein paar köstliche Ziegenkäsehappen als Wegzehrung.

Immer wieder regnet es und ich trage dauerhaft den Poncho. Nur bin ich inzwischen nicht vom Regen durch und durch nass, sondern auch vom Schweiß. Mir rinnt dieser in Strömen. Mein kleines Schweißtuch kann ich inzwischen auswringen!

Unterwegs in einer regenfreien Zeit versuche ich eine Unterkunft zu finden. Leider kein leichtes Unterfangen. Viele Zimmervermietungen sind belegt und bei den noch Freien will man mir nicht das Doppelzimmer vermieten. Da der Ort ein „Bad“ davor stehen hat, wiederholt sich das, was ich schon in Feriengegenden erlebt habe. Schließlich kann ich doch eine sehr günstige Unterkunft für 18 € inklusive Frühstück buchen. Die Unterkunft liegt aber außerhalb von Bad Muskau in einem Vorort.

Erst etwa 4 – 6 Kilometer vorher kann ich mich nochmals bei der Zimmerwirtin melden. Wieder einmal ist kein Mobilfunknetz vorhanden. Inzwischen ist es spät geworden. Für die letzten Kilometer nutze ich das Smartphon-Navi. Dieses führt mich durch ein Waldgebiet. Der Weg ist nur noch schlecht sichtbar und mein Smartphone-Navi arbeitet sehr träge. Natürlich verlaufe ich mich und ziehe dann doch mein Outdoor-Navi zurate. Irgendwie komme ich schließlich wieder aus dem Wald und lande auf der richtigen Straße. Nach etwa 300 Metern bin ich dann bei der Unterkunft.

Die Zimmerwirtin guckt mich verdutzt an, als sie öffnet. Mit mir hat sie nicht mehr gerechnet. Mein kleines Zimmer liegt im 2. OG und WC und Bad sind über den Flur erreichbar. Zu meiner Freude gibt es ein Wannenbad und so genieße ich nach einer langen Tour ein entspannendes Bad.

117. Etappe: 18. August 2013

Guben – Forst (Lausitz)  31,3 km

Von der Pension aus muss ich quer durch Guben, bevor ich den Deich an der Neiße erreiche. Für ein kurzes Stück ist die Neiße sichtbar. Deutlich schmäler als die Oder, aber mit deutlich höherer Fließgeschwindigkeit. Dann versperren mir Schilf, Büsche und Bäume am Ufer wieder die Sicht auf den Fluss. Der Himmel ist bewölkt mit blauen Anteilen und die Sonne findet gelegentlich ihren Weg hindurch.

Der Deich führt mehr oder weniger dicht am Fluss entlang. Nur eine Wiese trennt mich von der Neiße. Mal geht es durch ein Wäldchen, mal laufe ich an abgeernteten Getreidefeldern vorbei. Leider begleitet mich auch die Straße für längere Zeit, die unmittelbar neben dem Deich entlang führt. Die Verkehrsgeräusche finde ich störend.

Wieder einmal verlässt der Deich glücklicherweise die Straße und plötzlich im Abstand von ca. 50 Metern steht zwischen Büschen am Ufer ein großer dunkelgrauer wolfsähnlicher Hund oder Wolf. Aufgeregt hole ich meine Kamera raus, doch dann hat er wohl Witterung von mir aufgenommen. Schaut für einen Moment in meine Richtung und flüchtet dann vor mir über den Deich auf ein abgeerntetes Getreidefeld. Kurz vor dem dahinter liegenden Maisfeld wird er wieder langsamer und verschindet im Mais. Genau in diesem Moment erwische ich ihn noch mit meiner Kamera.

Irgendwann laufe ich vor dem Deich und die Straße führt auf dem Deich entlang. Jetzt ist die Neiße eingebettet zwischen den Deichen auf polnischer und deutscher Seite in eine relativ schmale Wiesenlandschaft. Vor mir taucht eine teilweise zerstörte Betonbrücke auf. Die Zerstörung scheint aus der Zeit des 2. Weltkriegs zu stammen. Auf deutscher Seite gibt es keine Trümmer mehr. Die Reste des Brückenbeginns sind noch vorhanden und bei ihm mache ich eine Rast. An der Brücke befestigt eine Metallleiter mit Geländer und Radspur. Das Geländer auf der Brücke fehlt jedoch. Man kann aber über die Brücke die Neiße überqueren. Denn einen Moment später kommt ein Radler angefahren. Er steigt ab und betrachtet die Leiter und kehrt wieder um.

Mit der Zeit wird das Laufen an der Neiße ruhiger und die Straße verschwindet aus meinem Blickfeld. Irgendwann ist es sogar völlig ruhig. Bei einem alten Wasserwerk angekommen, steht im Garten davor eine alte MIG. Als ich die Kamera heraushole, mich dem Zaun nähere und fotografieren will, kommen zwei große und eher ungemütliche Rottweiler bellend und knurrend angelaufen. Sie verstehen offensichtlich keinen Spaß und so trete ich ohne Foto den Rückzug an. Am Kraftwerk überquere ich die Neiße um sie nach ein paar Hundert Metern erneut wieder zu überqueren. Es ist inzwischen heiß geworden und mein Wasser aufgebraucht. Mein Mund ist trocken und ich habe Durst, doch Abhilfe ist nicht in Sicht. Das nahe Gasthaus ist geschlossen. Ein Hinweisschild zeigt eine Öffnungszeit für Montag bis Freitag an und heute ist leider Sonntag.

Für längere Zeit durchlaufe ich einen Wald, die Neiße ist nicht mehr sichtbar. Doch dafür hat mich die etwas höher gelegene Straße wieder. Dann endlich ein Hinweisschild auf eine Rastmöglichkeit mit „Lehmanns Radler-Rast“. Und diese Radlerrast taucht auch wenig später als ein Getränkewagen mit Tischen und Bänken auf.

Nach Stillen meines Durstes mit 2 Liter Wasser geht es weiter. Zuvor erfahre ich noch von einer Abkürzung zu meiner heutigen Unterkunft. Von einem gerade eingetroffenen Anwohner erfahre ich auch noch, dass vor drei Jahren hier auch ein Wanderer mit Hund auf einer Deutschlandumrundung vorbei gekommen ist.

Ich bleibe wie empfohlen auf dem Radweg und blicke unerwartet in die Augen eines Rehes. Uns trennt gerade mal ein Bach. Wir schauen uns bewegungslos an. Vorsichtig beginne ich die Kamera aus der Tasche zu holen und blind auszurichten, ohne den Blick vom Reh zu lassen. Wir schauen uns weiterhin unverändert an. Erst als ich einen Blick auf den abgeklappten Monitor werfe und leider nochmals ausrichten muss, springt das Reh die Böschung hoch. Ich erwische es gerade noch, bevor es im Feld verschwindet. Weiter geht es durch ein paar kleine Siedlungen. Am Himmel brauen sich wieder dunkle Wolken zusammen, doch ich erreiche meine Unterkunft trocken.  

116. Etappe: 17. August 2013

Neuzelle – Guben  20,6 km

Gleich zu Beginn meiner heutigen Etappe streikt mein Navi. Es findet keine Satelliten. Da dies ungewöhnlich lange dauert, ahne ich Fürchterliches. Sollte mein Navi seinen Geist aufgegeben haben? Da ich mich bereits auf der B112 befinde und ein Wegweiser nach Guben zeigt, meinem heutigen Ziel, bleibe ich auf dem Radweg dieser Bundesstraße. Erst als ich einige Hundert Meter eine Abzweigung passiere, ist der Satellitenkontakt wieder da. Erleichtert laufe ich weiter, doch dann macht mich ein Hinweisschild „Kraftfahrstraße“ für die weiter verlaufende B112 nervös. Das bedeutet das Ende des Radfahrweges! Wieder beginnt ein Abwägen: zurück oder doch weiter. Weiter ist wohl verboten und ich muss mit höheren Geschwindigkeiten rechnen. Die Entscheidung ist schnell getroffen, also zurück zu der Abzweigung und dort weiterlaufen. Zu meinem Glück kommen mir gerade zwei Radfahrer entgegen und diese sind auch noch Einheimische. Sie geben Entwarnung, der Radweg verläuft auf einer alten Straße parallel zur neuen B112.

Also weiter auf dem Radfahrweg, der inzwischen neben einer zweispurigen Straße verläuft. Doch diese Straße verengt sich einige Zeit später zu einer schmalen einspurigen Straße. Zunächst bin ich alleine unterwegs, doch dann beginnt wieder der Raserwahnsinn. Plötzlich überholen mich mehrere Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit und mit wenig Abstand. Die Fahrgeräusche werden durch den Verkehr der daneben verlaufenden B112 übertönt. Jedes Mal wenn ein Fahrzeug neben mir vorbei fährt, erschrecke ich. Ich beuge mich den Verrückten und laufe neben der Straße auf einem sehr unebenen schmalen Rand. Besser auf jedem Fall als irgendwann angefahren zu werden. Nur wenige Haltebuchten sind vorhanden und ich hoffe, dass sich keine Raser begegnen und ich dann im Wege bin.

Kurz vor Steinsdorf überquere ich eine Brücke und danach habe ich das Ortsschild im Blick. Meine innere Anspannung lässt sofort wieder nach. Im Ort komme ich an einem kleinen Biergarten vorbei. Es ist heiß und mein Durst groß und so kehre ich ein. Wenig später setzt sich eine Frau zu mir an den Tisch. Wie ich von ihr erfahre, beginnt heute ein Dorffest und es werden Gäste aus Polen, aus der Schwestergemeinde, erwartet. Sie ist die Leiterin der örtlichen Schule und gleichzeitig die Dolmetscherin. Da einige Polen auch Deutsch sprechen, ist die Aufgabe nicht schwer, erklärt sie mir.

Ihre Polnischkenntnisse stammen aus der Zeit ihres Aufenthaltes in Warschau. Damals begann sie, nach einem Intensivkurs, mit dem Studium für Haustechnik. Sie korrigiert sich lachend: „Mit Gas, Wasser, Sch …“ Doch schnell merkte sie, dass das nicht das Richtige für sie ist. Schon alleine das Technische Zeichnen war ihr ein Gräuel. Außerdem wäre sie später nach dem Studium als Frau wahrscheinlich in der Verwaltung gelandet. Und als Alternative wäre dann nur der Außenhandel infrage gekommen. Damit aber auch zwingend der Eintritt in die Partei. Nach der Wende erzählte sie mir, wurden alle aus diesem Bereich entlassen und arbeitslos. So kam es, dass sie Pädagogik studierte und heute Lehrerin mit Leib und Seele ist.

Einige Zeit später trafen dann die polnischen Gäste ein und ihr Einsatz beginnt. Schon wenig später setzte sich ein Mann, er ist gerade mit einem Transporter eingetroffen, zu mir an den Tisch. Die Wirtin brachte ihm unaufgefordert einen Teller Suppe. Ich habe den Eindruck, es ist ihr Mann. Auch mit ihm bin ich schnell in einer Unterhaltung.

Nach dem Wiederkehrenden woher und wohin, zeigt er sich beeindruckt von meiner Leistung. Dann erzählt er mir von einem Radfahrer, der ebenfalls auf einer Rund-um-Deutschland-Tour unterwegs war. Er übernachtete hier in der Pension. Da sein Gepäckträger gebrochen war, suchte er eine Werkstatt. Die brauchte er aber nicht, denn hier im Ort wurde der Gepäckträger geschweißt. Stolz erklärt er mir, hier machen wir noch alles selber und brauchen keine Werkstatt.

Wenig später setzen sich mehrere Frauen aus der Küche an den Nebentisch. Auch sie mischen sich in unsere Unterhaltung ein. Eine fragt mich schließlich, wie alt ich bin. Eine andere fällt ihr ins Wort: „So was fragt man nicht!“ Als ich lachend mein Alter nenne, höre ich eine weitere Frau murmelnd sagen: „Der hat sich aber gut gehalten, was Wandern so alles ausmacht.“ Mir schwillt innerlich die Brust!

Als ich aufbrechen will, lädt mich der Mann ein, mit ihm nach Guben zu fahren. Ich lehne dankend ab. Daraufhin erklärt er mir noch den weiteren Weg nach Guben und ich setze meinen Weg fort.

Schnell habe ich das Dorf verlassen und laufe nach Überquerung einer Brücke wieder auf einem separaten Radweg neben der parallel zur B112 verlaufenden Straße. Kurz vor dem nächsten Ort höre ich plötzlich eine Stimme neben mir. Mein Gesprächspartner von vorhin fährt langsam an mir vorbei und ruft mir zu: „Sie sind auf dem richten Weg.“

Weiter geht es durch Bresinchen, dann durch Groß Breesen – bereits ein Stadtteil von Guben – und dort bremst plötzlich ein Radfahrer ab und fährt langsam neben mir.

Seine Frage an mich: „Von wo nach wo?“ Als ich antworte: „Von Darmstadt wieder nach Darmstadt“, folgt: „Ich bin Baujahr 58 und sie?“ Als ich antworte: „Baujahr 48“ ist sein Erstaunen groß und er erwidert: „Hochachtung, ich ziehe meinen Hut“, und fährt dann weiter. Ich höre ihn noch sagen: „Unglaublich, unglaublich!“

Nur wenig später hupt es plötzlich neben mir, ich blicke auf und sehe einen Autofahrer winken und mir den nach oben gestreckten Daumen zeigen. Und damit nicht genug, zwei mir entgegen kommende Radfahrerinnen rufen mir freundlich zu: „Frohes Wandern.“

Schließlich erreiche ich die Kreisstadt Guben. Doch bis zu meiner Pension muss ich noch fast den ganzen Ort durchlaufen. Die Pension ist ein flacher lang gezogener Bau, im Winkel dazu ein weiteres Gebäude mit Bowlingbahn und Restaurant. Mein Zimmer ist groß und neu renoviert.

115. Etappe: 15. August 2013

Wiesenau – Neuzelle  21,6 km

Bei fast wolkenlosem blauen Himmel und bei Sonnenschein starte ich meine heutige Etappe. Mein Weg führt mich heute mit einem Schlenker nach Neuzelle. Doris hatte mich in einer Kontaktmail auf das in der Niederlausitz gelegene Kloster Neuzelle aufmerksam gemacht.

Das Kloster Neuzelle wurde am 12. Oktober 1268 von Marktgraf Heinrich dem Erlauchten aus dem Haus Wettin gestiftet. Es war eine Abtei des Ordens der Zisterzienser. Die katholische Stiftskirche St. Marien bildet den Mittelpunkt des Klosters. Das ursprünglich gotische Gotteshaus wurde im 17. und 18. Jahrhundert barock umgebaut und erhielt eine prunkvolle Innenausstattung durch italienische und böhmische Künstler.

Von Wiesenau laufe ich zunächst an der B112 entlang bis nach Ziltendorf und von dort auf einer Landstraße über Vogelsang nach Eisenhüttenstadt. Am Stadtrand von Eisenhüttenstadt bekomme ich von einem älteren Radfahrer den Tipp nicht an der Straße entlang zu laufen, sondern einen Wirtschaftsweg hinter den Bahngleisen zu nehmen. Der Tipp war gut, und wie sich herausstellte, war es auch die kürzere Variante zum Kloster. Noch von unterwegs buche ich über die Touristeninformation eine Übernachtung.

Der Ort Neuzelle ist schnell erreicht und auch das Kloster. Im Kloster sind verschiedene Renovierungsarbeiten im Gange. Die barocke Stiftskirche und der Kreuzgang sind nicht davon betroffen und zu besichtigen. Das Kircheninnere erinnert mich stark an süddeutsche barocke Kirchen. Die Kirche ist relativ klein, aber ausgesprochen prunkvoll.

Nach etwas Suchen finde ich nach der Besichtigung dann meine heutige Bleibe. Es ist eine Ferienwohnung. Meine Zimmerwirtin ist auch so nett, das ich mal wieder einen Waschgang mit Waschmaschine einlegen kann. Die Wäsche kann draußen in der Sonne trocknen. Wenig später in einem Gasthof lese ich in der Lokalzeitung, dass der Oder-Neiße-Radweg gerade wegen umfangreicher Bauarbeiten über Neuzelle umgeleitet wird. Daher sind mir auch mehrere Radwanderer unterwegs begegnet. Es war also kein Umweg und vielleicht sogar noch kürzer als die Umleitung der Radweges.  

114. Etappe: 14. August 2013

Frankfurt/Oder – Wiesenau  17,3 km

Noch vor dem Frühstück nehme ich telefonisch Kontakt mit dem Webspacebetreiber auf. Meine Prüfungen haben keine Viren, Trojaner oder Bots auf meinem Rechner ergeben. Einzige Erklärung ist der Abbruch tags zuvor bei der Übertragung von Etappendateien. Auch beim Betreiber hat man nichts bei den zuletzt übertragenen Dateien an Schadcode gefunden. Ich erhalte schließlich ein neues Passwort und habe nach einiger Zeit wieder Zugang. Doch jetzt schaffe ich nur noch den Etappenverlauf zu aktualisieren und Bilder hochzuladen.

Um 10:30 Uhr verlasse ich das Hotel und bin direkt vor dem Eingang auf meinem heutigen Etappenweg. Auf dieser Straße bleibe ich bis zum Ortsausgang von Frankfurt. Es ist eine Straße mit wenig Verkehr. Kurz nach der Unterführung der Autobahn habe ich eine große offene Fläche mit einem großen Tümpel zur Straße hin. Hier tummeln sich viele Enten, ein Schwanenpaar mit Jungen und vier Silberreiher. Diese beobachten mich sehr genau, und jedes Mal wenn ich einem näherkomme, fliegt er ein Stück weiter weg von der Straße. Schließlich endet der Gehweg und ich laufe mal wieder am Straßenrand entlang.

Der Weg schlängelt sich nun bergauf, bis ich schließlich wieder eine Gerade vor mir habe. Jetzt bläst mir ein kalter Wind entgegen und ich ziehe nach langer Zeit wieder einmal eine Jacke an. In Lassow mache ich meine erste Pause. Nach Lassow geht es auf einer alten Verbindungsstraße nach Brieskow-Finkenheerd neben der nun neuen Bundesstraße B112 weiter. Kurz vor Brieskow-Finkenheerd endet die alte Straße und nun führt der Radweg geschützt durch Leitplanken neben der B112 bis in den Ort.

Als ich Brieskow-Finkenheerd verlasse, komme ich zum ersten Mal an einen Mirabellenbaum mit reifen Früchten vorbei. Selbstverständlich lege ich eine längere Versorgungspause ein. Ich genieße alle erreichbaren reifen Mirabellen.

Weiter geht es auf einem separaten Radweg bis in den Zielort Wiesenau. Gleich am Ortseingang nutze ich den Supermarkt um diverse Dinge zu beschaffen. Kurze Zeit später erreiche ich dann meine heutige Pension. Die Überprüfungen an meinem Rechner bis weit nach Mitternacht und die ganze Aufregung haben mich müde gemacht und so schlafe ich erst einmal bis zum Abend.

Leider habe ich hier wieder keine Mobilfunkverbindung und so muss die Aktualisierung des Blogs warten. Morgen werde ich über Eisenhüttenstadt, hier ist vielleicht eine Übertragung möglich, weiter bis mindestens Neuzelle laufen. Dort werde ich, wenn es möglich ist, das ehemalige Zisterzienserkloster mit der barocken Klosterkirche besuchen.

113. Etappe: 13. August 2013

Küstrin-Kietz – Frankfurt/Oder  34,1 km

Pünktlich um 7 Uhr steht mein Frühstück bereit. Der Blick nach draußen verheißt nichts Gutes, es regnet leicht. Schon in der Nacht hatte es einige Schauer gegeben und ich bin froh das Zimmer bekommen zu haben. Die Alternative Zelt für heute Nacht wäre ziemlich deutlich ins Wasser gefallen und heute Morgen hätte ich ein total nasses Zelt im Rucksack verstauen müssen. Bei meinem Start kurz vor 8 Uhr ist es dann trocken, wenn auch stark bewölkt. Ich verabschiede mich von der sehr netten Zimmerwirtin. Dabei erzählt sie mir noch, dass sie im nächsten Jahr die Vermietung komplett einstellen wird und das Haus verkauft. Danach zieht sie in eine Wohnung des betreuten Wohnens. Als ich die Straße betrete, steht die junge Frau des netten Paares vom zweiten Zimmer auf dem Balkon und wünscht mir eine gute Reise.

Ich laufe den von der Zimmerwirtin empfohlenen Weg über die Felder. Schon nach wenigen Metern beginnt es zu tröpfeln und der Himmel sieht nach weiterem Regen aus. Zur Sicherheit ziehe ich doch den Poncho an. Noch ohne Sonne ist es ziemlich kühl und der Poncho schützt etwas vor dem kalten Wind. Dieser Weg stößt schließlich wieder auf den Deich und den Oder-Neiße-Radweg. Ich laufe hinter dem Deich auf der asphaltierten Deichstraße.

Irgendwann führt ein Weg wieder hoch auf den Deich. Die Oder ist nur etwa 20 Meter entfernt. Mich trennt nur Schilf vom Fluss. Viele noch sehr kleine Schnecken (Länge <= 10 mm) überqueren den Weg. Doch bei einem Gedenkstein „Deichbruchstelle 21./22.03.1947“ endet der wieder asphaltierte Weg auf dem Deich.

Langsam kommt die Sonne zwischen Wolken hindurch. Ich nutze es und schlüpfe aus dem Poncho und legen ihn zwischen Rucksack und Kopf. Ein paar Mal bleibe ich stehen und lasse mich von den warmen Strahlen verwöhnen. Nach einer Zeit ohne nennenswerte Aussichten geht es wieder hoch. Nun ist die Oder ein Stück entfernt und schon beginnt wieder eine Bilderbuchlandschaft. Fette saftig grüne Wiesen, kleine Tümpel oder schmale Seitenarme der Oder umgeben von Schilf und knorrigen Weiden prägen wieder diese Landschaft. Zwischen drin durch Hochwasser angeschwemmte Baumstämme oder Äste. Manchmal haben sie sich an Bäumen oder Büschen verheddert.

Vor mir wird gerade eine Herde Schafe auf die Wiese getrieben. Anschließend fährt ein Fahrzeug mit Hänger auf den Deich und parkt dort am Rand. Ein junger Hund tobt verspielt herum. Als ich das Fahrzeug erreiche, steigt ein älterer Mann aus. Es ist der Schäfer dieser Herde.

Wir sind schnell im Gespräch. Er ist nicht nur der Schäfer, sondern ihm gehören die Schafe. Außerdem grasen sie jetzt auf seinem Land. Er zeigt mir mit ausladender Bewegung eine riesige Fläche, die er sein Eigen nennt. Vor ein paar Jahren hatte er noch weit über tausend Schafe, jetzt sind es nur noch um die Zweihundert. Schafe erreichen in der Regel ein Alter um die zwölf Jahre, erklärt er mir.

Früher hatte er auch mehrere Ziegen, jetzt ist nur noch ein Ziegenbock in der Schafsherde. Von seinen ehemals sechs Pferden sind heute noch zwei übrig geblieben. Bei dem jungen Hund handelt es sich um einen vier Monate alten altdeutschen Schäferhund. Dieser hat mich während der Unterhaltung auch als Spielkamerad ausgemacht. Springt an mir hoch oder beißt mit seinen spitzen Zähnen in meine Hand. So einen Hund als Weggefährten könnte ich mir gut vorstellen.

Der Mann ist 73 Jahre alt und will in absehbarer Zeit die Schafszucht ganz aufgeben. Obwohl es ihm gut geht und er auch ein gutes Einkommen hat, will sein Sohn die Schafszucht nicht übernehmen. Er hat studiert und kein Interesse an Landwirtschaft. Ich habe das Gefühl, dem Schäfer geht diese Ablehnung sehr nahe. Auch er liebt diese Oderlandschaft und genießt, wie er mir erzählt, hier immer wieder mit seiner Herde unterwegs zu sein.

Ich nähere mich einer Anglerin und mache dort auf einer Bank meine erste Pause. Wieder genieße ich die absolute Ruhe und die Schönheit der Landschaft. Noch während meiner Pause ziehen dicke graue Wolken heran und verstärken so wundervoll als Hintergrund die Farben der Bäume und Büsche.

Weiter geht es und mit der Zeit öffnet sich die Landschaft auf der anderen Seite des Deiches. Riesige bewirtschaftete Felder, zum größten Teil bereits abgeerntete Getreidefelder, prägen das Bild. Im Hintergrund der von der Oder abgekehrten Seite begleitet mich schon länger ein nicht sehr hoher Gebirgszug. Schließlich erreiche ich den Ort Lebus und mache im Anglerheim eine längere Pause.

Ein Stück durch den Ort und dann sehe ich einen schmalen Pfad an der Oder im angrenzenden Wald verschwinden. Doch der Wegweiser zeigt weg von diesem Pfad und weiter in den Ort hinein. Mein Navi zeigt aber zu dem schmalen Pfad und so bleibe ich an der Oder. Weiter geht es durch den Wald und dann trete ich heraus auf eine Wiese. Hier ist der Weg erst vor Kurzem gemäht worden. Nach einer Biegung steht plötzlich einige Meter vor mir, ein Fuchs. Er ist genauso überrascht wie ich. Wir schauen uns kurz an und dann flüchtet er ins seitliche Dickicht.

Wieder verdunkeln einige Wolken den Himmel und liefern so eine malerische Flusslandschaft. Mein Weg führt weiter durch Wiesen und später dann auf einen Wirtschaftsweg. Mein Navi signalisiert mir jedoch eine immer größere Abweichung. Trotzdem laufe ich weiter, in der Hoffnung auf eine folgende Annäherung zu meiner Route. Eine Wegalternative ist nicht vorhanden. Schließlich endet dieser Weg vor einem verschlossenen Tor eines Privatgrundstücks. Also wieder zurück und schließlich sehe ich etwas versteckt hinter Büschen und Bäumen eine kleine Brücke. Beim Betreten der Bücke und dem anschließend kaum erkennbaren Pfad durch eine Wiese bin ich wieder auf dem richtigen Weg.

Nun nähere ich mich einem Seitenarm der Oder und sehe auch in der Ferne die ersten Hochhäuser der Stadt Frankfurt/Oder. Vor mir ein scheinbar geschlossenes Schilffeld. Doch beim Näherkommen erkenne ich einen schmalen Durchgang. Wenig später nähere ich mich einer matschigen Senke und wieder versteckt durch umwucherndes Schilf ein schmaler trockener Übergang. Der Weg, in unmittelbarer Nähe zur Oder, zieht sich und ich hoffe, er wird mir nicht noch durch Hindernisse versperrt. Schließlich erreiche ich den Anfang oder das Ende eines Deiches und steige zum befestigten Deichweg hoch. Längere Zeit verbringe ich nun auf dem Deich, laufe an Gassigeher vorbei und durchquere schließlich einen verlassenen Industriebereich mit leer stehenden oder verfallenen Gebäuden. Der Weg mündet schließlich am Ufer der Oder in Frankfurt. Hier empfängt mich ein dunkelgrauer Himmel und lässt die farbigen Häuser auf der polnischen Seite noch prächtiger erscheinen. Die ersten Blitze erhellen kurzfristig den dunklen Himmel. Nur wenige Menschen sind noch unterwegs. Ein Angler verharrt unverdrossen am Ufer. Ich mache noch mehrere Fotos und eile dann am Ufer in Richtung zu meiner heutigen Unterkunft. Mein Navi leitet mich schließlich am prächtigen Rathaus vorbei zur Marienkirche. Ich umlaufe die Kirche, hier wurden die Glasfenster von den Russen (Kriegsbeute) zurückgegeben. Doch Einlass finde ich nicht, alle Türen sind verriegelt.

Das Dunkelgrau am Himmel ist zumindest über Frankfurt schnell verschwunden und nach einer langen Kopfstein gepflasterten Straße erreiche ich schließlich das Hotel. Auf den letzten Metern merke ich sehr deutlich meine brennenden Füße und die sehr lange Etappe.

Im Hotel angekommen, nehme ich mir nach dem Duschen eine kurze Auszeit. Als ich zunächst mir die eingegangenen Mails anschaue, erschrecke ich durch eine Nachricht meines Webspacebetreibers. Mein Webspace soll möglicherweise gehackt worden sein. Irgendjemand soll sich Zugang verschafft haben. Daher wurde der Zugang zunächst gesperrt. Panik macht sich bei mir breit. Der Provider empfiehlt die Festplatte nach Viren und Trojaner, aber auch nach Bots zu überprüfen. Also beginne ich mit den entsprechenden Prüfungen, lade vom Internet das empfohlene Programm für die Bots runter und prüfe nochmals. Die letzte Überprüfung dauerte bis weit nach Mitternacht, doch auf meinem Rechner wird nichts gefunden. Erschöpft vom langen Weg und der Katastrophennachricht schlafe ich schließlich ein. Der Wecker ist für morgen auf 4:30 Uhr eingestellt.  

111. Etappe: 11. August 2013

Zollbrücke – Kienitz  21,5 km

Schon gegen 4:30 Uhr werde ich von Vogelgeschrei geweckt. Der Hahn stimmte wenig später auch noch ein. Mein Innenzelt ist beschlagen und leicht feucht. Wenig später als ich das Außenzelt öffne, merke ich, dass auch das Außenzelt nass ist. Vielleicht hat es die Nacht geregnet? Jedenfalls werde ich heute ein nasses Zelt einpacken. Vom Nachbarzelt vernehme ich Stimmen. Beim Packen und Zeltabbau komme ich mit einer Mutter und ihrem 12 jährigen Sohn ins Gespräch. Sie sind auch auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs und wollen bis nach Usedom fahren.

Da der Aufenthaltsraum und der Hofladen noch versperrt sind, verschiebe ich das Frühstück auf den Gasthof am Deich. Dort kehre ich dann ein und schreibe im Anschluss ans Frühstück noch meinen Bericht. Um 10:30 Uhr starte ich dann meine heutige Etappe bei blauem Himmel und Sonnenschein. Einige graue Wolken ziehen über mir hinweg. Die Oder ist etwa 100 Meter vom Deich entfernt. Am Ufer meisten Schilf und noch nichts Spektakuläres. Und trotzdem, das Odertal ist eine schöne Landschaft. Die ruhig dahin fließende Oder wirkt irgendwie beruhigend. Kein Autolärm, nur ganz selten ein Boot oder Schiff, keine Hektik, nur himmlische Ruhe. Gelegentlich wird diese Stille vom Geschnatter der Wildgänse und Enten unterbrochen. Doch das wirkt nicht störend auf mich, sondern ich nehme es gerne wahr. Diese Geräusche passen in diese Landschaft. Alles wirkt so ungemein beruhigend auf mich.

Mit der Zeit entfernt sich die Oder vom Deichweg. Dann eine Menschenansammlung ein Stück vor mir. Als ich näherkomme, sind es Personen mit ihren Hunden. Noch bevor ich sie erreiche, zieht der Pulk auf dem Deich und neben dem Deich in meine Zielrichtung weiter. Die frei laufenden Hunde genießen die Freiheit und jagend bellend beiderseits des Deichs durch die Wiesen und Tümpel. Durch das muntere Treiben der Hunde werden mehrere Kolonien von Wildgänsen aufgeschreckt und fliegen aufgeregt davon. Schließlich erreiche ich den Pulk und muss mich durch Mensch und Hund durchschlängen.

Nachdem ich hindurch bin, lasse ich das muntere Treiben schnell hinter mir. Die Landschaft öffnet sich immer mehr und die Oder verschwindet mehr und mehr in den Hintergrund. Vor mir saftig grüne Wiesen durchzogen mit schmalen Oderarmen und Tümpeln. Mittendrin immer wieder Weiden mit ihren teilweise silbriggrünen Blätter oder Büsche. Bei stehendem Gewässer auch wieder der grüne Algenüberzug. Wenn die Sonnenstrahlen diese Oberfläche treffen, erstrahlt sie in einem leuchtend hellen Grün.

Irgendwann endet der asphaltierte Weg auf dem Deich. Ich folge der Wegführung und laufe hinter dem Deich. Doch hier wird es zunehmend langweiliger und so steige ich wieder auf den Deich. Inzwischen ziehen immer mehr dunkelgraue Wolken auf. Auch der Wind hat zugenommen. Ich ziehe trotzdem nicht den Poncho an. Irgendwie habe ich den Eindruck, heute kommt kein Regen. Durch den grauen Wolkenhintergrund wirken die Grüntöne, vor allem das Silbriggrüne, sehr viel intensiver. Die Wasseroberfläche der Oder dagegen wird in Grau bis fast Schwarz getaucht.

In Groß Neuendorf mache ich in einem Imbiss eine Rast. Der Versuch ins deutsche Mobilfunknetz zu gelangen scheitert. Hier komme ich nur ins polnische Netz. Ich gebe auf und frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit im nächsten Ort. Ja, es gibt dort eine Übernachtungsmöglichkeit am Deich. Danach sieht es längere Zeit schlecht aus.

Weiter geht es mit den grauen Wolken und einem schönen Oderpanorama bis nach Kienitz. Wie angekündigt finde ich den Gasthof. Ich trete ein und frage nach einem Zimmer für diese Nacht. Die Frau hinter dem Tresen guckt mich ohne zu antworten an und so ergänze ich etwas verzweifelt: „Sagen sie jetzt bloß nicht Nein.“ Dann die Antwort: „Das ist ja schon fast Erpressung, jetzt kann ich ja nur ja sagen.“ Später erfahre ich, bis gestern war alles ausgebucht gewesen.

Nach dem Duschen breite ich im Zimmer die Zeltplane aus. Alles ist noch total nass und ich habe Zweifel, ob es bis morgen überhaupt trocken wird. Danach geht es zurück in den Schankraum zum Bilderbearbeiten und Schreiben. 

110. Etappe: 10. August 2013

Hohensaaten – Zollbrücke  17,9 km

Um 10 Uhr steht der Zimmerwirt vor meiner Tür, ich kann noch 20 Minuten rausschlagen. Dann aber muss ich endgültig das Zimmer verlassen. Mit hechelnder Zunge schaffe ich es dann mein Zimmer zu räumen. Der Weg geht zunächst zurück bis über die Brücke und dann ein Stück auf der Straße entlang. Schon kurz nach Ortsende führt wieder ein Weg hoch zum Deich. Doch jetzt muss ich mich mit dem Autolärm der Straße neben dem Deich arrangieren. Die Oder und der Überlaufbereich ist nicht so spektakuläre wie zuvor. Jetzt sind die Deichschrägen jedoch voller Wildpflanzen. Der nächste Ort Hohenwutzen ist schnell erreicht. Da inzwischen die Sonne schon wieder kräftig scheint, nutze ich direkt am Ufer einen großen schattigen Baum für meine erste Pause.

Bisher habe ich Oderbruch und Nationalpark Unteres Odertal für dasselbe gehalten. Ist es aber nicht. Der nun beginnende Oderbruch ist ein künstlich trocken gelegter Bereich des Odertals, während der Nationalpark ein Bereich des Odertals ist, der den natürlichen Veränderungen durch Überschwemmungen unterworfen ist. Der Slogan ist: „Natur Natur sein lassen“.

Der Oderbruch ist heute eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, die bis vor 250 Jahre regelmäßig überschwemmt wurde. Auf Veranlassung von Preußens König Friedrich II wurde 1747 – 1753 dieser Teil des Odertals umfassend trockengelegt.

In Hohenwutzen verlasse ich vorübergehend die Oder, um dann nach letzten Häusern wieder zum Deich zu gelangen. Es ist viel los heute, man merkt, das es Wochenende ist. Scharen von Radfahrern radeln unten auf dem Radweg neben dem Deich. Je weiter ich laufe, um so schöner wird das Odertal. Schließlich bin ich wieder fast alleine unterwegs. Nur noch wenige Radler sind unterwegs, jetzt sind es, wie Tage zuvor, wieder die Randwanderer auf dem Oder-Neiße-Radweg. Irgendwo an einer schönen Stelle packe ich meine Zeltunterlage aus und lege mich am Deich hin. Es ist wieder die Zeit diese schöne Landschaft zu genießen und das mit einer Pause zu verbinden. Es ist wieder Traumwetter mit blauem Himmel, durchzogen mit weißen Quellwolken. Die Sonne scheint dazu recht kräftig.

Unterwegs komme ich mit einem Paar aus Berlin ins Gespräch. Beide sind Lehrer und jetzt nur am Wochenende hier unterwegs. Die Schulferien sind in Berlin und Brandenburg bereits zu Ende. Schon nach einigen Kilometern bin ich wieder mit einem Paar aus Berlin im Gespräch. Wir unterhalten uns länger auch über den Camino in Spanien. Die Oder ist wie die Ostsee das Vorzimmer von Berlin.

Bei einer alten Brücke über die Oder, heute nicht mehr nutzbar, mache ich nochmals eine Pause und schaue auf die Ergebnisse des ersten Bundesligatages. Der BVB hat überzeugend gewonnen! Der Versuch in dem etwa 3,5 Kilometer entfernten Gasthof unterzukommen, klappt leider nicht. Ich bekomme aber den Tipp auf einem Ziegenhof, nur 600 Meter weiter, mit dem Zelt übernachten zu können.

Kaum bin ich wieder unterwegs, verdunkelt sich der Himmel vor und seitlich von mir. Leichter Wind kommt auf. Ein entferntes Donnergrollen höre ich auch und so beeile ich mich mit dem Anziehen des Ponchos. Wiedermal schaffe ich es punktgenau, denn kaum ist der Poncho an, schon prasselt ein heftiger Regen auf mich nieder. Sicherheitshalber ziehe ich auch meine Gamaschen an. Der Gedanke, bei diesem Wetter zu zelten, behagt mir überhaupt nicht. Doch Regen und Wind sind schnell vorbei. Nur am Horizont in Richtung meines Zieles hält sich der dunkelgraue Himmel und mehrere Blitze sehe ich auch noch. Doch das Grollen kommt erst sehr viel später.

Dann erreiche ich das kleine Dorf Zollbrücke mit seinen Fachwerkhäusern am Oder-Neiße-Radweg. Im Gasthof nehme ich noch ein Abendessen und verstehe jetzt, warum hier ausgebucht ist. Hier gibt es ein Theater und die Leute reisen extra auch von Berlin hier an.

Auf dem Weg zum Ziegenhof, die dunklen Wolken haben sich verzogen, komme ich am Freilufttheater vorbei. Etwa 500 Meter weiter erreiche schließlich den Ziegenhof. Hier kann ich den im Hofladen angebotenen Ziegenkäse nicht widerstehen. Meine heutige Zeltübernachtung kostet 2,50 €. Das WC ist ein Baustellen-WC, jedoch sauber. Die Dusche, ein Stück weiter, ist im Freien, hat warmes Wasser aber keinen Vorhang.

Zwischen Tannen stelle ich mein Zelt auf. Etwas weiter, noch versteckter zwischen Tannen, steht ein weiteres Zelt. Im Aufenthaltsraum setzte ich mich noch einige Zeit hin um meine Akkus aufzuladen.